Statistik Teslas Angaben zur Unfall-Bilanz stimmen nur bedingt

Tesla reagiert auf Unfälle seiner Elektroautos mit einer Reihe von Erklärungen – einer genaueren Überprüfung halten die aber nicht stand.

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Tesla-Angaben zur eigenen Unfall-Bilanz stimmen nur bedingt Quelle: AP

Detroit Nobel, nachhaltig und sicher – so beschreibt Elon Musk die Autos seines Unternehmens Tesla. Die Behörden in Washington haben zumindest hinsichtlich des letzten Punkts inzwischen ihre Zweifel. Am Mittwoch reisten Experten in den US-Staat Utah, um den Hergang eines Auffahrunfalls an einer Ampel zu untersuchen – es war bereits der vierte recht spektakuläre Tesla-Unfall in diesem Jahr. Per Twitter versuchte Musk zu relativieren.

Laut Statistik der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) gebe es auf amerikanischen Straßen im Durchschnitt einen Verkehrstoten pro 86 Millionen gefahrenen Meilen, schrieb Musk am Montag. Würden ausschließlich Tesla-Fahrzeuge betrachtet, sei es nur ein Opfer pro 320 Millionen Meilen. Ganz und gar ließen sich Unfälle nicht vermeiden, betonte der Firmenchef. Aber in einem Tesla sei das Risiko deutlich geringer.

Die erste Zahl ist in jedem Fall korrekt. Sie bezieht sich auf die insgesamt etwa 272 Millionen Fahrzeuge in den USA. Tesla hat nach Schätzung der Fachpublikation „Ward's Automotive“ bisher landesweit etwa 150.000 Fahrzeuge verkauft. Wie viele tödliche Unfälle es mit diesen Autos gegeben hat und wie viele Meilen damit gefahren worden sind, gibt das kalifornische Unternehmen allerdings nicht bekannt.

Die Zahl der tödlichen Unfälle kann zudem von Jahr zu Jahr stark schwanken. Für 2017 liegen noch keine offiziellen Zahlen vor; 2016 kamen laut NHTSA fünf Menschen in Tesla-Fahrzeugen ums Leben; seit Januar waren es laut Medienberichten bereits mindestens drei. Experten weisen zudem darauf hin, dass die Statistik von Musk womöglich mehr über die Demografie der Tesla-Fahrer verrate als über Sicherheitsstandards.

Die hochpreisigen Elektroautos von Tesla würden überwiegend von wohlhabenden Personen im mittleren Alter gekauft, sagt Ken Kolosh von der unabhängigen Organisation National Safety Council. Diese seien überwiegend in urbanen Regionen zu Hause, in denen es bessere Straßen und strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen gebe als in ländlichen Gebieten. In der Altersgruppe sei die Zahl der Verkehrstoten zudem geringer als bei jüngeren Fahrern.

Hinzu kommt, dass die Marke noch recht neu ist. Kaum ein Tesla ist älter als sechs Jahre. Das durchschnittliche Alter aller Autos, die auf den amerikanischen Straßen unterwegs sind, liegt nach Angaben der Marktforschungsfirma IHS Markit bei 11,6 Jahren. Und tendenziell dürften ältere – ebenso wie günstigere – Autos anfälliger für Defekte oder sonstige Probleme sein. Auch die Wartung ist bei älteren Wagen erfahrungsgemäß weniger sorgfältig.

Nach dem Unfall in Utah, bei dem ein Tesla Model S in ein Feuerwehr-Fahrzeug gefahren war, schrieb Musk: Das „wirklich Erstaunliche an diesem Unfall“ sei, dass die Fahrerin trotz einer Auffahrgeschwindigkeit von 60 Meilen pro Stunde (97 Kilometer pro Stunde) bloß einen Knöchelbruch erlitten habe. Die Aussage stimmt zwar. Doch der glimpfliche Ausgang hat nicht unbedingt etwas mit der Automarke zu tun. Erst im März hatte ein Tesla-Fahrer in Kalifornien bei ähnlicher Geschwindigkeit einen Unfall - und kam dabei ums Leben.

Sowohl bei dem Unfall in Kalifornien als auch bei dem in Utah war nach Angaben der Behörden zudem ein Autopilot-System aktiv gewesen. Solche Systeme sind zwar inzwischen auch bei einigen anderen Marken im Einsatz. Sie gelten aber bis heute doch zumindest als eine der Besonderheiten der Autos von Tesla.

In einer Pressemitteilung des Unternehmens vom 30. März hieß es: „Vor mehr als einem Jahr ist die US-Regierung zu dem Ergebnis gekommen, dass unsere erste Autopilot-Version die Unfallrate um 40 Prozent reduziert.“ Diese Aussage ist so nicht richtig.

Die NHTSA sagt, sie habe keine derartige Bewertung vorgenommen. Sie habe lediglich – auf Basis von Daten von Tesla selbst - festgestellt, dass nach Einbau der Funktion „Autosteer“ die Rate entsprechend gesunken sei. Es sei aber nicht geprüft worden, inwieweit die Fahrer die Funktion überhaupt aktiviert hätten. Der Vergleich der Unfallraten von Fahrzeugen mit und ohne „Autosteer“ sei nur sehr „oberflächlich“ gewesen, heißt es.

Auf der eigenen Webseite hat der Elektroauto-Hersteller damit geworben, dass der Model S bei einem NHTSA-Crashtest von allen Fahrzeugen die höchste Punktzahl erreicht und der Model X als erster SUV in allen Kategorien eine Fünf-Sterne-Bewertung erhalten habe. Beides ist korrekt. Allerdings hat es auch schon andere Tests gegeben. Bei den sehr detaillierten Untersuchungen des Insurance Institute for Highway Safety etwa erhielten 14 Autos von anderen Herstellern die begehrten Auszeichnungen „Top Safety Pick“ oder „Top Safety Pick Plus“ - der Model S schaffte es nicht in diese Kategorie.

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