„Amazon ist Fluch und Segen zugleich für kleine Händler“, urteilt Dominik Gyllensvärd, Partner der Hamburger Beratung dgroup. Schließlich ziehe die riesige Plattform viele Besucher auf die Seite und biete eine gute Logistik. Doch der Preis ist hoch: Je nach Produktwert und -art kassiert der Konzern aus Seattle 7 bis 35 Prozent des Verkaufspreises als Provision.
Kleine Händler geben nicht nur einen Teil ihrer Marge an den Versandkoloss ab. Das Unternehmen behält auch sämtliche Informationen über Kunden ein. „Wer die Daten hat, gewinnt“, sagt Berater Gyllensvärd. Kleine Händler hätten dann kaum Chancen, mit ihren Kunden zu kommunizieren oder sie über eigene Werbung anzusprechen.
Die Nische der Wettbewerber
Manch Marktplatz-Partner argwöhnt bereits, dass Amazon die Verkaufsdaten rastert, um anschließend selbst in der Nische zu wildern. Läuft ein Produkt gut, bietet es Amazon selbst an – natürlich günstiger als der kleine Händler. „Das ist nicht richtig“, sagt eine Amazon-Sprecherin dazu. Ziel sei es zwar immer, die Auswahl zu vergrößern, aber nicht zulasten der Partner.
Amazon-Abtrünnige sind da skeptisch. „Ein Geschäftsmodell im Vertrieb, das weder den Lieferanten noch den eigenen Mitarbeitern die Luft zum Atmen lässt, hat keine Zukunft“, monierte André Thiele, Chef des Mainzer VAT Verlags, in seinem öffentlichen Kündigungsschreiben an den Großversender. Auch sein Verleger-Kollege Christopher Schroer vom Verlag Die Neue Sachlichkeit in Lindlar wollte nicht länger Gazelle sein: Er kündigte seine Zulieferer- und Kundenkonten bei Amazon „mit sofortiger Wirkung und allen Konsequenzen“.
Eine Amazon-Sprecherin weist derlei Vorwürfe von sich. Die Konditionen für Händler wie Verlage seien attraktiv. Weltweit habe das Unternehmen mit Millionen Händlern „erfolgreich Geschäfte aufgebaut“.
Online-Vertrieb nicht über Amazon
Doch auch Sportartikelhersteller wie Adidas und Asics oder der Outdoor-Anbieter Deuter untersagen ihren Vertriebspartnern inzwischen, Produkte über Portale wie Amazon anzubieten. „Die Fotos von unseren Produkten sind extrem schlecht, teilweise wurden sie mit dem Handy von irgendwelchen Garagenhändlern aufgenommen“, kritisiert Bernd Kullmann, Geschäftsführer der Schwan-Stabilo Outdoor-Holding, zu der Deuter gehört. Er änderte Anfang des Jahres seine Vertriebsrichtlinien. „Wir haben dadurch zwar 800 Händler verloren, aber machen genauso viel Umsatz.“ Kullmann ist der Online-Vertrieb wichtig – aber nicht über Amazon.
Anfang des Jahres rief das Geschäftsgebaren des Online-Primus gar das Bundeskartellamt auf den Plan. Der US-Konzern steht im Verdacht, den Wettbewerb zwischen Online-Marktplätzen zu behindern. Händler, die Produkte über Amazon verkaufen, mussten sich verpflichten, ihre Waren nirgends billiger anzubieten als auf dem US-Portal. Noch bevor die Kartellwächter ein offizielles Verfahren eröffneten, knickte Amazon teilweise ein. Im August teilte das Unternehmen dem Kartellamt mit, dass die sogenannte Preisparität ab sofort nicht mehr angewendet würde.
Trotzdem wird der E-Commerce-Dominator de facto weiter die Preise diktieren, erwartet ein Vorstand eines deutschen Wettbewerbers: „Die werden von den großen Playern keine Verschlechterung der Konditionen akzeptieren.“
Teurer Online-Shop
Die Möglichkeiten zur Gegenwehr sind begrenzt. Auch ein eigener Online-Shop ist kein Allheilmittel. Zwar lässt sich eine rudimentäre Seite schon für ein Taschengeld zurechtzimmern. Entsprechend sehen dann allerdings auch die Umsätze aus: „Wer einen aufwendigeren Shop betreiben möchte, muss viel in Online-Marketing, den Aufbau der Seite, in Beschaffung und Logistik und weiteres Personal investieren“, sagt Berater Gyllensvärd. Für Fashion-Händler lohne sich ein eigener Online-Shop daher erst ab einem Umsatz von 25 bis 30 Millionen Euro.
Alternativen zu Amazon oder eigenen Web-Angeboten bieten kleinere Portale wie der Kölner Online-Marktplatz Hitmeister oder das japanische Portal Rakuten. Die Marktplätze sind zwar kleiner, dafür aber weniger wettbewerbsintensiv. „Das ist ähnlich wie auf dem Wochenmarkt“, sagt Gyllensvärd. „Wenn es schon zehn weitere Käsehändler gibt, sollte man sich überlegen, auf einen anderen Markt zu gehen, auf dem man der einzige ist.“