In den vergangenen Jahren sah es aus, als ginge den Billiganbietern Aldi, Lidl & Co. die Luft aus. Die klassischen Supermärkte konnten verlorenen Boden zurückgewinnen. Doch jetzt sind die Discounter wieder da. Und sie scheinen stärker denn je. Davon fühlt sich die Kölner Rewe-Gruppe offenbar bedroht. Mit neuen Konzepten sollen Kunden an das Unternehmen gebunden werden.
Was soll sich bei Rewe ändern?
"Wenn wir nicht aufpassen, wird der Supermarkt überflüssig" sagt Rewe-Chef Alain Caparros im Gespräch mit dem "Handelsblatt". Er sieht sein Unternehmen sowohl von Onlinehändlern als auch von den Discountern bedroht. Deshalb plant die Kölner Rewe-Gruppe in diesem Jahr Investitionen von 1,6 Milliarden Euro für die Expansion und Modernisierung ihres Ladennetzes. Gerade das Geschäft mit dem Onlinehandel soll ausgeweitet werden. Bislang liefert Rewe in sieben deutschen Städten seinen Kunden online bestellte Waren an die Haustür. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, wolle das Unternehmen zusätzlich in möglichst vielen Rewe-Märkten Angebote wie etwa Bistros, Cafés oder Sushi-Bars schaffen.
Woher kommt der Druck auf Supermärkte wie Rewe?
Nach einer Schwächephase gewinnen die Discounter in Deutschland wieder an Boden. Im vergangenen Jahr steigerten sie nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ihren Marktanteil auf fast 44 Prozent. Dabei hatte es noch bis Mitte 2012 so ausgesehen, als hätten Rewe, Edeka und Co. den Siegeszug der Billiganbieter gestoppt. Doch das ist Vergangenheit. "Was wir in den zurückliegenden Jahren erlebt haben, war eine kleine Wachstumsdelle, nicht das Ende des Wachstums der Discounter. Aldi und Co. stoßen immer noch auf ein empfängliches Umfeld in Deutschland", erklärt Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Rhein-Sieg.
Wie gewinnen Aldi & Co. die Kunden für sich?
Vor allem Aldi und Lidl haben zuletzt Millionen in die Modernisierung von Filialen und Sortiment gesteckt. So wurden Tausende von Geschäften mit Backstationen ausgerüstet. Auch ihr Frischeangebot - egal ob Obst und Gemüse, Fleisch oder Fisch - haben die Billiganbieter Schritt für Schritt ausgeweitet. Mit Erfolg. "Es gibt eine starke Wanderungsbewegung vom Fachhandel zum Discounter - auf Kosten von Bäckereien, aber auch von Metzgern oder Gemüsehändlern", sagt GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth. Beim Versuch die Attraktivität für Kunden zu steigern und die Umsätze anzukurbeln, haben die Discounter viele alte Zöpfe abgeschnitten. So bietet Aldi inzwischen deutlich mehr Markenprodukte an. Die Aufnahme von Coca-Cola, Fanta und Sprite ins Angebot kurbelte das Geschäft kräftig an. Lidl punktete im Weihnachtstrubel mit Premium-Angeboten für seine Kunden. Denn billig sein, ist längst nicht mehr das alleinige Erfolgsrezept von Aldi und Co.. Im Gegenteil: Die Discounter bemühen sich recht erfolgreich darum, ihren Kunden etwas teurere Produkte zu verkaufen. Nur noch gut vier von zehn Euro verdienen Aldi, Lidl und Co. laut GfK im Preiseinstiegsbereich. Eine immer größere Rolle spielen Angebote mit "Mehrwert" - etwa Bioprodukte oder Waren aus regionalem Anbau, für die der Käufer etwas tiefer in die Tasche greifen muss.
Coca-Cola kommt zurück
Welche Rolle spielen Preisnachlässe?
Die dauernde Rabattschlacht der Lebensmittelhändler scheint kein Ende zu nehmen. Was den Kunden freut, macht Händlern und Lieferanten mitunter schwer zu schaffen. In der zweiten Januarwoche drehte Aldi als erstes Unternehmen an der Preisschraube und senkte die Preise für Eier, Instant-Kaffee und Instant-Tee - mit entsprechenden Auswirkungen im gesamten Einzelhandel. Denn viele Anbieter orientieren sich im Preiseinstiegsbereich am Discount-Marktführer. Mehrere Ketten zogen daraufhin unverzüglich nach.
Welche Unternehmen senkten die Preise für welche Artikel?
Am elften Januar reduzierte Aldi-Süd den Preis für einen 10er-Pack Eier aus Bodenhaltung von 1,29 Euro auf 99 Cent (minus 23 Prozent). Auch Eier aus ökologischer Haltung wurden um 30 Cent günstiger. Den Preis für Instant-Kaffee der Eigenmarke Belmont senkte Aldi um zehn Cent. Auch Weinmischgetränke und Weine wurden bei Aldi um zehn bis 20 Cent verbilligt. Gleiches gilt für Knabbereien wie gesalzene Nüsse. Eine Woche später kündigte Aldi Nachlässe bei Frühstücksprodukten wie Cerealien, Müsli und Joghurt um bis zu zehn Cent an. Der Konkurrent Norma zog prompt nach: Die Nürnberger teilten mit, unter anderem für verschiedene Müslisorten und Müsliriegel ab sofort ebenfalls 10 Cent weniger zu verlangen. Und auch Netto macht nun viele Frühstücksartikel um zehn Cent billiger.
Wie reagieren Lebensmittelhersteller auf den Preiskrieg?
Insbesondere der Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ist von den Preissenkungen bei Eiern nicht sonderlich begeistert. Das, was die Discounter da gerade machten, sei "eine gewaltige Schweinerei", sagte der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Preissenkungen seien nicht nachvollziehbar. Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, spricht von "Marketing auf dem Rücken der Bauern." Doch nicht nur kleine Lieferanten, auch große Konzerne reagieren verschnupft auf die Rabattschlacht. So musste Lidl vor gut einer Woche verkünden, Coca-Cola aus dem Sortiment nehmen zu müssen. "Wir haben uns mit Lidl nicht auf ein Vermarktungskonzept einigen können", bestätigte ein Sprecher des Getränkeherstellers Coca Cola. Erst vor gut einem Jahr hatte der Discount-Marktführer Aldi begonnen, neben der billigen Eigenmarke auch Coca-Cola zu verkaufen. Konkurrenten wie Lidl oder Rewe hatten daraufhin regelmäßig mit Sonderangeboten die Preise für die Brause aus Atlanta gedrückt.
Ist der Rauswurf von Coca-Cola endgültig?
Nein. Coca-Cola kehrt in die Lidl-Regale zurück. Der Neckarsulmer Discounter kündigte an, ab Anfang März werde die klassische Cola wieder in allen Filialen erhältlich sein. Offen ließen sowohl Lidl als auch Coca-Cola auf Anfrage von dpa, ob auch andere Produkte aus dem Angebot des Herstellers wie Fanta, Sprite oder Coca-Cola Zero wieder in den Läden zu finden sein werden.