Werner knallhart
Sollte es für Frauen kleinere Portionen zu günstigeren Preisen geben? Theoretisch wäre das machbar - weit leichter, als viele andere Anpassungen. Quelle: IMAGO

Nach dem Kinder- und Seniorenteller: Kommt jetzt der billige Frauenteller?

Sicherheit in Autos, Medikamenten-Dosierung, Größe von Smartphones – Frauen kritisieren: Die Welt ist ausgelegt auf den Durchschnittsmann. Und tatsächlich würden Frauen oft von mehr gendergerechtem Design profitieren. Männer auch?

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Vergangene Woche hat mich eine Bekannte aufgeklärt: „Hast du gewusst, dass die Dosierung von Medikamenten festgelegt wird anhand der Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Durchschnittsmann? Es gibt zwar oft noch eine Dosierung für Kinder. Aber nicht speziell für Frauen. Ich finde das unfassbar.“

Hmm. In der Tat. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, dass 400-Milligramm-Tabletten Ibuprofen auf einen kleineren Körper stärker wirken könnten als auf einen größeren. Nun gibt es auch bei Männern unterschiedliche Körpergrößen, aber es ist klar: Frauen sind im Schnitt kleiner und leichter. Und seit der sechsten Klasse weiß ich: Ihre Körper beinhalten einige ganz andere Organe. Und da wabern auch ganz andere Hormone durch.

Der einzige Fall, der mir einfällt, bei dem in Sachen Wirkung auf den Körper zwischen Mann und Frau unterschieden wird, ist die offiziell empfohlene Maximalmenge an Alkohol. Je nachdem, welche Fachleute man fragt (WHO oder Bundesgesundheitsministerium oder US-Gesundheitsbehörde), werden einem zwar leicht unterschiedliche Höchstmengen genannt. Aber eins stimmt praktisch immer überein: Frauen dürfen nur gut halb so viel Alkohol trinken wie Männer.

Heißt es etwa, dass Männer ihrem Körper 20 bis 24 Gramm Alkohol täglich zumuten dürfen, was etwa einem guten Viertelliter Wein entspricht, sind es bei Frauen 10 bis 12 Gramm, also ein kleines Glas Wein zwischen 0,1 und 0,15 Litern. Weil Frauen schlicht leichter sind und weniger Muskeln haben, was bedeutet, dass ihr Körper weniger Wasser speichert. Dadurch haut der Alkohol stärker rein.

Warum also ist es bei vielen Medikamenten egal? Ich dachte noch ein paar Minuten drüber nach, dann waren wir bei anderen Themen. Da springt mir am Wochenende die brasilianische und in London lebende Journalistin Caroline Criado-Perez (36) und ihr Buch „Unsichtbare Frauen – Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“ ins Auge. Demnach seien Frauen und Männer in vielen Ländern zwar theoretisch gleichberechtigt, aber die Welt sei für Männer gemacht.

Ich darf ihre Erkenntnisse einmal für Sie zusammenfassen:

1.  Bei Sicherheitstest für Autos werden Crashtest-Dummies in Größe und Gewicht eines Durchschnittsmannes verwendet.
2.  Frauen müssen beim Auto mit dem Sitz weiter nach vorne rutschen, um an die Pedale zu kommen. Bei einem Frontalunfall ist die Verletzungsgefahr für Frauen deshalb höher.
3.  Der Sicherheitsgurt ist nicht für weibliche Brüste und Schwangerschaftsbäuche designt.
4.  So manche Polizeiuniform ist zu eng für Frauenbrüste.
5.  Viele Smartphones sind zu groß für Frauenhände.
6.  Es gibt medizinische Studien, bei denen Männer als Referenz betrachtet werden, obwohl die Krankheiten bei Frauen häufiger vorkommen, wie etwa bei Alzheimer.
7.  Bei der Gesundheits-App für das iPhone hat Apple vergessen, dass Frauen einmal im Monat ihre Periode haben.

Sagt Criado-Perez. Nun wäre natürlich wieder nur einer Hälfte der Menschheit geholfen, wenn Autos künftig allein mit weiblichen Crashtest-Puppen geprüft würden. Oder wenn Smartphones alle kleiner würden. Selbst ein Mittelding zwischen der Männer- und der Frauenversion würde ja keinem optimal gerecht. Ich finde, eigentlich muss es von allem zwei Versionen geben. Für die beiden Extreme Mann und Frau. Alle anderen Gender können sich dann das aussuchen, was ihnen am nächsten kommt.

Ohne größeren Aufwand könnte allerdings sofort die Gastronomie reagieren. Da wäre das augenscheinlich wirklich fällig. Denn wie oft sehe ich, dass Frauen ihr Besteck auf ihrem Teller in die Fünf-Uhr-Position legen, ohne aufgegessen zu haben! Da kann man vom Nebentisch ganz bequem Hobbywissenschaft betreiben. Die Pizza wird schließlich meist aufgegessen wie ein Tortendiagramm und da bleibt nicht selten ein Fünftel bis ein Viertel der Pizza übrig. Das Schaubild kann man von nebenan leicht ablesen.

Aber auch bei Salaten lassen Frauen oftmals das Brot übrig und picken nur die Highlights aus dem Grün, beim Curry bleibt ein Teil vom Reis in der Schüssel zurück, beim Frühstück ein Viertel vom Käse liegen. Das wird in der Restaurant-Küche dann weggeschmissen. Wollen wir das? Nein.

Sollen die doch den Seniorenteller oder den Pinocchio-Kinderteller ordern? Von wegen. Denn Kinderteller gibt es oftmals nur für die ungesunden Klassiker wie Spaghetti Bolognese, Pommes oder Fischstäbchen. Und wer möchte schon über das eigene Alter lügen müssen, wenn er mit seinen Kommilitoninnen nach der Uni noch was essen geht: „Eine Dame fragt man nicht nach dem Alter. Bringen Sie mir jetzt den verdammten Seniorenteller!“ Nein, da müsste was eigenes her: der Frauenteller für alle, die wissen: Die letzten zwanzig Prozent krieg ich meist nicht mehr rein.

Gut, die Seezunge und die gefüllte Paprika sind so groß, wie sie sind. Aber an Gerichten wie Pasta, Kartoffelgratin, Risotto, Suppe, Salat, Aufschnitt und Brot könnte man schrauben.

Zwanzig Prozent weniger Masse für einen – sagen wir – zehn Prozent geringeren Preis (weil die Zubereitung von etwas weniger Essen auf dem Teller nicht entsprechend weniger Arbeit ist). Das Drei-Gänge-Business-Lunch-Menü mit einer einzigen statt drei Scheiben Baguette zur Suppe, etwas weniger Gratin mit kleinerem Beilagensalat und einem schmaleren Brownie als Dessert zusammen nicht für 20 Euro, sondern für 18 Euro. Immerhin. Was Frauen da im Leben sparen würden!

Und die Männer? Es gibt auch Bereiche, in denen auf den ersten Blick auch Männer profitieren könnten, wenn wir unser Alltags-Design und den Preis dafür stärker an die Geschlechterbedürfnisse anpassen. Nämlich dort, wo wir alle für mehr Komfort extra bezahlen. Und in der Bahn und im Flugzeug bemisst sich Komfort in Zentimetern. Was macht die erste Klasse im ICE und die Business-Class im Flugzeug teurer? Ja wohl der Platz vor unseren Knien. Und da bekommen Frauen mehr für ihr Geld. Frauen haben pro Kilo oder Zentimeter ihres Körpers mehr Platz. Das steigert ihren Komfort. Männer hingegen knallen mit ihren Knien viel häufiger an den Vordersitz und rudern genervt mit ihren Ellenbogen, weil die Armlehnen so dicht an ihren Körpern festgeschraubt sind. Männer bekommen dort weniger Komfort fürs gleiche Geld.

Wenn Frauen also zu recht im Restaurant weniger bezahlen für das angenehme Gefühl „satt“, weil sie weniger essen, könnten Männer im Gegenzug billiger wegkommen für subjektiv weniger Komfort.

Aber es gibt leider ein Gegenargument: Männer wiegen mehr und verbrauchen damit mehr Kerosin im Flugzeug. Das wird von den leichteren Frauen ganz klar querfinanziert. Ein Männerrabatt wegen weniger Komfort würde also vom Kerosin-Zuschlag aufgezehrt. Schade.

Unterm Strich: kein Männerrabatt bei Flugreisen aber zehn Prozent Rabatt auf die Frauenportion im Restaurant. Das wirkt natürlich nicht sehr geschlechterversöhnlich.

Die Lösung: Es muss ja nicht Frauenteller heißen. Was wir brauchen ist: die kleine Portion. Für Frauen, für Senioren, die beim Bestellen damit nicht mehr ans Alter denken müssen, für Kinder, die Biene-Maja-Teller kindisch finden, und für schmächtige oder auf ihre Linie bedachte Männer im Antiplauzenkampf.

Die kleine Portion für alle. Jetzt bin ich eigentlich gerade so zufrieden mit meinen eigenen Überlegungen, da fällt mir siedend heiß ein Stimmungskiller ein:

Männer haben einen Kalorienbedarf, der mehr als 20 Prozent über dem der Frauen liegt. Ist Ihnen allen bewusst, dass demnach in einer heterosexuellen Beziehung mit gemeinsamer Kasse die Frau mitunter sogar über Jahrzehnte im Supermarkt die um rund 20 Prozent höheren Ausgaben des Mannes für Lebensmittel zur Hälfte mitfinanziert? Das ist über eine Lebensspanne betrachtet neben der Gender Pay Gap wohl eine der größten finanziellen Geschlechter-Ungerechtigkeiten in der modernen westlichen Welt.

Wie sehen Sie das? Ist das gesellschaftspolitisch relevant oder fällt das einfach unter den Aspekt „Solidarität aus Liebe?“

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