Datenschutz Wo sind Schranken für Facebooks Datennutzung?

Seite 2/2

Richtungsweisendes Urteil gegen Facebook aus Berlin

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) konnte erst im Januar einen Erfolg gegen Facebook verbuchen. Die Verbraucherschützer hatten das Unternehmen 2015 wegen Datenschutzverletzungen verklagt. Das Berliner Landgericht gab ihnen nun im Januar 2018 Recht. „Facebook versteckt datenschutzunfreundliche Voreinstellungen in seinem Privatsphäre-Center, ohne bei der Registrierung ausreichend darüber zu informieren“, sagt Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim VZBV. „Das reicht für eine informierte Einwilligung nicht aus.“ So sah es auch das Gericht und erklärte in seinem Urteil vom 16. Januar (Az. 16 O 341/15) Teile der Nutzungs- und Datenschutzbedingungen Facebooks für unzulässig.

Vor allem die Voreinstellungen im Privatsphäre-Bereich des Sozialen Netzwerkes wurden bei der Klage der Verbraucherschützer hinterfragt. Das Landgericht erklärte insgesamt fünf der monierten Voreinstellungen für unwirksam. Es sei nicht gewährleistet, dass diese vom Nutzer überhaupt zur Kenntnis genommen werden, so das Urteil. Rechtswidrig ist demnach, dass in der Facebook-App für Mobiltelefone ein Ortungsdienst in den Voreinstellungen aktiviert wird, der Chat-Partnern den eigenen Aufenthaltsort verrät. Ebenso wie die Voreinstellung, dass Suchmaschinen grundsätzlich einen Link zur Chronik des Teilnehmers erhalten.

Außerdem erklärten die Richter acht Klauseln in den Nutzungsbedingungen für unwirksam. In dem Kleingedruckten müssen sich die Facebook-Anwender bislang etwa damit einverstanden erklären, dass der Konzern die Namen und das Profilbild der Nutzer „für kommerzielle, gesponserte oder verwandte Inhalte“ einsetzen durfte. Mit solchen vorformulierten Erklärungen könne aber keine wirksame Zustimmung zur Datennutzung erteilt werden, heißt es in dem Urteil. Außerdem sei die Klausel, mit der sich Nutzer verpflichten, auf Facebook nur ihre echten Namen und Daten zu verwenden, ebenso unwirksam, urteilte das Landgericht. „Anbieter von Online-Diensten müssen Nutzern auch eine anonyme Teilnahme, etwa unter Verwendung eines Pseudonyms, ermöglichen“, sagt VZBV-Referent Dünkel. „Das schreibt das Telemediengesetz vor.“

Facebook legte gegen das Urteil Berufung ein und verwies in einer Stellungnahme darauf, dass sich die Produkte und Richtlinien von Facebook seit Beginn des Verfahrens im Jahr 2015 sehr verändert hätten. Außerdem nehme man 2018 angesichts der bevorstehenden Gesetzesänderungen weitere Änderungen an den Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien vor. Doch obwohl das Urteil wegen der Berufung noch nicht rechtskräftig ist, darf es dennoch als richtungsweisend bezeichnet werden.

Neues EU-Datenschutzgesetz setzt Facebook Grenzen

Dass Facebook Änderungen an den AGB und den Datenschutzrichtlinien derzeit plant, rührt natürlich nicht von gutem Willen her – sondern ist eine Konsequenz des Drucks aus Europa. Ab Mai 2018 gelten erstmals europaweit einheitliche Datenschutz-Bestimmungen: die sogenannte europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Offiziell sind die Regeln bereits am 25. Mai 2016 in Kraft getreten, die EU-Mitgliedstaaten müssen die DSGVO jedoch erst ab dem 25. Mai 2018 anwenden.

Das neue Gesetz enthält einige Passagen, die genau das in einen Gesetzestext gießen, was viele Daten- und Verbraucherschützer bei Facebook verhindern wollen. Die DSGVO untersagt grundsätzlich den Umgang mit personenbezogenen Daten, es sei denn eine andere gesetzliche Vorschrift oder eine klare Einwilligung des Betroffenen erlauben es. Unternehmen müssen demnach die Einwilligung von Verbrauchern durch eine freiwillige, gut informierte und eindeutige Handlung einholen. Das kann beispielsweise das Anklicken eines Kästchens sein. Anders als bislang ist ein stillschweigendes Einverständnis etwa durch ein standardmäßig angekreuztes Kästchen keine klare Einwilligung. Gerade damit hatte Facebook sich in der Vergangenheit das Einverständnis vieler uninformierter Nutzer gesichert. Dies muss aber bald der Vergangenheit angehören.

Zudem bekommen Verbände, wie zum Beispiel Verbraucherschutzorganisationen eine Art abstraktes Klagerecht, wodurch sie in der EU auch ohne konkrete Betroffene gegen Datenschutz-Verstöße in AGB vorgehen können. Das war bislang nicht möglich. Das sind deutliche Fortschritte für den Datenschutz in der EU – und für eine Handhabe gegen Datenschutz-Verstöße von Facebook und anderen Unternehmen. Ob die neuen Regelungen tatsächlich etwas ändern, bleibt abzuwarten. Da die nationalen Datenschutzbehörden und Gerichte für die Auslegung zuständig sind, kann diese durchaus variieren und zu abgemilderten Urteilen führen, befürchten Pessimisten. Allerdings dürfte das EU-Gesetz den Druck zumindest erstmals erhöhen. Unternehmen, die sich nicht an die EU-Datenschutzrichtlinien halten, drohen ab Ende Mai Bußgelder von bis zu vier Prozent des weltweiten Vorjahresumsatzes – im Falle von Facebook entspräche das 1,62 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Das Bundesdatenschutzgesetze sah bislang maximal Bußgelder von 300.000 Euro für sehr schwere Verstöße vor.

„Facebook unternimmt bereits umfassende Vorbereitungen, um sicherzustellen, dass unsere Produkte und Services mit der DSGVO in Einklang stehen“, heißt es aus der Europazentrale des Sozialen Netzwerks aus Dublin. „Unser Team überprüft und erweitert unsere Tools, um Nutzern den Schutz ihrer Daten zu erleichtern und ihnen aufzuzeigen, welche Kontrollmöglichkeiten Sie in Bezug auf ihre persönlichen Daten haben.“ Außerdem werde das Datenschutzteam mit Hauptsitz in Dublin erweitert und ein Datenschutzbeauftragter eingestellt. Überrascht aber auch nicht – denn auch die Verpflichtung zur Einstellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist im DSGVO festgeschrieben, wenn das Geschäftsmodell des Unternehmens im Kern auf der Verarbeitung personenbezogener Daten beruht.

Eines ist klar: Werden Daten-Affären wie die von Cambridge Analytica öffentlich, leisten sie zusätzlich ihren Beitrag, um auch das Bewusstsein für das Problem mit der (ungewünschten) Datennutzung zu stärken. Gleichzeitig tut sich etwas, um den rechtlichen Druck auf Unternehmen wie Facebook zu erhöhen. Die EU-Gesetzesgrundlagen werden nun schärfer – und die Möglichkeiten für Verbraucher und Verbände, gegen Verletzungen vorzugehen, einfacher. Ob das ausreicht, wird Facebook uns zeigen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%