Luftfahrt Airbus und der Fluch der vollen Flugzeugparkplätze

In den Hallen von Airbus wird weiter gebaut. Doch nicht so viel, wie sich das der Konzern eigentlich wünschen würde. Quelle: dpa

Mit einer Kraftanstrengung hatte Airbus die Folgen der Coronakrise begrenzt und den gefährlichen Überhang an nicht ausgelieferten Flugzeugen abgebaut. Jetzt gibt es Rückschläge. War alles vergeblich?

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Als Airbus-Chef Guillaume Faury im Februar 2019 den letzten gemeinsamen Pressetermin mit seinem Vorgänger Tom Enders wahrnahm, musste er sich einige Frotzeleien anhören. „Ich habe Dir mit dem Hochfahren der Flugzeugproduktion wenigstens ein kleines Problem hinterlassen, damit Dir nicht langweilig wird“, sagte der Deutsche lachend.

Tatsächlich war bei Airbus im vergangenen Jahr von Langeweile keine Spur. In der Coronakrise wollten viele Airlines ihre bestellten Jets später oder am liebsten gar nicht abnehmen. Die Folge: Der weltgrößte Flugzeugbauer wurde seine Flieger nicht mehr los, die Werksflughäfen füllten sich mit nicht ausgelieferten Maschinen.

Zuletzt steuerte der Konzern hart gegen und übergab wieder ähnlich viele Jets wie in einem normalen Monat vor der Krise. Doch jetzt mehren sich abermals die Krisenzeichen. Weil sich angesichts wachsender Infektionszahlen die erwartete Erholung im Luftverkehr verzögert, musste Airbus vergangene Woche eine geplante Produktionserhöhung abbremsen. Zudem wächst das Risiko, dass die Folgen der Pandemie die beginnende Erholung des Flugverkehrs stärker als erwartet beeinträchtigen. Dann würde die Zahl der Auslieferungen sogar wieder sinken. Und die Parkplätze würden sich wieder füllen.

Wie schnell das zu einer Abwärtsspirale führen kann, weiß Konzernchef Faury aus dem Frühjahr 2020. Damals musste der Manager verkünden, dass er wegen der Ausbreitung des Coronavirus bereits das Airbus-Werk im chinesischen Tianjin geschlossen hatte. Weil alle anderen Werke in Europa und Nordamerika angesichts der steigenden Nachfrage nach neuen Jets auf wachsende Auslieferungszahlen umgestellt hatten, war es schwer, die Produktion dort zu bremsen. Die Lager waren mit den Vorprodukten voll und die vielen Hundert Zulieferer lieferten immer weiter.

Selbst wenn eine Fluglinie noch ihre neuen Flieger abholen wollte, funktionierte das nicht immer. Denn vor einer Übernahme schicken die neuen Eigentümer normalerweise Spezialisten, die alle Kleinigkeiten der Maschinen prüfen. Das war für viele Kunden aus Übersee angesichts der vielen Reisebeschränkungen mitunter unmöglich.

Die Folge sah Faury, wenn er aus seinem Büro am Flughafen in Toulouse schaute. Oder auch auf anderen Werksflughäfen: In Hamburg, in Mobile im US-Bundesstaat Alabama oder im kanadischen Montreal wuchs die Zahl der nicht ausgelieferten Flugzeuge, die wegen der meist nicht lackierten oder weiß übermalten Heckflossen in der Branche „White Tails“ genannt werden.

Rasch erreichte das Problem nie gekannte Ausmaße. Die Zahl der nicht ausgelieferten Flugzeuge wuchs bis Juli auf nicht weniger als 166 Exemplare.



Das traf die Airbus-Konzernkasse empfindlich. Mit den geparkten Maschinen fehlen nicht nur die Verkaufserlöse von bis zu 20 Milliarden Euro. Es entstehen weitere Kosten, etwa dafür, die Maschinen abzustellen und flugbereit zu halten. Am Ende waren es so viele Flugzeuge, dass Airbus sie auf Landeplätze in ganz Europa parken musste. Allein in Deutschland standen sie auf sechs Airports.

Das Problem hat Airbus inzwischen im Griff. Zum Jahresende lag die Zahl der Maschinen aus der Kategorie „gebaut aber nicht abgeholt“ nur noch bei 27. Wie genau das gelungen ist, erzählt das Unternehmen nur teilweise. „Es war ein Mix aus Druck und Anreizen“, gibt ein führender Airbus-Mitarbeiter preis.

In den Bereich Druck fällt die Drohung, die Fluglinien für den Schaden haftbar zu machen. Das ist kurz vor der Abholung der Maschine etwas einfacher, weil die Airline oder ihre Finanziers da bis zur Hälfte des Kaufpreises bezahlt haben. Diese Anzahlung bleibt bei Airbus, wenn die Fluggesellschaft den Flieger nicht nimmt. „Da ist es billiger die Maschine zu nehmen, auch wenn die Airline das eigentlich überflüssige Gerät dann abstellt oder zu einem Kampfpreis weiterverkauft“, erklärt die Führungskraft einer Fluglinie. Ist die Anzahlung geringer, kann Airbus zumindest drohen, den ausstehenden Restbetrag einzuklagen. „Meist einigen sich dann Hersteller und Fluglinie, dass die Auslieferung gegen eine Extrazahlung verschoben wird“, so der Manager.

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