Werbesprech
Eine Frau geht am Schaufenster eines Modegeschäfts vorbei Quelle: dpa

Die Werbung „danach“

Apokalyptische Meldungen über die Auswirkungen der Coronakrise in der Medien- und Werbebranche kennen Sie. Was wirklich interessiert, ist die Frage, wie die Werbung sich verändern wird. Eine Prognose.

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Die Coronapandemie hinterlässt schon jetzt eine Spur der Verwüstung. Sie macht vor keiner Branche halt und trifft die Medien- und Kommunikationsbranche wie jede andere. Die Medien rechnen mit Insolvenzen kleiner und mittelständiger Verlage, Radiosender und Kinobetreiber. Die Werbeagenturen sind ebenso betroffen, besonders jedoch die Abertausenden von Freiberuflern, freischaffenden Dienstleistern und Journalisten, die Medien und Agenturen zuarbeiten.

Dabei gibt es Lichtblicke. Die Zahl der Zeitungsleser schießt ebenso in ungewohnte Sphären wie die Visits der Onlinemedien und Zuschauer zahlreicher TV-Programme. Leider lassen sich die gestiegenen Nutzerzahlen nicht monetarisieren, denn viele Werbungtreibenden mussten ihre Budgets massiv kürzen. Es kommt einem fast so vor, als würden sie zum ersten Mal in der Geschichte der Werbung ihren Zielgruppen regelrecht ausweichen.

Aus der Reihe tanzt lediglich Procter & Gamble. Der Konsumgüterriese setzt auf Wachstum, nutzt die Gelegenheit und erhöht mitten in der Krise seine Marketingausgaben.
Das Werbejahr 2020 wird als desaströs in die Geschichte eingehen. Und das bevorstehende Werbejahr die erhoffte Erholung vermutlich nicht bringen. Zeit also, sich zu fragen, was sich ändern muss, wie sich die Werbebranche auf Veränderungen einstellt, auf welche Trends sie zu reagieren haben wird. Denn eins ist sicher: Nach der Krise wird auch im Werbeland nichts mehr so sein wie zuvor.

Zoomen statt Fliegen

Es liegt in der Natur der Agenturarbeit, dass die Branche sich besser auf New Work und Homeoffice einrichten konnte als manch andere. Meetings, intern wie extern, finden seit Wochen virtuell auf Videoplattformen wie Zoom, Teams und Skype statt. Ganze Agenturpräsentationen werden abgehalten, ohne dass ein Mensch sein Homeoffice verlässt. Online-Meetings erfüllen ihren Zweck. Das ist einer der Trends, die wir nach der Krise verinnerlichen werden.

Wie viele Reisen per Bahn und Flugzeug machten wir zuvor, ohne dass persönliche Präsenz - wie wir jetzt merken - notwendig war? Wie oft verbrachten wir einen zehnstündigen Arbeitstag für ein auswärtiges Meeting, das anderthalb Stunden dauerte? Jedes Jahr bevölkerten Hundertausende Agenturmitarbeiter die Bahn oder Flieger von Lufthansa und Eurowings auf dem täglichen Weg zu Kundenmeetings. Damit ist es mit der Krise vorbei. Der Videokonferenzdienst Zoom allein verfügt längst über eine höhere Marktkapitalisierung als die fünf größten Airlines der Welt - Delta, United, Lufthansa, American und Air France - zusammen.

Wir werden zwar weiterhin reisen, es aber auf das Notwendigste beschränken. Aus Kosten-, in erster Linie aber aus Effizienzgründen. Die Airlines und Flughäfen werden ihre Business-Pax-Prognosen in den Mülleimer werfen können. Derweil lachen sich Greta Thunberg und ihre „Fridays für Future“-Bewegung ins Fäustchen.

Nachhaltigkeit statt Werbelügen

Dass Verbraucher zunehmend auf die Nachhaltigkeit von Marken und die Aufrichtigkeit der Werbung achten, ist nicht neu. Der Trend hat jedoch spürbar an Kraft gewonnen. Eine im April durchgeführte Utopia-Studie zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit durch die Pandemie an Bedeutung gewinnen wird. Davon sind schon jetzt vier von zehn Verbrauchern überzeugt. Bewusste Konsumenten werden lokale Anbieter und regionale Produkte bevorzugen, mehr auf Bio und die Qualität von Produkten achten. Das klingt nach einer Renaissance der Qualitätsmarken und dem Ende des Kaufland-Billighacks zu 1,99 Euro - wenn die Markenartikler ihre Chance wahrnehmen. Die Kritik an Mietkürzungen durch Billig-Ketten wie H&M oder Deichmann ist imstande, eine ebenso nachhaltige Änderung des Kaufverhaltens auszulösen.

Haltung statt Reklame

Das große Thema Haltung seitens Unternehmen und Marken hatte schon vor der Krise deutlich an Dynamik gewonnen. Nun zeigt das aktuelle Kantar-Covid-19-Barometer einen bemerkenswerten Wandel der Erwartungshaltung junger Verbraucher gegenüber Marken. Sie erwarten einen proaktiveren Umgang mit der Gesellschaft und ihren Bürgern: „Konkret sagen 50 Prozent der Generation Z und 46 Prozent der Millennials, dass Unternehmen den Kauf von Masken und Desinfektionsmitteln für Krankenhäuser durch Spenden unterstützen sollten (44 Prozent insgesamt). 39 Prozent der GenZ und 33 Prozent der Millennials sind der Meinung, dass Unternehmen Spenden zur Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung leisten sollten (32 Prozent insgesamt). 22 Prozent der GenZ und 23 Prozent der Millennials sind der Meinung, dass Marken mit gutem Beispiel vorangehen und den Wandel anleiten sollten (18 Prozent insgesamt).“

Wer solche Forderungen für überzogen hält, unterschätzt den Umbruch in der Gesellschaft. Insbesondere jüngere Verbraucher, die zur wichtigsten Zielgruppe fast aller Werbungtreibenden zählen, erwarten von Unternehmen und Marken mehr gesellschaftliche Verantwortung und werden ihren Konsum danach ausrichten. Dieser Wandel wird die Werbung und die Botschaften der Marken nachhaltiger verändern als manchem Unternehmenslenker bewusst ist.

Werden die Werbebotschaften in Zukunft deshalb ernsthafter oder - Werbung ist immer auch Unterhaltung - ausgelassener und fröhlicher, quasi als Antwort auf die Krise und der Sehnsucht nach Normalität folgend? Vermutlich beides. Davon kann die Werbung nur profitieren. Denn die nervtötende Mittelmäßigkeit würde schwinden. Im Idealfall.

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