Innogy Dramatische Tage am Opernplatz in Essen

Quelle: dpa

Der Schock sitzt nach der Attacke auf den Innogy-Finanzchef tief. An der Spitze des Energiekonzerns stehen jetzt schon zwei Interimsmanager. Heute trifft sich der Aufsichtsrat. Der sucht seit Wochen nach einem Plan für die RWE-Tochter.

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Kurz nach dem Säure-Anschlag auf  Finanzchef Bernhard Günther sind Mitarbeiter und Vorstand bei Innogy und auch beim Mutterkonzern RWE  in Schockstarre. „Die unfassbare Attacke auf Bernhard Günther hat uns zutiefst getroffen“, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. „Wir sind alle bestürzt und entsetzt über die schreckliche Tat. Wir wünschen ihm baldige Genesung.“

Schnell regelte der Konzern das Tagesgeschäft neu. Die Aufsichtsratssitzung an diesem Dienstag wird ohne den 51-jährigen Top-Manager stattfinden. Innogy-Vorstandsmitglied Hans Bünting übernehme kommissarisch zusätzlich die Aufgaben von Finanzchef Bernhard Günther, hieß es aus Essen. Der Top-Manager war am vergangenen Sonntag bei einem Säureanschlag in Haan bei Düsseldorf schwer verletzt worden. Die Täter sind flüchtig, die Hintergründe der Tat unklar. Ob das Attentat in Zusammenhang mit einem Überfall auf den Manager vor Jahren beim Joggen steht, ist ebenfalls noch unklar.

Der Aufsichtsrat steht vor der schwierigen Aufgabe für das Unternehmen so schnell wie möglich einen Nachfolger an der Spitze zu finden. Seit dem Abgang von Ex-Chef Peter Terium nach einer Gewinnwarnung Mitte Dezember vergangenen Jahres führt Personal-Chef Uwe Tigges kommissarisch das Unternehmen. Jetzt muss auch noch die Position des Finanzchefs neu besetzt werden. Doch weder Aufsichtsrat noch Vorstand haben einen Plan wie es mit der Ökostromtochter zukünftig weitergehen soll.

Denn der Essener Ökostromanbieter steckt in der Krise. Als Hoffnungsträger gestartet, der die Zukunft des Versorgers RWE sichern sollte, entwickelt er sich mehr und mehr zum Klotz am Bein. Gewinne brechen ein, die Wachstumsprognosen werden einkassiert, und ein Sparprogramm muss nun die größte Not lindern. Aufsichtsrat und Mutter ringen um eine neue Strategie und einen neuen Chef. Doch Visionen will der Vorstand von Innogy derzeit nicht verbreiten. „Der Laden hier ist außer Rand und Band“, sagt ein Manager nüchtern. „Keiner weiß, wie es weitergeht.“

Sparen statt investieren

Das Chaos in Essen zeigt, wie schwer sich Deutschlands zweitgrößter Stromkonzern noch immer mit der Energiewende tut. Konkurrent E.On hat sich von seinem fossilen Energiegeschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken getrennt, mit dem Verkauf knapp vier Milliarden Euro kassiert und bricht geradewegs Richtung grüne Energiezukunft auf. RWE hingegen hat die fossilen Kraftwerke behalten und auf die grüne Tochter Innogy gesetzt. Der Konzern hält 77 Prozent an der in 2016 an die Börse gebrachten Ökotochter. Doch als Ertragsperle droht sie auszufallen.

Der überraschende Abgang von Innogy-Chef Peter Terium vor knapp acht Wochen lähmt das Unternehmen. Der Niederländer musste Innogy nach einer Gewinnwarnung Ende 2017 verlassen. Für 2017 dürfte Innogy nur 2,7 Milliarden Euro Betriebsergebnis melden, weniger als geplant. Nun hat RWE der grünen Tochter eine rigorose Diät verordnet. Bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung Anfang März muss der amtierende Vorstand konkrete Sparmaßnahmen vorlegen. Reichen die nicht, dürften auch die Spartenchefs für erneuerbare Energien, die Stromnetze und den Vertrieb um ihre Jobs bangen, heißt es in Unternehmenskreisen. Dann wäre die Verwirrung in der Innogy-Zentrale am Opernplatz in Essen komplett.

Die Baustellen der RWE-Ökostromtochter  

Probleme gibt es in fast allen Sparten des Unternehmens. Das Geschäft mit der Erzeugung von Sonnen- und Windstrom stagniert. Der Gewinn der Sparte sank zuletzt gar um 20 Prozent auf knapp 200 Millionen Euro. „Das vergangene Jahr war ein schwaches Windjahr“, redet sich Erneuerbaren-Chef Hans Bünting heraus. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Innogy auch zukünftig im Geschäft mit Windenergie kaum große Sprünge machen wird. Denn bei der Vergabe neuer großer deutscher Windprojekte an Land und auf dem Meer ist Innogy fast leer ausgegangen. Erst Ende 2019 würden neue Windprojekte, vor allem in Irland und in den USA, für mehr Wachstum sorgen, so Bünting.

Massive Probleme hat die Ökostromfirma auch mit dem Stromvertrieb für Privat- und Geschäftskunden – vor allem in den Niederlanden und Großbritannien. Den Wert der britischen Tochter hat Innogy Ende vergangenen Jahres um 480 Millionen Euro nach unten korrigiert. Auf der Insel hat sich zuletzt ein Verlust von 100 Millionen Euro angehäuft. In diesem Jahr wollen die Essener das Geschäft daher mit dem britischen Konkurrenten SSE in ein Gemeinschaftsunternehmen auslagern. Innogy würde dann nur eine Minderheit halten. Aber die britischen Aufsichts- und Kartellbehörden haben den Deal noch nicht genehmigt. Sie fürchten höhere Strompreise, wenn sich zwei Konkurrenten zusammentun und damit weniger Wettbewerb auf dem Markt herrscht.

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