
Für die einen stand der Verbraucherschutz auf dem Spiel, für die anderen der gute Ruf des Unternehmens. Die Richter des Oberlandesgericht in München haben nun entschieden: Die Stiftung Warentest darf nicht mehr behaupten, dass die Nuss-Schokolade von Ritter Sport ein künstliches Aroma enthält.
Das Gericht begründete die Zurückweisung der Berufung damit, dass die Stiftung Warentest in ihrem Testbericht eine Tatsachenbehauptung aufgestellt habe. Sie habe aber aufgrund ihrer Recherchen nicht „nachgewiesen“, sondern „geschlussfolgert“, um welche Art von Piperonal es sich handele. Dies habe die Stiftung im Testbericht nicht deutlich genug kommuniziert.
Ritter Sport: Aroma oder natürliches Aroma?
Meist sind es Aroma, natürliches Aroma oder Extrakt, die den Geschmack ausmachen. Für den Verbraucher ist es schwer, sich in diesem Begriffs-Dschungel auf der Verpackung zurechtzufinden. Der Rechtsstreit um ein angebliches chemisches Vanillearoma in der Voll-Nuss-Schokolade von Ritter Sport zeigt, dass Verbraucherschützer peinlich genau auf die richtige Kennzeichnung achten. Unterschieden wird vor allem zwischen „Aromen“ und „natürlichen Aromen“.
Steht allein „Aroma“ oder „Aromastoff“ auf der Verpackung, wurde dem Lebensmittel eine im Labor chemisch hergestellte Substanz zugefügt. Die früher in Deutschland geltende Unterscheidung in „künstlich“ und „naturidentisch“ gibt es nicht mehr. „Künstlich“ war ein chemisch hergestelltes Aroma. Als „naturidentisch“ durfte ein Aroma bezeichnet werden, wenn eine in der Natur vorkommende Substanz lebensmittelchemisch hergestellt wird. Der Begriff „naturidentisch“ war von Verbraucherschützern als Täuschung kritisiert worden.
Eine weitere Variante zur Aromengewinnung ist die Extraktion eines Stoffes, etwa mithilfe von Wasser oder Alkohol. Vanilleextrakt zum Bespiel wird mithilfe von Alkohol aus der Vanilleschote herausgezogen.
Die Stiftung Warentest hat die Ritter-Sport-Schokolade Voll-Nuss als mangelhaft bewertet. Sie bemängelte unter anderem, dass ein chemisch hergestellter Stoff als „natürliches Aroma“ deklariert worden sei und nicht als „Aroma“. Es handelt sich um den Stoff Piperonal mit Vanille- und Mandelgeruch, der natürlich unter anderem in Blütenölen und in Pflanzen wie Pfeffer und Dill vorkommt.
Ritter Sport erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Behauptung der Stiftung Warentest, dagegen legten die Verbraucherschützer Widerspruch ein. Dem Unternehmen zufolge wurde der Stoff von einem Aromahersteller in einem physikalischen Verfahren aus Pflanzen gewonnen und kann daher als „natürliches Aroma“ deklariert werden.
Aromastoffe dürfen nicht gesundheitsgefährdend sein und den Verbraucher nicht irreführen. In der EU prüft seit 2008 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach strengen Kriterien, ob bei einem Aroma eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann.
Seit April 2013 gilt eine EU-weit gültige Positivliste, die jährlich aktualisiert werden soll. Auf ihr sind alle zugelassenen synthetisch gewonnenen sowie durch chemische Verfahren isolierte Aromastoffe und natürliche Aromastoffe aufgeführt. Für die EU-Positivliste wurden rund 3000 Aromen auf ihre Sicherheit untersucht, übrig blieben zunächst 2100 zulässige Aromastoffe, 400 weitere werden noch getestet.
Nach der EU-Verordnung für Biolebensmittel dürfen für Bioprodukte nur „natürliche Aromastoffe“ oder „Aromaextrakte“ eingesetzt werden. Manche Biohersteller verzichten auch auf natürliche Aromen und verwenden lediglich Aromaextrakte.
Das Gericht würdigte die Recherchen der Stiftung zum Herstellungsverfahren des Aromastoffs und übte allein Kritik an der redaktionellen Darstellung, die diese Recherche hätte deutlicher beschreiben sollen.
Die Richterin betonte ausdrücklich, dass es in diesem Verfahren nicht um die Frage ging, ob das für die Voll-Nuss-Schokolade verwendete Piperonal ein natürlicher oder ein chemisch hergestellter Aromastoff ist. Gerade wegen der immensen Bedeutung der Testberichte in der Öffentlichkeit müsse die Stiftung Warentest ihre Worte besonders sorgsam wählen, mahnte die Richterin. „Wenn Sie schreiben, Sie haben das nachgewiesen dann müssen Sie sich daran festhalten lassen.“
Worum ging es? Ritter wehrte sich dagegen, dass die Stiftung Warentest seine Nussschokolade bei einem Test von 26 Nussschokoladen, veröffentlicht in der Dezember-Ausgabe 2013 der Zeitschrift „test“ ,mit „mangelhaft“ bewertet hatte. Die Tester warfen dem Schokoladenhersteller demnach vor, er verwende den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal, deklariere auf der Verpackung aber nur „natürliches Aroma“. Für diese unterstellte Verbrauchertäuschung gab es die schlechte Gesamtnote.
Ritter reagierte „entsetzt“ und behauptete, es seien ausschließlich natürliche Aromen verwendet worden. Der Lieferant des Vanillearomas, der weltweit größte Aromenhersteller Symrise, gab sogar eine Garantieerklärung ab: Das gelieferte Aroma sei „ein natürliches Aroma im Sinne der europäischen Aromenverordnung“ und das zugesetzte Piperonal sei „ein natürlicher Aromastoff“ im Sinn derselben Verordnung.