Rezept für neues Wachstum Wie Vorwerk den Thermomix-Boom in China entfachen will

Thermomix: Vorwerk will den Thermomix-Boom in China entfachen Quelle: dpa

Der Hype um den Thermomix lässt in Deutschland nach. Nun setzt der Wuppertaler Konzern große Hoffnungen auf China. Denn die Mittelschicht der Volksrepublik entdeckt gerade erst ihre Lust an Luxus-Haushaltsgeräten.

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Für Zhang Ping ist nach einer halben Stunde klar, dass ihr der Thermomix viel Freude bereiten wird. „Ich werde für meine Familie ein Gerät bestellen. Es ist eine ganz andere Art zu kochen“, sagt die 39-jährige Lehrerin, während sie in einem Pekinger Einkaufzentrum gebannt die Vorführung einer Thermomix-Verkäuferin verfolgt.

Gezeigt wird, wie sich mit der Küchenmaschine verschiedene Pasta-Gerichte kochen lassen. Dann bereitet die Vorwerk-Angestellte mit dem Thermomix innerhalb weniger Minuten eine Fruchtlimonade zu, die sie an Zhangs jungen Sohn und andere Kinder, die der Präsentation überraschend geduldig lauschen, ausschenkt.

Auch wenn Vorwerk in diesem Jahr in allen Märkten von einem Wachstum im Bereich Thermomix ausgeht: Der Hype um das Gerät, mit dem der Wuppertaler Vorwerk-Konzern in den letzten Jahren gewaltige Erfolge feierte, hatte in Deutschland und Europa zuletzt spürbar nachgelassen. Im vergangenen Jahr sank der Vorwerk-Konzernumsatz um rund vier Prozent auf knapp 2,8 Milliarden Euro – nicht zuletzt, weil sich der Thermomix nicht mehr so gut verkaufte.

Vorwerk hat sich deshalb ein Konsolidierungsprogramm verordnet. Im Zuge dessen werden in Wuppertal insgesamt 200 von 2500 Stellen in Produktion und Verwaltung abgebaut. Nach den Verhandlungen mit dem Betriebsrat droht bis zu 85 Mitarbeitern die betriebsbedingte Kündigung.

Ein Bestandteil des Effizienzsteigerungsprogramms, bei dem gezielt in Zukunftstechnologien wie Digitalisierung und Softwareentwicklung investiert werden soll, ist auch die Einstellung der Thermomix-Produktion in Wuppertal. Die Fertigung am Firmenhauptsitz war nach Unternehmensangaben 2015 zum Höhepunkt des Thermomix-Hypes aufgebaut worden, um das Stammwerk in Frankreich zu entlasten und die damals langen Wartezeiten für Kunden zu verkürzen. In Wuppertal wurden laut Vorwerk vor allem kleinere Stückzahlen für einzelne Märkte mit anderer Stromspannung oder anderer Steckerform produziert worden. Frankreich soll auch in Zukunft der größte Produktionsstandort bleiben.

Parallel dazu sollen nun aber ab kommendem Jahr ebenfalls in Shanghai Thermomix-Geräte für den chinesischen Markt vom Band laufen. Dort zieht die Nachfrage nach dem umgerechnet rund 1300 Euro teuren Küchengerät immer weiter an. „Das hat vor allem mit dem weiter steigenden Bedarf an gesunder Ernährung und auch dem Wunsch nach internationaler Küche und internationalen Rezepten zu tun“, sagt Vorwerk-Sprecher Michael Weber. Demnach erzielte Vorwerk mit Thermomix im China im vergangenen Jahr einen Umsatz von 112 Millionen Euro, was etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes des Geschäftsbereichs entspricht.

Vorwerk wirbt um Chinas Oberschicht

Vorwerk profitiert in China davon, dass der mehr als zwei Jahrzehnte andauernder Wirtschaftsboom des Landes eine neue Oberschicht entstehen ließ, die ihren Wohlstand mit hochpreisigen Statussymbolen zur Schau stellen will. Chinesen waren laut einer Studie der Beratung Bain & Company zuletzt für 32 Prozent der weltweiten Luxuseinkäufe verantwortlich – Tendenz stark steigend.

Diese Zahlen kennen wohl auch die Wuppertaler. Sie sehen auf dem chinesischen Markt großes Potenzial für den Thermomix und rüsten seit einiger Zeit auf: Mehr als zehn Kochbücher mit tausenden von internationalen Rezepten und speziellen lokalen Gerichten bietet Vorwerk in China für sein Gerät an. Dazu kommen weitere Rezepte aus anderen asiatischen Ländern.

Chinesisches Kochstudio statt Kochpartys zu Hause

Seine Verkaufsstrategie passte Vorwerk für den chinesischen Markt extra an: Da anders als in Europa die eigenen vier Wände in China in der Regel der Familie und engen Freunden vorbehalten sind, kommen die Vertreter nicht direkt zu Kochpartys nach Hause. Stattdessen hat Vorwerk Kochstudios in guten Lagen eingerichtet, wo die Geräte vorgeführt werden. Gefällt das Gerät, kann es vor Ort bestellt und nach Hause geliefert werden.

Derzeit betreibt Vorwerk 26 Kochstudios in chinesischen Städten. 15 weitere sollen bis Ende 2020 laut Vorwerk-Sprecher Weber hinzukommen.

„Wir setzen auch in China auf den Direktvertrieb, da wir ein erklärungsbedürftiges Produkt verkaufen und nur in der Vorführung der Nutzen für den Kunden unmittelbar erlebt werden kann“, sagt Weber.

Was Vorwerk mit dem ausschließlichen Verkauf über seine Studios verloren geht, ist jedoch der boomende Online-Handel in China. Noch viel mehr als in Deutschland werden dort Einkäufe über das Internet erledigt.

Ein erfolgreiches Beispiel, wie von diesem Trend auch Hersteller hochwertiger Haushaltgeräte profitieren können, ist der britische Dyson-Konzern: Nur sieben Jahren nach dem Markteintritt in China erzielt Dyson bereits mehr als die Hälfte des Umsatzes in Asien – auch dank eines florierenden Onlinegeschäfts. Neben eigenen Geschäften in großen Einkaufs-Malls setzt der Konzern vor allem auf Verkäufe über die beiden großen chinesischen Internet-Einkaufsplattformen Jd.com und Tmall.

Nicht nur die kabellosen Staubsauger von Dyson werden dort täglich tausendfach verkauft. Zum beliebtesten Dyson-Gerät in China hat sich ein Luxus-Haartrockner entwickelt. Trotz eines Preises von umgerechnet mehr als 400 Euro zieht das Gerät Millionen Chinesinnen in seinen Bann.

Gelingt es Vorwerk, in China eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie Dyson hinzulegen, dürfte das auch Arbeitsplätze in Wuppertal sichern. Denn auch wenn es schon bald keine Endmontage in Wuppertal mehr geben wird, wichtige Teile des Geräts werden auch weiterhin aus dem Bergischen Land kommen: Die Motoren für den Thermomix werden weiterhin zentral im neuen Motorenwerk in Wuppertal produziert. Und Messer für das Gerät werden auch weiterhin am Stammsitz hergestellt.

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