René Benko hat einen Lauf. Der 41-jährige Karstadt-Eigner und Immobilien-Mogul aus Tirol, dessen Signa-Gruppe eben erst dem taumelnden südafrikanischen Möbelriesen Steinhoff die Handelsketten Kika und Leiner abgekauft hat, ist offenbar wieder in Gesprächen mit den Eigentümern der kriselnden Warenhauskette Kaufhof-Galeria. Bisher war Benko trotz zahlreicher Anläufe immer wieder bei der Kaufhofmutter HBC abgeblitzt.
Doch die Vorzeichen haben sich in den vergangenen Monaten deutlich verändert. Sinkende Umsätze, rote Zahlen und unrentable Filialen belasten Kaufhof. Es wurde viel zu viel Zeit vertan, mit ein paar größeren kosmetischen Veränderungen in den Kaufhof-Filialen und mit der neuen Rabatt-Kette Saks Off 5th einen Neuanfang zu inszenieren. „Die Lage bei Kaufhof ist prekär, auch wenn aktuell die Gefahr einer Insolvenz nicht zu bestehen scheint“, sagte Bernhard Franke von der Gewerkschaft Verdi noch im April.
Auch die handelnden Personen haben gewechselt. Im vergangenen Frühjahr hatte zunächst nach internen Machtkämpfen Olivier Van den Bossche Galeria Kaufhof verlassen. Sein Nachfolger als HBC-Europa-Chef wurde Wolfgang Link. Den Kontakt zu Link hatte Hudson's-CEO Jerry Storch hergestellt. Storch kannte Link von Toys 'R' Us, wo er in früheren Jahren Konzernchef gewesen war. Doch erwischte es Storch selbst. Er musste gehen und seine Nachfolgerin wurde kürzlich Helena Foulkes.
Zwei deutsche Traditions-Warenhäuser
Kaufhof mit Sitz in Köln blickt auf eine fast 140-jährige Geschichte zurück: 1879 eröffnete der Kaufmann Leonhard Tietz in Stralsund ein Textilgeschäft und legte damit den Grundstein. Im Geschäftsjahr 2016/2017 (zum 31. Januar) erwirtschaftete der Konzern mit damals knapp 21.500 Mitarbeitern rund 2,9 Milliarden Euro Umsatz. Unter dem Strich stand laut einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte ein Jahresfehlbetrag von 88 Millionen Euro. Seitdem weist der Eigner HBC keine seperaten Zahlen mehr für sein Deutschland-Geschäft aus. Doch zuletzt verbuchte Kaufhof ein Umsatzminus – die vergleichbaren Erlöse im Europa-Geschäft um die deutsche Kette seien um sechs Prozent gesunken, teilte HBC Anfang Juni mit. Für Kaufhof arbeiten dem Unternehmen zufolge aktuell noch rund 18.000 Menschen.
Der Warenhauskonzern betreibt in Deutschland 96 Warenhäuser. HBC ist zudem auch in den Niederlanden und Belgien aktiv. Kaufhof gehört seit dem 1. Oktober 2015 zu dem nordamerikanischen Konzern, der sie für 2,8 Milliarden Euro vom Handelsriesen Metro übernommen hatte. Um die Übernahme zu finanzieren, hatte HBC dann 41 Warenhaus-Immobilien in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Investor Simon Property eingebracht. An den Immobilien hat Benko auch immer wieder Interesse gezeigt. Zuletzt hatte er Insidern rund drei Milliarden Euro für Kaufhof geboten - war damit aber zu Jahresbeginn bei HBC abgeblitzt.
Der 1881 von Rudolph Karstadt in Wismar gegründete Erzrivale hat eine wechselhafte Historie hinter sich. Nach Höhen und Tiefen war Karstadt 2009 zusammen mit der damaligen Konzernmutter Arcandor in die Insolvenz geschlittert. 2010 übernahm der Milliardär Nicolas Berggruen Karstadt. Vier Jahre später reichte er das Unternehmen an den österreichischen Immobilien-Investor Benko weiter. Benko machte sich an die Sanierung der Kette, die er in das Warenhausgeschäft, einen Sportbereich und die Luxus-Warenhäuser um das Berliner KaDeWe aufteilte.
Das Warenhausgeschäft unter dem Namen Karstadt umfasst noch 79 Warenhäuser in Deutschland, in diesem Jahr sollen zwei neue Filialen in Berlin eröffnet werden. Rund 15.000 Menschen arbeiten für die Kette. Karstadt hatte zuletzt für das Geschäftsjahr 2016/17 (per Ende September) Zahlen vorgelegt. Demzufolge schrumpfte der Einzelhandelsumsatz um 1,8 Prozent auf rund 1,9 Milliarden Euro. Die Verlustzone konnte Karstadt dagegen verlassen - unter dem Strich stand ein Überschuss von 1,4 Millionen Euro nach einem Minus von 7,5 Millionen Euro im Jahr zuvor. Für das laufende Geschäftsjahr peilt der Konzern ein „ausgeglichenes Jahresergebnis“ an.
Storch wurde vorgeworfen, die Lage bei Kaufhof falsch eingeschätzt zu haben. Die 53-Jährige Foulkes hatte zuletzt das operative Geschäft des amerikanischen Apothekenbetreibers und Gesundheitsdienstleisters CVS Health verantwortet. Foulkes, die vom Wirtschaftsmagazin „Fortune“ auf Platz zwölf der mächtigsten Frauen der US-Wirtschaft geführt wird, verantwortet als CEO die globale Strategie von HBC mit seinen 66 000 Mitarbeitern und weltweit 480 Warenhäusern der Marken Saks Fifth Avenue, Lord & Taylor, Hudson’s Bay Company und Galeria Kaufhof. Richard Baker, zuletzt Interims-Chef bei HBC, zog sich wieder auf seine Rolle als Verwaltungsratschef zurück. Ebenfalls erst seit Herbst vergangenen Jahres ist der frühere Real-Manager Roland Neuwald als neuer Kaufhof-Chef im Amt.
Und im Hintergrund wirbelt zudem ein aktivistischer Investor. Jonathan Litt hält 6,2 Prozent der Anteile an der Hudson's Bay Company. Seit über einem Jahr läuft er Sturm, HBC solle nach Wegen suchen, um den immensen Wert seiner Immobilien für die Aktionäre freizusetzen. Laut Litt beläuft sich allein der Wert der HBC-Immobilien auf 31 kanadische Dollar je Aktie – fast dreimal so viel wie der aktuelle Aktienkurs von 11,57 kanadischen Dollar. Das Engagement des umtriebigen Investors zeigte bereits Wirkung: 2017 verkauften die Kanadier ihren Lord & Taylor's Flagship Store in Manhattan für 850 Millionen Dollar.
Die Karten am deutschen Warenhausmarkt könnten nun tatsächlich neu gemischt werden: Zwischen den Eignern der kriselnden Warenhausketten Kaufhof und Karstadt, HBC und der österreichischen Signa des Immobilieninvestors René Benko, gibt es Insidern zufolge Gespräche über ein Gemeinschaftsunternehmen. Beide Seiten verhandelten darüber, dass Karstadt bei Kaufhof im operativen Geschäft einsteige, sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Dabei gehe es auch darum, dass Karstadt 51 Prozent des operativen Geschäft bei Kaufhof übernehme. Zudem gehe es um die Warenhaus-Immobilien. Arbeitnehmervertreter hatten in der Vergangenheit mit Blick auf eine mögliche Allianz der beiden Warenhausriesen vor der Schließung von Standorten und dem Verlust von Arbeitsplätzen gewarnt.