Rebuy-Chef Philipp Gattner Folge der Inflation: Deutsche kaufen jetzt lieber gebraucht als neu

Bei Rebuy werden alte Handys wieder auf Vordermann gebracht und verkauft: Chef Philipp Gattner. Quelle: PR

1249 Euro für ein neues iPhone 13? Oder doch lieber ein generalüberholtes iPhone 12 für die Hälfte? Verbraucher sparen und kaufen öfter gebrauchte Produkte. Für den An- und Verkaufsspezialisten Rebuy ein gutes Geschäft.

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Vom Besprechungsraum „Zugspitze“ aus hat Rebuy-Chef Philipp Gattner sein Reich im Blick: Unten wuseln Mitarbeiter durch die 7000 Quadratmeter große Halle in Berlin-Rudow. Hunderte Pakete werden in Gitterboxen angekarrt, darin gebrauchte CDs und DVDs, Computer- und Konsolenspiele, vor allem aber Bücher. Die Mitarbeiter des digitalen An- und Verkaufsspezialisten müssen die Ware bewerten, einlagern und für den Weiterverkauf vorbereiten. Am anderen Ende der Halle rauschen wie in einer Fabrik Bücher über ein blaues Förderband. Und weiter hinten laufen schon die Bauarbeiten, um zusätzliche Lager- und Arbeitsfläche zu schaffen.

Auch in einem separaten Logistikzentrum speziell für Technikartikel in Falkensee bei Berlin herrscht Hochbetrieb. Das ist kaum verwunderlich: „Wenn die Kosten so stark steigen wie in den vergangenen Monaten, schauen viele Menschen, wo sie sparen können und ob sie nicht das ein oder andere ungenutzte Technikprodukt zu Geld machen können“, sagt der Rebuy-Chef. „Das spüren wir.“ Es gebe mehrere Faktoren, die das Wachstum verstärken – vor allem der Trend zu mehr Nachhaltigkeit. „Aber klar, die Inflation gibt uns zusätzlichen Rückenwind“, so Gattner.

Seit 2004 vermittelt Rebuy gebrauchte Produkte an neue Besitzer, anfangs vor allem Bücher, CDs und Computerspiele. Heute macht das Unternehmen den größten Teil seines Umsatzes von zuletzt rund 180 Millionen Euro mit gebrauchten Smartphones, Laptops, Tablets und Spielekonsolen. Rebuy überprüft die Geräte, lässt sie neu verpacken und teils reparieren, bevor sie über den eigenen Onlineshop oder Plattformen wie Amazon angeboten werden. Zehntausende Artikel verkauft das Unternehmen so jeden Tag und verdient an der Spanne zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis. Die ist vor allem bei Medien hoch: Oft sind 50 bis 60 Prozent Aufschlag drin. 

Der Sortier- und Auswahlprozess lässt sich allerdings auch nicht in gleichem Maße automatisieren wie im Technikbereich. In der Logistikhalle am Berliner Stadtrand müssen Mitarbeiter die zugeschickte Ware inspizieren, Bücher durchblättern, Kaffeeflecken, Eselsohren oder Notizen aufspüren. Je nach Zustand werden die Medien dann etwas teurer oder billiger angeboten. Bestseller wie Harry-Potter-Romane finden oft schon innerhalb weniger Tage neue Interessenten. Bei anderen dauert es mitunter Wochen oder Monate. 

Secondhand statt Ex-und-hopp

Unzählige graue Bücherboxen stapeln sich denn auch in den Gängen des Rebuy-Lagers in Berlin-Rudow. Es bietet Platz für rund fünf Millionen einzelne Artikel, nach der Erweiterung sogar für rund 7,5 Millionen. Eine erkennbare Ordnung gibt es nicht: Ein Bildband über Österreich liegt neben einem Erziehungsratgeber, ein Liebesroman neben einem juristischen Wälzer zum Asylrecht. Im Fachjargon heißt das Ordnungsprinzip „chaotische Lagerhaltung“: Produkte werden im Grunde dort einsortiert, wo Platz ist. Über die IT ist später alles wieder auffindbar. Nur die prognostizierte Verkaufsgeschwindigkeit spielt eine Rolle. „Je nachdem, wie schnell sich ein Produkt verkauft, wird es tendenziell weiter oben oder unten gelagert“, sagt Gattner. Je beliebter ein Buch ist, umso näher steht es also bei den Mitarbeitern, die die Bücher für den Versand vorbereiten; das spart Zeit. 

Im Technikgeschäft gelten andere Regeln. Hier drosselt vor allem der Mangel an Material Rebuys Wachstum. „Unsere Gegner sind die Schubladen, in denen ungenutzte Geräte liegen“, sagt Gattner. Die Coronapandemie, in der das Ausmisten von Kellern, Schränken und Garagen zum Volkssport avancierte, brachte zwar etwas Entspannung auf der Angebotsseite. Zugleich befeuerten Homeschooling und -office aber auch die Nachfrage nach günstigem Equipment. Ebenso wie das wachsende Umweltbewusstsein: Vor allem jüngere Kunden setzen stärker auf Secondhand statt Ex-und-hopp. 

Schneller schlau: Inflation

Nun kommt noch die Inflation dazu. Der Kostendruck für viele Haushalte ist hoch, das Sparpotenzial verlockend: Statt bis zu 1249 Euro für ein neues iPhone 13 gibt es ein generalüberholtes iPhone 12 bei Rebuy schon für weniger als die Hälfte, nebst eines Garantieversprechens für drei Jahre. 

Börsengang von Rebuy ist eine Option

„Lange Zeit waren die Preisunterschiede egal, für viele Konsumenten musste es immer das neueste Gerät sein“, sagt Gattner. „Das ändert sich gerade.“ Nicht nur bei Technik. Modehändler wie Zalando, die Otto-Tochter About You und H&M mischen inzwischen im Geschäft mit Secondhand-Kleidung mit. Ebenso wie Rebuys Re-Commerce-Rivale Momox, der jüngst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und als Börsenkandidat gilt. 

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Auch Gattner plant Großes: 2022 will er die Umsatzmarke von 200 Millionen Euro knacken. Die Zahl der verkauften Secondhand-Handys soll bis 2025 auf 500.000 mehr als verdoppeln. Auch ein Börsengang könnte für Rebuy mittelfristig Thema werden. „Ein Börsengang steht aktuell nicht auf unserer Agenda“, sagt Gattner zwar. Das Unternehmen sei solide aufgestellt und arbeite profitabel, die Finanzierung steht. „Aber irgendwann in den nächsten Jahren könnte ein IPO eine Option für Rebuy sein.“

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