Notleidender Konzern Thyssenkrupp verkauft Aufzugssparte an Finanzinvestoren

Das Thyssen-Aufzugsgeschäft geht an die Gruppe um Cinven, Advent und RAG-Stiftung. Quelle: REUTERS

Der Thyssenkrupp-Konzern verkauft seine lukrative Aufzugssparte an ein Bündnis der Finanzinvestoren Advent und Cinven für 17,2 Milliarden Euro. Man erwarte „keine Bedenken der zuständigen Behörden“.

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Der angeschlagene Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp verkauft seine lukrative Aufzugssparte für 17,2 Milliarden Euro vollständig an ein Konsortium um die Finanzinvestoren Advent und Cinven und die Essener RAG-Stiftung. Die Unterzeichnung des Kaufvertrags sei bereits erfolgt, teilte der Essener Konzern am Donnerstagabend in einer Pflichtmitteilung mit.

Der Deal soll noch bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres am 30. September vollzogen sein. Ein Teil des Kaufpreises (1,25 Milliarden Euro) soll laut Thyssenkrupp in eine Rückbeteiligung am verkauften Aufzugsgeschäft investiert werden. „Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt fusionskontrollrechtlicher Genehmigungen“, hieß es in der Mitteilung. Man erwarte jedoch „keine Bedenken der zuständigen Behörden“.

„Die durch die Transaktion zufließenden Mittel werden im Unternehmen verbleiben“, hieß es am Donnerstag vonseiten Thyssenkrupps. Der notleidende Konzern braucht das Geld dringend, um Schulden abzubauen und einen Umbau des Traditionsunternehmens zu finanzieren, drücken ihn doch Nettofinanzschulden von sieben Milliarden Euro und Pensionsverpflichtungen von neun Milliarden Euro. Die Aufzugssparte Thyssenkrupp Elevator ist derzeit der einzige nennenswerte Gewinnbringer. Hier arbeitet mit rund 53.000 Mitarbeitern fast ein Drittel aller Thyssenkrupp-Beschäftigten. Auch ein Börsengang wurde zwischenzeitlich angedacht, um die Sparte zu versilbern. Während das Stahlgeschäft tief in den roten Zahlen steckt, erzielte Thyssenkrupp mit dem Verkauf und der Wartung von Aufzügen und Rolltreppen allein im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres einen operativen Gewinn von 228 Millionen Euro.

Die RAG-Stiftung aus Essen ist für die Finanzierung der dauerhaften Folgekosten des Steinkohlenbergbaus zuständig. Sie wurde im Jahr 2007 gegründet, um diese sogenannten „Ewigkeitskosten“ zu finanzieren. So muss etwa, auch nachdem die letzte Grube geschlossen hat, ständig das Grundwasser abgepumpt werden. Dazu braucht die Stiftung rund 300 Millionen Euro jährlich. Sie ist also auf sichere Erträge ihres Kapitals angewiesen. Um die Finanzierung stemmen zu können und gegen Schäden gewappnet zu sein, ist ein solider finanzieller Grundstock nötig. Und so ist unter dem Dach der RAG-Stiftung in den vergangenen Jahren ein interessantes Konglomerat aus unterschiedlichsten Unternehmen entstanden.

Im Rennen um Thyssenkrupps Tafelsilber waren zuvor auch die Investoren Blackstone, Carlyle und Canadian Pension Plan gewesen; der finnische Konkurrent Kone zeigte ebenfalls lange Zeit Interesse, zog sich dann aber vergangene Woche aus dem Bieter-Wettkampf zurück. Der Kauf sei zum Schluss ein zu großes Risiko gewesen, hatte Kone-Chef Henrik Ehrnrooth im Gespräch mit der WirtschaftsWoche berichtet. Zwischenzeitlich war auch das japanische Unternehmen Hitachi als Bieter im Gespräch.

Bei Thyssenkrupp hat sich in den vergangenen Monaten die Lage immer mehr zugespitzt. Die lange vorbereitete Fusion der Stahlsparte mit dem europäischen Zweig des indischen Stahlkonzern Tata war von der EU-Kommission untersagt worden. Eine Aufspaltung des Konzerns in zwei Aktiengesellschaften wurde darauf abgesagt. Vorstandschef Guido Kerkhoff musste nach nur gut einem Jahr im Amt seinen Hut nehmen. Im Oktober wechselte dann die Aufsichtsratsvorsitzende Martina Merz als Interimschef an die Spitze des Vorstands. Nach dem Verkauf der Aufzugssparte soll der traditionsreiche Stahl wieder zum Kerngeschäft von Thyssenkrupp werden. Merz muss nun eine überzeugende Strategie für den Konzern entwickeln, denn nach einem monatelangen Absturz des Börsenkurses brachte Thyssenkrupp am Donnerstag nur noch eine Marktkapitalisierung von rund 5,7 Milliarden Euro auf die Waage. Die Aufzugssparte ist aus Sicht der Investoren also drei Mal so wertvoll wie der gesamte Konzern. Mit dem Verkauf könne Thyssenkrupp nun „wieder Fahrt aufnehmen“, sagte die Vorstandsvorsitzende am Donnerstagabend laut Mitteilung. „Wir haben nicht nur einen sehr guten Preis erzielt, sondern werden die Transaktion auch zügig abschließen können.“ Die Krupp-Stiftung, der größte Aktionär des Konzerns, nannte den Verkauf „richtig“. Thyssenkrupp müsse im Sinne aller Beschäftigten wieder wettbewerbs- und dividendenfähig werden.

Im nachbörslichen Handel reagierten die Thyssenkrupp-Papiere positiv auf die aktuellen Nachrichten zum Verkauf der Aufzugssparte: Die Aktie sprang auf Tradegate um 5,8 Prozent auf 9,70 Euro, nachdem sie zuvor mit einem leichten Minus aus dem Handel gegangen waren.

Zufrieden zeigte sich auch die IG Metall: Es sei bereits eine Standort- und Beschäftigungssicherung mit den neuen Eigentümern vereinbart worden, die mindestens bis zum 31. März 2027 laufe. Währenddessen seien betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, alle bestehenden Standorte in Deutschland blieben mit ihren wesentlichen Funktionen erhalten und sollten gestärkt werden.

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