WirtschaftsWoche: Herr Nauen, Senvion hieß bis Jahresbeginn Repower. Weshalb haben Sie eine der angesehensten Adressen in der Windradindustrie einfach so unbenannt?
Andreas Nauen: Das war nicht einfach so. Die Namensänderung war notwendig, weil wir den Namen Repower seit 2001 nur in Lizenz hatten und diese Ende 2013 abgelaufen war. Sie gehört einem Schweizer Energieversorger, der den Namen inzwischen auch für sich selbst nutzt.
Und weshalb haben Sie sich dann den kryptischen Name Senvion gegeben?
Senvion ist ebenso wenig kryptisch wie E.On für Deutschlands größten Stromkonzern. Senvion setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Sustainability, Energy, Vision und on. Zusammengezogen stehen diese dann für Nachhaltigkeit, Energie, Vision – voilà.
Zur Person
Nauen, 50, ist seit dem 1. Juli 2010 Chef des Hamburger Windturbinenbauers Senvion, früher Repower. Nauen studierte Maschinenbau in Duisburg und startete 1991 seine Karriere bei Siemens im Projektgeschäft. Nach der Übernahme des dänischen Windmühlenbauers Bonus Energy durch die Münchner 2004 baute er als Chef der Siemens-Sparte Wind Power das Windgeschäft des Konzerns auf.
Senvion ist im Besitz des indischen Windkraftkonzerns Suzlon, agiert aber nahezu unabhängig. Wie funktioniert das?
Es gibt in der Tat vergleichsweise wenig Zusammenarbeit mit unserem Mutterhaus. Technologisch arbeiten wir völlig eigenständig. Das liegt zum einen daran, dass wir auf verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Produkten agieren. Zum anderen hat das auch mit dem Eigenfinanzierungsvertrag zu tun, dem wir unterliegen.
Das heißt, die Inder können sich nicht direkt aus Ihrer Kasse bedienen?
Es gibt keinen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zwischen Senvion und Suzlon. Die Banken haben 2007 die Übernahme unter der Bedingung finanziert, dass Suzlon keinen Zugriff auf unseren Cash-Flow bekommt. Wir haben die Kreditlinien im April erneuert und sogar eine Erhöhung um 100 Millionen auf 850 Millionen sichergestellt. Auch dabei hat das Bankenkonsortium wieder darauf bestanden, dass unsere indische Mutter keinen Zugriff auf die finanziellen Mittel erhält. Die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit Suzlon wurden von den Banken sogar noch schärfer reglementiert.
Jetzt versucht Suzlon offenbar, Senvion wieder an die Börse zu bringen, um sich Geld für die eigene Entschuldung zu besorgen. Der Börsengang sollte Gerüchten zufolge schon in diesem Monat erfolgen.
Wäre es so, würde ich hier wohl nicht so entspannt sitzen. Ansonsten möchte ich mich an Spekulationen nicht beteiligen.
Die größten Windradbauer der Welt
2013: 13,2 Prozent Markanteil
2012: 14,6 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Dänemark
Quelle: Make Consulting
2013: 10,2 Prozent Markanteil
2012: 6,2 Prozent Marktanteil
Firmensitz: China
2013: 10,1 Prozent Markanteil
2012: 8,2 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Deutschland
2013: 8,0 Prozent Markanteil
2012: 10,6 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Deutschland
2013: 5,1 Prozent Markanteil
2012: 4,0 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Indien / Deutschland
2013: 4,9 Prozent Markanteil
2012: 13,6 Prozent Marktanteil
Firmensitz: USA
2013: 4,6 Prozent Markanteil
2012: 8,5 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Spanien
2013: 3,9 Prozent Markanteil
2012: 4,6 Prozent Marktanteil
Firmensitz: China
2013: 3,7 Prozent Markanteil
2012: 2,5 Prozent Marktanteil
Firmensitz: China
2013: 3,4 Prozent Markanteil
2012: 2,0 Prozent Marktanteil
Firmensitz: Deutschland
Offshore-Windenergie gilt als Gewinner der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, kurz: EEG. Sehen Sie das auch so?
Es ist natürlich schwierig, heute von Gewinnern zu sprechen, wenn eine Branche über Jahre Stillstand aushalten musste, weil die politischen Rahmenbedingungen fehlten. Aber ich bin jetzt froh, dass wir mit der Verlängerung der Einspeisevergütung für Windstrom bis 2019 eine vernünftige Basis haben. Auch die Anbindungen der Meereswindparks ans Stromnetz sind nun klar geregelt. Und wenn dann die ganzen Windparkprojekte realisiert sind, die jetzt angekündigt werden, dann können wir uns vielleicht als Gewinner fühlen.
Senvion war ja von der Flaute ebenfalls arg gebeutelt. In Ihrer Rotorblattfertigung wird seit Februar kurzgearbeitet.
Ich glaube, es gab in der gesamten Offshore-Windradindustrie kein Unternehmen, das nicht betroffen war. Unsere Rotorblattproduktion in Bremerhaven ist eben speziell für die Fertigung von Offshore-Anlagen ausgerichtet und deshalb von der Kurzarbeit betroffen.
Wieso legen Sie nach der EEG-Novelle jetzt nicht richtig los?
So schnell geht das nicht, vor allem nicht bei den Meereswindparks. Diese milliardenschweren Großprojekte haben Vorlaufzeiten von zwei bis drei Jahren, ehe überhaupt eine einzige Windturbine ins Meer gesetzt werden kann. Wir werden also frühestens 2015 mit der Produktion beginnen können. Aber in der Tat, es ist wieder Bewegung im Markt. Verhandlungen mit Unternehmen, die Windparks bauen wollten, dann zögerten oder Projekte ganz auf Eis legten, haben wir wieder aufgenommen. Das sind Aufträge, bei denen wir früher schon ziemlich weit waren, da fehlten nur noch die Unterschriften.
"Jetzt können wir intensiv an Kostensenkungen arbeiten"
Und dann kam mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP und Umweltminister Peter Altmeier von der CDU erst der Stillstand beim EEG und vor der Bundestagswahl die Unsicherheit – mit der Folge, dass Sie 2013 nicht eine einzige Offshore-Turbine verkauft haben.
Das stimmt leider. In diesem Jahr wird sich das nicht wiederholen. Wir liefern 48 Windmühlen für den Windpark Nordsee Ost an den Stromkonzern RWE. Und wir verhandeln wieder über zurückgestellte Aufträge.
Können Sie Details nennen?
Es geht um drei Windparks, einen mit 20, einen mit 50 und einen mit 80 Turbinen in der deutschen Nordsee.
Strom von hoher See gilt als Kostentreiber bei der EEG-Umlage. Wie wollen Sie das ändern?
Dass die gesamte Offshore-Industrie günstiger werden muss, ist seit Jahren jedem klar. Aber es hat sich schon viel getan. In der Anfangsphase mussten wir uns noch von einem Engpass zum nächsten hangeln: Mal gab es nicht genug Windräder, dann nicht genug Montageschiffe, zu wenige Unterwasserkabel oder Fachpersonal. Das ist alles behoben. Jetzt können wir intensiv an Kostensenkungen arbeiten.
Welche Hebel gibt es da speziell für Sie als Windradhersteller?
Sie können natürlich schlicht und einfach versuchen, bestehende Windturbinen günstiger zu fertigen. Was aber einen viel größeren Hebel hat, ist die Weiterentwicklung der Technologie...
...also die Steigerung der Effizienz.
Unsere Offshore-Turbine vom Typ 6.2 M 152, deren Prototyp wir gerade bauen, hat 152 Meter statt früher 126 Meter lange Rotorblätter. Das bringt einen Mehrertrag von 20 Prozent am gleichen Standort.
Die Anlage wird dann aber mehr kosten?
Nein, sie soll nicht mehr kosten als das Vorgängermodell. Das ist das klare Ziel. Auch die Erhöhung der Lebensdauer der Windräder von 20 auf 25 Jahre senkt Kosten. Hinzu kommen signifikante Ersparnisse beim Fundament. Die meisten Offshore-Turbinen wurden bisher auf dreibeinige Stahlkolosse, sogenannte Tripoden, gesetzt. Jetzt kommen sogenannte Monopiles zum Einsatz, bei denen nur noch ein Fundamentrohr in den Meeresboden gerammt wird. Das macht die Verankerung, die Verschiffung der Fundamente und natürlich auch das Material preiswerter.
Ihr Umsatzrückgang um rund 20 Prozent kam in erster Linie durch den Wegfall des US-Geschäfts. Wie konnte das passieren?
Durch die Erschließung riesiger Schiefererdgasreserven mithilfe der Fracking-Technologie sind die Strompreise in den USA so stark gefallen, dass sich der Bau neuer Windparks nicht mehr lohnte. Wir hatten 2012 noch rund 100 Millionen Umsatz dort. Die sind futsch. Wir konnten zwar davon in Kanada etwas wettmachen, aber längst nicht in diesen Dimensionen.
Geht das Geschäft so unerfreulich weiter?
Nein. Die Auftragseingänge lagen in den ersten Monaten des Geschäftsjahres, das bei uns von April 2014 bis März 2015 läuft, rund zehn Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Der Umsatz ist in ähnlicher Größenordnung gewachsen. Zudem ist für uns wichtig, wie viel vom geplanten Jahresumsatz wir schon fest in den Büchern haben. Und da sieht es ziemlich gut aus. Wir konnten rund 90 Prozent einbuchen, und das von einem Wert, der leicht über dem des Vorjahres in Höhe von 1,8 Milliarden Euro liegt. Die Zwei-Milliarden-Marke werden wir dieses Jahr wohl nicht erreichen.
Bei Offshore-Anlagen begegnen wir diesen Wettbewerbern nicht. Das wundert uns allerdings auch nicht. Denn wir sowie die anderen europäischen Hersteller haben zehn und mehr Jahre Erfahrungsvorsprung in diesem hoch komplizierten Metier. Das ist mit Onshore-Projekten oder gar mit Fotovoltaikparks überhaupt nicht vergleichbar.