Hochtief und Strabag in Russland Auftragsflut aus der Olympia-Stadt Sotschi bleibt aus

Auf spektakuläre Großaufträge ihres neuen Großaktionärs Oleg Deripaska für Russlands Infrastruktur warten der deutsche und der österreichische Baukonzern bisher vergebens. Ihr Russlandgeschäft stammt zumeist noch aus der Zeit vor Deripaskas Einstieg.

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Baustelle in der Olympiastadt Quelle: dpa

Maxim Jufidin blickt hinunter zu den Gebäudereinigerinnen im beinah fertigen Atrium des Nord-Turms. Ihre Gesichtszüge verraten ihre zentralasiatische Herkunft. „Hier arbeiten Menschen aus 100 Ländern, das meiste Baumaterial bekommen wir aus Westeuropa, auch aus Deutschland“, sagt der junge, fließend Deutsch sprechende Bauingenieur. Bald wird in dem mit italienischem Marmor ausgekleideten Bau der russische Stahlkonzern Severstal Büros beziehen. Seine Angestellten werden sich nach der Arbeit im luxuriösen hauseigenen Fitnessstudio mit Swimmingpool und Ballettsaal entspannen können.

Errichtet hat das opulente, einem Schiffsrumpf ähnelnde Bürogebäude am Rande des schicken neuen Moskauer Geschäftsviertels Moscow City der österreichische Baukonzern Strabag. Mit Projekten wie dem Nord-Turm ist Strabag – einer der größten Baukonzerne Europas mit rund elf Milliarden Euro Jahresumsatz – in Moskau dick im Geschäft: Büro-, Kauf-, Wohn- und Park- und Autohäuser, Hotels, Industriebauten und eine Müllverbrennungsanlage, alles ist dabei. Der russische Bausektor wächst jährlich um zwölf Prozent  – 2007 ging es sogar doppelt so schnell. An diesem Boom will Strabag-Chef und Gesellschafter Hans Peter Haselsteiner teilhaben. Den Einstieg von Oleg Deripaskas Holding Basic Element im vergangenen Jahr mit 30 Prozent feierte er deshalb wie einen Triumph. Haselsteiner hofft auf eine Auftragsflut vor allem aus der russischen Verkehrs-Infrastruktur – dank der guten Verbindungen seines neuen Großaktionärs.

Doch inzwischen scheint Haselsteiners Euphorie abgeklungen zu sein. Um große Worte sonst nie verlegen, antwortete er kürzlich auf Fragen des österreichischen Magazins Profil nach Strabags Fortschritten in Russland ungewohnt prosaisch: Die Zusammenarbeit mit Basic Element laufe „planmäßig.“

Zwar steigerte Strabag seine Bauleistung in Russland zwischen 2006 und 2007 um 50 Prozent auf 260 Millionen Euro – doch die meisten Projekte stammen noch aus der Zeit vor Deripaskas Einstieg. Die erhofften Mega-Aufträge etwa für den Bau von Autobahnen und Tunneln bleiben bisher aus. Immerhin: Inzwischen kann Strabag seinen ersten Auftrag aus Sotschi, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014, verbuchen: Gemeinsam mit einem russischen Baukonzern werden die Österreicher den Flughafen der Schwarzmeerstadt modernisieren, der zur Luftfahrtsparte von Basic Element gehört.

Ausgerechnet dieser Auftrag aber hätte ein symbolträchtiger Start für den Strabag-Konkurrenten Hochtief sein können. Seit dem vergangenen Jahr ist der Essener Bau- und Immobilienkonzern zu zehn Prozent ebenfalls Eigentum von Basic Element. Das Flughafengeschäft ist eigentlich Hochtiefs Paradedisziplin und war einer der Hauptgründe für Deripaskas Einstieg als Großaktionär. Nun aber sind erst einmal die Österreicher dran. Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter hatte sich von dem neuen Miteigner schnellere Zuschläge versprochen. Das Russlandgeschäft sei „noch viel zu klein“, er sei damit „nicht zufrieden“, sagte er Anfang des Jahres in einem Interview.

Zwar stattet Hochtief den Moskauer Flughafen Scheremetjewo mit neuen Terminals aus und baut ein Sperrwerk, das die Küstenstadt Sankt Petersburg vor Sturmfluten schützen soll –  doch mit diesen Aufträgen hat Basic Element nichts zu tun, sie stammen aus der Zeit vor Deripaskas Einstieg.

Für den mit Aufträgen in Milliardenhöhe lockenden Umbau Sotschis zur Bühne für die Olympischen Winterspiele 2014 möchte Hochtief den so genannten Masterplan entwerfen. Eingeführt von Basic Element, das  mit seinen russischen Baukonzernen sowie mit Strabag und Hochtief einen großen Teil dieser Herkulesaufgabe stemmen soll, hatten die Deutschen auch schon ihren ersten Auftritt: Hochtief-Manager stellten im russischen Wirtschaftsministerium ihre Planungssoftware ViCon vor, mit der sich komplexe Bauprojekte in 3D-Computermodellen mit aktuellen technischen Daten und Bauzuständen für alle Beteiligten an jedem Ort der Welt darstellen lassen.

Doch ob die Deutschen Chancen auf den prestigeträchtigen Planungsjob haben, steht in den Sternen. Seit der Präsentation in Moskau herrscht Stille. Die Vorbereitungen für den Umbau Sotschis stocken. Noch im März zeigte Lütkestratkötter sich zuversichtlich, dass es „bald zügiger“ vorangehen werde. Danach jedoch sieht es in Sotschi überhaupt nicht aus: Mitte April trat der Chef des für das Olympia-Projekt zuständigen Staatskonzerns Olympstroy, Semjon Weinstock, zurück. Kenner der russischen Staatswirtschaft werten das als Anzeichen für Zerwürfnisse und eine Kostenexplosion. Offenbar verzögern Eigentumsstreitigkeiten um den Baugrund den Beginn der Planungen und Arbeiten.

Der Leiter des Instituts für Globalisierungsprobleme in Moskau, Michail Deljagin, ein scharfer Kritiker der russischen Wirtschaftspolitik, befürchtet sogar, dass die Winterspiele an einen anderen Ort, vielleicht in ein anderes Land verlegt werden müssen. Sotschi, sagt Deljagin, habe ja noch nicht einmal eine funktionierende Kanalisation: „Mit einer solchen Arbeitsweise können wir Olympia 2014 einfach vergessen.“

Anderswo sind die Aussichten schon etwas weniger vage: Dank Deripaska beteiligen sich Hochtief und Strabag gemeinsam mit dem zu Basic Element gehörenden Baukonzern Transstroy an einem Konsortium für eine 46 Kilometer lange Maut-Autobahn bei Sankt Petersburg. Das „Western Highspeed Diameter“ ist ein komplexes Infrastruktur-Vorhaben mit privat-staatlicher Mischfinanzierung (Public Private Partnership) nach westlichem Vorbild und das erste seiner Art in Russland – ein Auftrag, bei dem Hochtief mit seinem Management-Fachwissen aus ähnlichen Projekten glänzen könnte.

Doch auch hier können der Deutsche nichts Konkretes verkünden: Noch hat die Gruppe den Zuschlag nicht. Die Vorstandsvorsitzende von Basic Element, Gulschan Modaschanowa, mahnt zur Geduld: Russland stehe erst am Anfang eines großen Infrastrukturprogramms: „Bis die wirklichen Dimensionen des Engagements von Hochtief und Strabag in Russland erkennbar werden“, so Moldaschanowa, „müssen wir uns noch mindestens ein halbes Jahr gedulden.

Bei diesen Perspektiven ist es kein Wunder, dass das Thema Russland auf Hochtiefs Hauptversammlung am 8. Mai keine Rolle spielte. Gut möglich, dass wenigstens Haselsteiner von wirklich spektakulären neuen Großaufträgen aus dem russischen Verkehrswesen künden kann, wenn erst die geplante Fusion von Strabag Russland mit Basic Elements Bausparte vollzogen ist. Denn dann verdienen seine russischen Partner im eigenen Lande unmittelbar an Strabag.

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