Unter diesem Regime hat AB InBev trotz der Probleme in den Industriestaaten – in Deutschland entwickelt sich der Bierkonsum sogar rückläufig – wie kaum ein anderer Braukonzern weltweit das Zeug, weiter zu wachsen. Denn überall dort, wo die Pro-Kopf-Einkommen steigen, leisten sich die Menschen zunächst einmal mehr und teureres Bier. Das ist in Asien und Lateinamerika so, aber auch Afrika könnte ein wichtiger neuer Absatzmarkt werden.
Das Know-how, diese Märkte zu erobern, hat AB InBev perfektioniert, weil der Konzern als Übernahme- und Profitmaschine konstruiert ist, die eher nebenbei Bier produziert. Die Manager könnten auch Supermarktketten oder Fluggesellschaften aufkaufen, umstrukturieren und auf Gewinnmaximierung trimmen. Sie sind in der Lage, stundenlang über das Geschäft zu reden, ohne ein Wort über Hopfen, Gerste oder Malz zu verlieren.
Seit der Übernahme der Brahma-Brauerei vor 25 Jahren wissen die InBevement-Banker, dass sie nur expandieren können, wenn sie höhere Renditen erzielen als ihre Konkurrenten. Nur so konnten sie zunächst die größere Antarctica in Brasilien und danach den noch größeren Braukonzern Interbrew in Belgien schlucken. Seither zeigen sie, dass sie nicht nur Beteiligungsjäger, sondern auch Konzernschmiede sind.
Als Erste bekamen dies die drei belgischen Adelsfamilien Spoelberch, de Mevius und van Damme zu spüren, die Eigentümer von Interbrew waren. Als die Edelleute mit den Brasilianern zusammengingen, sahen sie darin eine „Fusion unter Gleichen“, nicht zuletzt weil sie durch einen Aktientausch die Mehrheit am neuen Bierriesen AB InBev erhielten. Doch das Kalkül ging nicht auf.
Anders als bei den deutschen Brauereien Beck’s, Diebels und Franziskaner, welche die Belgier zuvor gekauft hatten, erwarben sie mit der Aktienmehrheit an dem Konkurrenten im fernen Brasilien nicht einfach eine weitere Beteiligung mit neuen Biermarken.
Im Gegenteil: Schon bald mussten die Blaublütigen feststellten, dass nicht mehr sie, sondern Lemanns Leute aus São Paulo und Rio de Janeiro am Interbrew-Sitz im belgischen Leuven das Sagen hatten: Bei Finanzen, Einkauf, IT, Marktforschung, Controlling sowie den Märkten Lateinamerika, Nordamerika bis hin zu Belgien saßen bald rund 30 brasilianische Manager an den Schalthebeln und tun dies bis heute.
Manager-Elite Lateinamerikas
Die meisten sind zwischen Ende 20 und Anfang 40 und entstammen einer Managementschule, die Lemann und seine Mitstreiter gegründet hatten; sie ist die beste Brasiliens. Den Südamerikanern gelang es, die Macht in Leuven zu erobern, weil die Hälfte des Profits auf ihrem Kontinent erwirtschaftet wird.
Wer heute bei AB InBev die Entscheidungen trifft, zählt zur absoluten Manager-Elite Lateinamerikas. Unter Bewerbern des ganzen Kontinents siebt der Brauereikonzern jährlich zwei bis drei Dutzend künftige Führungskräfte aus. 2012 wurden von 74.000 Kandidaten am Ende nur 24 genommen. Das Traineeprogramm ist wegen des hohen Wettbewerbs- und Leistungsdrucks bei den Auszubildenden gefürchtet. Schonungslos werden die Schwachen vorgeführt. Wer die wöchentlichen Vorgaben zweimal nicht erreicht, muss gehen.