
Wenn der Begriff Transfergesellschaft (TG) zum Thema wird – wie nun bei Schlecker –, ist der Anlass stets spektakulär: Es geht um Insolvenzen, Massenentlassungen, Betriebsstilllegungen. Über Transfergesellschaften sollen die Einschnitte für die Beschäftigten abgefedert werden. Sie halfen etwa den Belegschaften des Handyproduzenten BenQ, der Autoschmiede Karmann, der Nähmaschinenfabrik Pfaff oder des Speicherchipherstellers Qimonda bei der Suche nach neuen Jobs.

Die Beschäftigten erhalten in der Zeit Transfer-Kurzarbeitergeld. Es wird nicht gezahlt, wenn Betriebe bei Konjunktureinbrüchen vorübergehend die Arbeit ausgeht, sondern wenn Jobs bei Massenentlassungen und Insolvenzen unwiederbringlich wegfallen. 35.669 Transfer-Kurzarbeiter gab es im Januar 2010 – der bisherige Höchststand. Die Mitarbeiter werden bei den jeweils gegründeten TGs bis zu ein Jahr lang geparkt, qualifiziert, gecoacht und zu neuen Arbeitgebern vermittelt – im Idealfall. Tatsächlich finden nach einer Erhebung der DGB-eigenen Hans-Böckler-Stiftung nur rund 44 Prozent der Transfer-Teilnehmer neue Jobs.
Was ist eine Transfergesellschaft?
Eine Transfergesellschaft wird dann ins Leben gerufen, wenn sich das Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr retten kann, und durch diese Krise Massenentlassungen nicht zu vermeiden sind.
Der Zweck einer Transfergesellschaft ist es, Arbeitnehmer, die gekündigt werden sollen, in einen befristeten Arbeitsvertrag zu übernehmen. Dazu wird eine eigene Gesellschaft gegründet. Für die Gründung der Transfergesellschaft gibt es ein gesetzlich definiertes Verfahren. Es wird in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit umgesetzt. Beim Wechsel in eine Transfergesellschaft werden die Mitarbeiter für maximal ein Jahr weiter beschäftigt.
Transfergesellschaften haben ausschließlich das Ziel, die bei ihnen angestellten Beschäftigten so schnell wie möglich in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Wer in eine Transfergesellschaft wechselt, ist dort angestellt - nicht beim bisherigen Arbeitgeber. Die Schlecker-Mitarbeiter wäre also nicht mehr bei Schlecker beschäftigt, sondern in der neu gegründeten Transfergesellschaft.
Einige große Konzerne haben in schweren Krisensituationen, in denen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, bereits Transfergesellschaften gegründet: Telekom, Opel, Infineon, der Autozulieferer Phoenix, die ehemalige Siemens-Tochter BenQ.
Rechtlich handelt es sich bei Transfergesellschaften um so genannte strukturelle Kurzarbeit. Das bedeutet, die Beschäftigten erhalten "Transferkurzarbeitergeld". Das beträgt 60 Prozent des Nettolohns für Mitarbeiter, die keine Kinder haben; Mitarbeiter mit Kind erhalten 67 Prozent des letzten Nettolohns. Diesen Betrag zahlt das Arbeitsamt aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. In vielen Fällen stockt der ehemalige Arbeitgeber das Gehalt auf 80 Prozent auf.
Während der ersten Transfergesellschaft 2010 bekamen die Ex-Opelaner 80 Prozent ihres letzten Gehalts. Finanziert wurde das zu gleichen Teilen von der Arbeitsagentur und Opel. Ausgelegt war die Transfergesellschaft für zwölf Monate. Wer vorher einen neuen Job fand, bekam eine sogenannte Sprinter-Prämie: Für jeden Monat, den der Autokonzern das Gehalt nicht mehr zahlen musste, gab es 1000 Euro für die Ex-Mitarbeiter. So sollte ein Anreiz geschaffen werden, dass sich die Mitarbeiter nicht zwölf Monate lang weiterbezahlen lassen und dann erst aktiv nach Jobs suchen.
Dem TÜV Nord standen Gelder aus dem Europäischen Globalisierungsfonds (EGF) in Höhe von 6,9 Millionen Euro zur Verfügung, um die Mitarbeiter weiterzubilden und zu vermitteln. „Wir hatten 4,3 Millionen Euro von Opel und die Möglichkeit bei Bedarf bis zu 6,9 Millionen Euro vom EGF abzurufen“, sagt Hermann Oecking, Geschäftsführer des TÜV Nord Transfer.
„Beim EGF gab es zwei Fördertöpfe. Einen für die klassischen Qualifizierungsmaßnahmen und einen für sonstige arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Job-Speed-Datings mit Arbeitgebern, Job-Messen und so weiter.“
Abgerufen wurde laut dem Bundesarbeitsministerium jedoch nur 3,182 Millionen Euro für Qualifizierung, Beratung und Betreuung der Beschäftigten nach dem Ausscheiden aus der Transfergesellschaft. Hinzu kamen nochmal 430.000 Euro für Verwaltungskosten des TÜV Nord. Nach den EU-Vorgaben habe der TÜV Nord zuerst das von Opel zur Verfügung gestellte Geld ausgeben müssen. „Danach wurden mit EGF -Gelder alle weiteren Maßnahmen ermöglicht, die für die berufliche Zukunft sinnvoll waren“, sagt er. „Mit dem Mittelabruf liegen wir im Durchschnitt vergleichbarer Transfergesellschaften. Dies hat das Bundesarbeitsministerium bestätigt."
Zudem fallen die Leistungen von TGs sehr unterschiedlich aus. Nach der Pleite des Autozulieferers TMD Friction schaffte zwar das Unternehmen 2009 einen erfolgreichen Neustart, aber die ausgelagerten Ex-Mitarbeiter fühlten sich „veräppelt“, kritisiert der Brühler Rechtsanwalt Michael Felser.
Sie hatten zwecks Wechsel in die scheinbar sichere TG einen dreiseitigen Aufhebungsvertrag unterschrieben – ohne Abfindung oder Rückkehr-Option. TGs, so Felser, „werden missbraucht, um ältere Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit bequem loszuwerden“.