Jahrelang führte Amazon deshalb in Deutschland die Liste der beliebtesten Händler an. Erst vor wenigen Monaten wurde es erstmals von der Drogeriekette dm überholt. Wohl auch, weil die Kritik an Amazon zunehmend lauter wurde.
Dass das Unternehmen den Kunden diesen traumhaften Service bieten kann, geht häufig zu Lasten anderer. So ächzen die Lieferdienste unter Amazons Keine-Versand-Kosten-Mentalität. Sie müssen deshalb die Touren zu niedrigen Preisen, wiederholte Anfahrten und die kostenlosen Retouren drücken die Margen weiter.
Auch zu den eigenen Angestellten ist Amazon weniger freundlich als zu seinen Kunden. Wohl nicht völlig grundlos wurde Jeff Bezos zuletzt zum schlechtesten Chef der Welt gewählt. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind hart, der Lohn nicht besonders hoch.
Seit Monaten tobt ein Streit zwischen der Gewerkschaft Verdi und Amazon, weil es für Angestellte keinen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels gibt. Als sich Undercover-Reporter 2013 in ein Logistikzentrum einschleusten, erlebten sie Schikane und knallharte Arbeitsbedingungen.
Nach den Enthüllungen hagelte es Kritik, Boykott-Aufrufe machten die Runde. Langfristige Auswirkungen blieben aus. „Der Kunde ist gnadenlos”, sagt Heinemann. „Kein Händler sollte erwarten, dass der plötzlich ein schlechtes Gewissen bekommt und Amazon den Rücken zukehrt.”
Die beliebtesten deutschen Händler
Die Beratungsfirma OC&C hat 30.000 Kunden in neun Ländern befragt. Die hier gezeigten Ergebnisse beziehen sich auf Deutschland. Die Kunden wurden unter anderem zu Preisen, Qualität, Service und Markenvertrauen befragt. Maximal waren 100 Punkte zu erreichen, ein Wert von mehr als 75 gilt als „sehr gut“.
Stand der Veröffentlichung: Dezember 2014.
eBay
Online-Auktionshaus
Indexwert: 79,3 (plus 1,9 Punkte gg. Vorjahr)
Kaufland
Lebensmittel
Indexwert: 79,4 (plus 2,2 Punkte gg. Vorjahr)
Müller
Drogerie
Indexwert: 79,8 (minus 0,2 Punkte gg. Vorjahr)
Globus
Lebensmittel
Indexwert: 79,9 (plus 1,8 Punkte gg. Vorjahr)
Thalia
Bücher
Indexwert: 80,3 (minus 0,7 Punkte gg. Vorjahr)
Douglas
Drogerie
Indexwert: 80,4 (minus 0,7 Punkte gg. Vorjahr)
Rossmann
Drogerie
Indexwert: 80,8 (plus 1,1 Punkte gg. Vorjahr)
Breuninger
Mode
Indexwert: 80,8 (plus 7,5 Punkte gg. Vorjahr)
Amazon
Multisortimenter
Indexwert: 85,0 (plus 2,4 Punkte gg. Vorjahr)
dm
Drogerie
Indexwert: 86,5 (plus 2,3 Punkte gg. Vorjahr)
4. Grund: Amazon bindet seine Kunden
Schon der normale Service von Amazon gilt als hervorragend. Doch das Unternehmen bietet mehr. Wer den kostenpflichtigen Service Amazon Prime bucht, erhält unter anderem das ersprechen auf eine schnellstmögliche und kostenlose Lieferung. Zudem bekommt er Zugriff auf die unternehmenseigene Online-Videothek mit mehreren tausend Filmen und Serien.
Der Gedanke hinter der Prime-Strategie ist einfach: Gute Kunden werden belohnt und noch enger an das Unternehmen gebunden. Kunden, die nicht extra Geld für Prime ausgeben wollen, können zumindest ein Abo auf bestimmte Produkte abschließen. Dann kommen Kaffeepads oder Windeln regelmäßig ins Haus, ohne Bestellung.
An anderer Stelle hat Amazon die Strategie der Kundenbindung längst auf die Spitze getrieben und setzt auf ein Closed-Shop-System. Wer Amazons Ebook-Reader Kindle kauft, kann nur noch vom Online-Händler seine Bücher beziehen. Ein Ausweichen auf die Konkurrenz ist unmöglich.
Dem Kunden ist das freilich meist egal. Amazons Angebot ist größer als das der Konkurrenz. Das ist das Geniale: Wer einmal Teil des Amazon-Systems ist, wird sich schwer tun, es wieder zu verlassen. Auch, weil er es gar nicht mehr möchte.
Die Idee des eigenen Services baut Amazon konsequent aus. Es gibt einen Dienst für Musik-Downloads und einen für Filme und Serien. Für jedes gut laufende Digital-Produkt hat Amazon einen eigenen Service.