Personalabbau nach Peugeot-Übernahme? Opel droht der große Aderlass

Sollte Peugeot den deutschen Autobauer Opel schlucken, gäbe es im gemeinsamen Unternehmen plötzlich Vieles doppelt. Vor allem die deutsche Seite bekäme wohl die Konsequenzen zu spüren: Opel drohen schwere Einschnitte.

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Opel-Beschäftigte müssten nach einem Kauf durch Peugeot einen einschneidenden Stellenabbau befürchten. Quelle: AP

Düsseldorf Jetzt kann es schnell gehen: Der US-Autobauer will Opel nach jahrelangen Verlusten an Peugeot verkaufen. GM-Chefin Mary Barra und Opel-Aufsichtsratschef Dan Ammann sind bereits zu Gesprächen mit dem Opel-Team in der Zentrale in Rüsselsheim eingetroffen, erklärte ein Sprecher des Unternehmens. Auch der Chef der französischen Peugeot-Gruppe PSA, Carlos Tavares, plant einem Firmensprecher zufolge Treffen auf oberster Ebene. Dies schließe auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein.

Die Politik sorgt sich insbesondere um die Jobs der Autobauer. Denn wenn Opel tatsächlich an Peugeot verkauft werden sollte, droht dem angeschlagenen hessischen Autohersteller ein schwerer Aderlass. Besonders die Belegschaft müsste sich auf einen drastischen Stellenabbau einstellen. Allein am zentralen Opel-Standort Rüsselsheim könnte mindestens ein Drittel der Jobs überflüssig werden. Das erwartet Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen. In Deutschland hat Opel gut 20.000 Beschäftigte, im restlichen Europa kommen noch einmal rund 16.000 dazu.

Nach einer Übernahme durch Peugeot gibt es in einem dann fusionierten Unternehmen Vieles doppelt. Das ist das Hauptargument für Dudenhöffer, dass Opel vor schweren Einschnitten stünde. Einkauf, Vertrieb, Marketing – alles würde wahrscheinlich nach Paris abwandern. Noch viel schwerwiegender wiegt der Entwicklungsbereich, den es dann ebenfalls zweimal geben würde. „In der neuen Einheit braucht man aber nur ein Zentrum für Motoren und nicht mehrere“, warnt Dudenhöffer.

Aktuell hat das technische Entwicklungszentrum in Rüsselsheim ungefähr 6000 Mitarbeiter. Eine Zahl, die nach einer Übernahme durch Peugeot mit ziemlicher Sicherheit deutlich schrumpfen dürfte. Die einzige Ungewissheit dürfte sein, wie schnell ein Verlagerungsprozess in Richtung Frankreich von statten gehen würde. „Wie lang der Übergangszeitraum sein wird, kann man schlecht sagen. Bekannt ist nur, das Peugeot-Chef Carlos Tavares aufs Tempo drückt“, sagt Dudenhöffer.

Erschwerend für die Opel-Beschäftigten kommt hinzu, dass sich die Motorentwicklung in Rüsselsheim auf Verbrennungsmotoren beschränkt. Da der Diesel absehbar an Bedeutung verliert, wird es für die Ingenieure in der Opel-Zentrale sowieso schon weniger zu tun geben.

Nach einer Übernahme durch Peugeot kann bei Opel aber niemand damit rechnen, dass es als Ersatz neue Entwicklungsaufträge für Elektrofahrzeuge geben wird. Der Batterieantrieb gehört künftig zur Kernkompetenz eines Herstellers – und dürfte deshalb ebenfalls ausschließlich in Paris angesiedelt sein.

Doch auch in der Produktion würde sich nach einer Übernahme etwas verändern, das steht außer Frage. Autoprofessor Dudenhöffer sieht schwere Zeiten auf die beiden Opel-Werke in Eisenach und in Kaiserslautern zukommen. „Die Unsicherheiten sind an beiden Standorten über Nacht hochgeschossen“, sagt der Hochschullehrer. Das Grundproblem dabei: In Europa gibt es einfach zu viele Autowerke, beide Fabriken sind vergleichsweise klein. Opel-Modelle könnten sehr wohl auch in Peugeot-Fabriken von den Bändern laufen. In Kaiserslautern fertigt Opel Motoren, Eisenach hat sich tendenziell auf Kleinwagen konzentriert.


Eisenach und Kaiserslautern in Gefahr

Ähnlich sieht das auch der frühere Opel-Betriebsratschef Klaus Franz. „Nach einer Übernahme wären die Werke in Eisenach und in Kaiserslautern stark gefährdet“, sagt Franz. Nach Angaben der Automobilanalysten des Londoner Investmentberaters Evercore ISI liegt die aktuelle Kapazitätsauslastung in den europäischen Werken von Peugeot bei etwa 74 Prozent.

Damit gibt es noch Spielraum nach oben – etwa durch die zusätzliche Produktion von Opel-Modellen. Eine Übernahme der Opel-Produktion wird künftig noch einfacher, da beide Unternehmen ihre Zusammenarbeit in der Fertigung intensivieren. In diesem Jahr beginnt die gemeinsame Produktion von Geländewagen (SUV) auf einer einheitlichen Plattform. Diese Kooperation war schon länger vorgesehen, völlig unabhängig von den aktuellen Fusionsplänen.

„Es gibt keine Markenwerke mehr, sondern nur noch Konzernwerke, in denen alle Marken gefertigt werden“, beschreibt Autoprofessor Dudenhöffer das, was auf Opel zukommen könnte. Die Rüsselsheimer würden wahrscheinlich komplett im Peugeot-Produktionsverbund aufgehen. Die zentrale Produktionsleitung sitzt dann künftig in Paris, in Rüsselsheim würde es nur noch einen Werksleiter geben. „Wie viele Fabriken man im Verbund braucht, wird bei Peugeot festgelegt“, so Dudenhöffer weiter. Die Franzosen könnten zudem mehr Autos im polnischen Opel-Werk produzieren lassen, wo die Löhne um einiges niedriger als in Deutschland sind.

Dudenhöffer beklagt viele hausgemachte Fehler bei der deutschen Filiale von General Motors. Die Kölner Tochter von Ford beweise, dass sich das Europa-Geschäft eines großen US-Autokonzerns sehr profitabel führen lasse. Ford Europa habe in den beiden vergangenen Jahren 1,5 Milliarden Dollar Gewinn gemacht, bei General Motors stehe ein Verlust von einer Milliarde Dollar in den Büchern. Ford betreibe seine Geschäfte viel effizienter und kostenbewusster.

Auch die Bundesregierung hat sich in die Verhandlungen eingeschaltet. Oberste Priorität der deutschen Seite sei es, die drei Opel-Standorte zu erhalten, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Mittwoch in Berlin nach einer Kabinettssitzung. Zudem müsse die Zentrale von Opel in Rüsselsheim bestehen belieben und keine Unterabteilung eines französischen Konzerns werden.

Die neue Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte bereits kritisiert, es sei „inakzeptabel“, dass die beiden Unternehmen vorab Betriebsrat, IG Metall sowie Landes- und Bundesregierung nicht von ihren Plänen informiert hätten.

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