Und dann ist es ausgerechnet ein Mann in Arbeiterkluft, der seine Durchlaucht, den Grafen von Oeynhausen-Sierstorpff, zurückpfeift. „Stopp“, ruft es aus dem Hintergrund. „So können Sie da nicht rein.“ Marcus von Oeynhausen-Sierstorpff, Statthalter seines Adelsgeschlechts in siebter Generation, stoppt wenige Schritte hinter dem Eingang zur Fertigungshalle des Bad Driburger Mineralwasserbrunnens. Ein gedrungener Herr verlässt das Aufseherhäuschen, eilt auf den Hausherren zu und wedelt mit einer Warnweste. „Ohne die kommt hier niemand rein.“ Der Graf schaut irritiert in die menschen- und arbeitsleere Halle. „Aber ich dachte ...“ „Nein, Vorschrift ist Vorschrift.“
Der Graf nimmt die Weste und streift das schreiend gelbe Plastik über seinen blauen Anzug. Der Arbeiter nickt zufrieden. Schön, wenn der Chef hört.
Der Graf eilt weiter durch die Halle. Heilwasser füllen sie hier im Ostwestfälischen seit Jahrzehnten ab. Dazu ein Sportgetränk und ein Wasser für das Billigsegment des Marktes. Der Graf, dem sie im Ort einen gewissen Sinn für die Selbstinszenierung nachsagen, greift eine Flasche von Letzterem und streicht übers Etikett. „Gräfin Annabelle Mineralwasser“, steht drauf, daneben das Konterfei der Dame. Gräfin Annabelle ist die Gattin des Grafen. Warum sie als Name und Gesicht für die Billigmarke der Quellen herhalten muss, ist seiner Durchlaucht nicht so recht zu entlocken. Ihn selbst scheinen da keine Zweifel zu plagen. Nur seine Frau, plaudert Graf Marcus, habe sich anfangs ein wenig beschwert.
Die fünf wichtigsten Adelshäuser in Deutschland
Die Wittelsbacher sind eines der ältesten deutschen Adelshäuser. Sie stellten jahrhundertelang die Herrscher von Bayern, ebenso wie die Pfalzgrafen bei Rhein. Als eines der bedeutendsten Adelsgeschlechter Europas waren die Wittelsbacher zeitweise auch Könige in Ungarn, Schweden, Dänemark und Norwegen, Griechenland und im Römisch-Deutschen Reich.
Die Fugger sind bis heute Synonym für Geld und Einfluss. Das schwäbische Kaufmannsgeschlecht war seit 1367 in Augsburg ansässig. Nach der Aufteilung des Vermögens im Jahr 1455 trennten sich die zwei Familienzweige. Der Zwei der Fugger von der Lilie baute ein Handelsimperium auf. Der Zweig Babenhausen stieg im Jahr 1803 in den Hochadel auf.
Die Welfen stammen ursprünglich aus Franken, sind aber heute in Niedersachsen ansässig. Sie sind auch der Ursprung für das britische Königshaus, das von der Familie Sachsen-Coburg-Gotha abstammt. Der wohl bekannteste Vertreter der Welfen ist Prinz Ernst August von Hannover, der als "Prügelprinz" Schlagzeilen machte.
Das Haus Hessen geht auf das Haus Lothringen-Brabent zurück, das durch Einheirat in das Haus der Ludowinger deren westliche Landesteile um 1264 übernahm. Danach folgte die Teilung in viele Linien und Zweige. Das letzte Regiment hatten die Hessen bis 1866 als Kasseler Kurfürsten und bis Ende des Zweiten Weltkriegs in Darmstadt.
Seitdem im Jahr 1871 das Deutsche Reich gegründet wurde, waren diese Könige gleichzeitig die Deutschen Kaiser. Heutzutage wird das Haus von Georg Friedrich Prinz von Preußen verwaltet und geleitet.
Aber was will man machen? Blaues Blut alleine ernährt keine Familie mehr. Und so lassen sich aus Graf von Oeynhausens Stippvisite ins eigene Wasserwerk zwei Dinge ableiten: Auch der Adel hat sich unabhängig von altem Standesdünkel in die betriebliche Realität einzuordnen. Und irgendwie muss man ja gucken, wie man zu Geld kommt.
Lange galten Deutschlands Adelige als dekadente Erben. Renditen aus Forst- und Landwirtschaft finanzierten den Lebenswandel. Doch das Geschäftsmodell funktioniert eher schleppend: Die Lebenshaltungskosten explodieren, die Holz- und Milchpreise stagnieren bestenfalls, die maue Zinslage tut das Übrige. Zwar reicht der klassische Ansatz oft noch zum Überleben, groß Hof halten aber lässt sich damit nicht. Wer etwas auf sich hält, geht in andere Bereiche.





Gerade ehelichte der hannoversche Erbprinz Ernst August die russische Designerin Ekaterina Malysheva. Dabei eskalierte ein Streit mit seinem Vater, bei dem es vor allem um Geschäftliches ging. Das Oberhaupt des viertgrößten deutschen Adelsgeschlechts fürchtet, seinen Einfluss auf die Stiftungen und Fondskonstruktionen der Welfen zu verlieren. Während der Vater die alten Strukturen in Gefahr sieht, kann der Sohn mit derlei Dünkel wenig anfangen.
Wie im Hause Hannover geht es in vielen Adelsgeschlechtern zu: Man sucht den richtigen Umgang mit der wirtschaftlichen Moderne. Und dabei kristallisiert sich eine Reihe an Blaublütern heraus, die ihre Vorbilder für den Strukturwandel ausgerechnet bei den bürgerlichen Industriellen suchen.