Erfolg bei Northvolt Im Spiel Heide gegen Biden steht’s jetzt eins zu eins

Quelle: imago images

Um Robert Habecks Heizungspläne tobt ein Kulturkampf, den er selbst verschuldet. Und dennoch: Der Erfolg beim Ringen um den Batteriehersteller Northvolt zeigt, was für eine Schlüsselrolle der Minister spielt. Ein Kommentar.

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Es ist wohl auch eine Leistung, dass derzeit nichts ohne Robert Habeck geht: Heizungs-Hammer? Habeck! Graichen-Hammer? Habeck! Und jetzt, am Ende einer selbst für die Standards des Wirtschafts- und Klimaministers ereignis- und gefühlsintensiven Woche, auch noch Habecks Heide-Hammer. Am Freitag hat er gemeinsam mit Schleswig-Holstein, freilich Habecks Heimatland, verkündet, dass es wohl gelingt, den schwedischen Batteriehersteller Northvolt mit viel Geld nach Heide zu locken, um dort doch noch eine Fabrik zu bauen. US-Präsident Joe Biden hatte durch sein Winken mit Dollars für einiges Zögern und Zaudern gesorgt.

Also: What a week! Und weil sich die Habeck'schen Taten und vermeintlichen Untaten mittlerweile kaum mehr in einem Kommentar zusammenfassen lassen, müssen sie hier, freilich radikal subjektiv, gestückelt eingeordnet werden.

Nibelungentreue an falscher Stelle

Erstens, das Kopfschütteln. Dass Habeck sich nun in einem Kulturkampf um das Heizen befindet, ist seine eigene Schuld. Politisch ergibt seine Argumentation Sinn: Wer mittelfristig weg will von der Gasheizung, muss irgendwann anfangen mit dem Umbauen – die Merkel-Regierung hat das sicher nicht getan. Und deshalb ist Habecks Vorgehen auch, abgesehen von handwerklichen Fehlern wie weiland bei der Gasumlage, nachvollziehbar.

Robert Habeck und Northvolt-Chef Peter Mikael Carlsson bei einem Treffen im Mai 2022.

Aber gleichzeitig gilt eine alte Regel: Wer sich zum harten Reformer im Dienst der Allgemeinheit aufschwingt, in der Rolle des Ritters ohne Furcht und Tadel allen anderen Schmerzen zumutet, der muss eben auch ohne Tadel bleiben, moralisch unbefleckt – der muss glaubwürdig vermitteln können, dass er im unbedingten Interesse der Allgemeinheit handelt. Wenn die Glaubwürdigkeit schwindet, vernichtet das die Reform.

Und hier liegt Habecks Problem: Er sühnt das ethische Versagen – „den Fehler“ – seines Staatssekretärs Patrick Graichen nicht durch eine Entlassung, sondern hat sich für eine Art Nibelungentreue entschieden, um angesichts der „Oppositions-Kampagne“, wie er es in den Tagesthemen formulierte, keine „Menschen opfern“ zu müssen. Das mit dem Menschenopfer ist freilich Quatsch. Wer persönlich Fehler macht, muss in der Spitzenpolitik auch persönliche Konsequenzen fürchten. So ist das Geschäft, das wenige besser kennen als Oberrealo Habeck. Das kann er auch nicht mit einer Basta-ich-habe-entschieden-Haltung wegwischen. Mit seinem Festhalten an Graichen nährt Habeck dagegen den Verdacht, dass es bei seiner Politik nicht ausschließlich um das Interesse der Allgemeinheit gehe, sondern auch um anders geartete Loyalitäten. So lässt er es zu, dass die ganze sinistre Clan-Rhetorik verfängt.

Es ist ein Knaller. Bund und Land haben die Schweden mit Geld nun doch überzeugt, in Heide in Schleswig-Holstein eine Batteriezellenfabrik zu errichten – ein Erfolg im Ringen mit US-Präsident Joe Biden.
von Florian Güßgen, Stefan Hajek, Max Haerder

Oder, anders formuliert: Mit seiner emotional vorgetragenen Wagenburgmentalität begibt sich Habeck auf dieselbe Ebene wie die vermeintlichen Kulturkämpfer der Union mit ihrer „Fairheizen“-Kampagne. Dass die Union diese Kampagne anschiebt, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist eher, dass sie – erstmals seit den berüchtigten Rote-Socken-Attacken – halbwegs auf Zack ist, sich als so kampagnenfähig erweist. Durch sein stures Festhalten an Graichen adelt Habeck diesen Kulturkampf. Vorerst schützt er so seinen wichtigen Staatssekretär. Seinem wichtigsten Projekt jedoch, der Energiewende, schadet er gewaltig – und riskiert damit nicht nur die Prozente der Bremer Parteifreunde, sondern auf Sicht auch den eigenen Job.

Heide gegen Joe Biden: Eins zu eins

Zweitens kommt jetzt jedoch das große Aber. Denn der Heide-Hammer zeigt, dass es sich derzeit eigentlich niemand wünschen kann, dass Habeck in dieser Auseinandersetzung völlig ramponiert wird. Der Minister hat Fehler gemacht, immer wieder. Aber unterm Strich haben er und sein Schlüsselministerium das Land im vergangenen Jahr auf Kurs gehalten. Vordergründig geht es derzeit um eine Energiekrise, im Kern aber um die industrielle Zukunft des Landes, das von Bildungskrise, Fachkräftemangel und vor allem digitaler Ideenlosigkeit ohnehin so gebeutelt ist. Ausgerechnet Joe Biden, den Donald Trump so sehr als „sleepy Joe“ verunglimpft hatte, hat die Wirtschaft wacher, schneller, mit mehr Wumms auf einen supergrünen Kurs gebracht als es die Gesamtheit der europäischen Chefinnen und Chefs bisher vermocht hat.

Selbst Northvolt, den aufsteigenden Batterie-Stern, schien Biden aus Heide in Schleswig-Holstein nach Amerika locken zu können. Dem haben Habeck und Olaf Scholz jetzt Einhalt geboten, mit viel Geld, Subventionen. Ausgestochen haben sie Biden zwar nicht, Northvolt will weiter auch in Nordamerika bauen. Aber sie haben immerhin einen Ausgleich erzielt. Im Spiel Heide gegen Biden steht’s jetzt eins zu eins. Das ist eine beachtliche Leistung.

Eine Entscheidung der Sache wegen

Habeck hat diesen Deal offenbar nicht alleine ausgehandelt. Dem Vernehmen nach hat auch das Kanzleramt eine entscheidende Rolle gespielt, vor allem Jörg Kukies, der Wirtschaftsberater von Olaf Scholz, der Neben- oder Gegen-Habeck, je nach Sichtweise. Aber Habeck ist und bleibt mit seinem Ministerium die Schlüsselfigur in der Transformation, an dem auch entscheidende Fragen wie die nach dem Industriestrompreis hängen. Müsste Habeck nun ausgewechselt werden, verlöre Deutschland Tempo – und den steten Advokaten der Energiewende.

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Ein schwacher Habeck hilft niemandem, vermutlich nicht einmal der Union, weil sie es irgendwann selbst machen müsste. Fair heizen ist deshalb schön und gut. Aber verheizen lassen sollte sich dieser Minister nicht – und deshalb möglichst bald auch in der Graichen-Affäre pragmatisch handeln. Um den Kulturkampf auszubremsen. Und der Sache wegen.

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Lesen Sie auch, warum sich der schwedische Batteriehersteller Northvolt nun doch dafür entschieden hat, ein Werk in Schleswig-Holstein zu bauen.

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