Digitalkonferenz DLD Viel Mantra für Optimismus und Mut, aber wenig Aufbruch

Digitalkonferenz DLD: Viel Mantra für Optimismus und Mut, aber wenig Aufbruch Quelle: dpa

Die Münchner Digitalkonferenz DLD will nach Jahren von Skepsis, Selbstzweifel und Pessimismus den Schalter umlegen und eine neue Ära mit positiver Grundstimmung einläuten. Das klingt teilweise arg bemüht.

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Energisch wie immer hat DLD-Mitorganisatorin und Burda-Chefvernetzerin Steffi Czerny gestern die Digitalkonferenz DLD in München eröffnet: „Seid positiv, nicht negativ“, beschwor sie die anwendenden 3000 Besucher in ihrer Ansprache zur Eröffnung geradezu. „Wir benötigen Optimismus und Mut, um die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters auszuschöpfen und die Depression zu bekämpfen.“

Mit ihrer Rede unterstrich Czerny gleich zu Beginn, worum es auf der diesjährigen Burda-Digitalkonferenz gehen sollte: Um die Rückgewinnung einer positiven Grundstimmung und einer gewissen Leichtigkeit, die der Tech-Branche in den vergangenen Jahren spürbar abhanden gekommen waren.

Bereits vor zwei Jahren im Januar 2017 waren – kurz nach der insbesondere für viele Tech-Teilnehmer aus dem Silicon Valley doch sehr überraschenden Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten – erstmals deutlich skeptische Töne auf der sonst vor Zuversicht und Zukunftsglaube strotzenden Veranstaltung zu vernehmen.

Und im vergangenen Jahr rutschte die gesamte Branche wegen des Dreiklangs aus Fake-News, Hassrede und Propaganda vollends ab in eine pessimistische Grundstimmung: „Heute gibt es ein Umfeld aus Skepsis, Angst und Sorge darüber, wie wir operieren. Das ist eine neue Realität und das ist meine, ja unsere Verantwortung, diese Sorge anzusprechen“, gab sich Elliott Schrage, Marketing- und Politik-Chef von Facebook, im Januar 2018 geläutert.

Das war offenbar genug der Selbstkritik und Besinnung – und soll in diesem Jahr anders werden. Passenderweise hat sich die DLD für ihre fünfzehnte Auflage seit der Gründung im Jahr 2005 das Motto „Optimismus & Mut“ verschrieben. Auch beim Setting geht Burda neue Wege: Statt wie in den Vorjahren im engen HVB-Forum im Herzen von München findet die Show der digitalen Elite erstmals im Alten Kongresshalle nördlich der Theresienwiese statt.

Yossi Vardi, Unternehmer und Investor aus Israel, der seit den Anfangstagen der Konferenz 2005 als DLD-Chairman fungiert, griff Steffi Czernys Motto auf, um Simon Peres in seiner Eröffnungsrede zu zitieren: „Optimisten und Pessimisten sterben bei auf dieselbe Art, warum sollte man da nicht besser als Optimist leben?“

Im weiteren Verlauf der DLD beteuerten weitere Redner ihren Optimismus. So wie etwa die Facebook-Top-Managerin Sheryl Sandberg: Die als Chief Operating Officer des weltgrößten Netzwerks arbeitende Sandberg war vor allem nach München gekommen, um Abbitte zu leisten. Die proppevolle Kongresshalle zeigte eindrucksvoll, dass die Tech-Szene genau das von dem angeschlagenen Tech-Flaggschiff Facebook jetzt erwartet.

Abbitte nämlich für all die Negativschlagzeilen rund um Fake News, um Hassrede und nicht zuletzt den Facebook-Datenskandal mit Cambridge Analytica, die das US-Unternehmen in den vergangenen Monaten erzeugt hat. „Die vergangenen Jahre waren für Facebook wirklich schwierig“, räumte Sandberg unumwunden ein. „Wir wissen, dass wir die Daten unserer Nutzer besser schützen müssen und wir uns enorm anstrengen müssen, um das verlorene Vertrauen zurück zu gewinnen.“

Aber auch dabei helfe Optimismus, etwa wenn Facebook – wie von Sandberg zugesagt – enger mit Regierungen weltweit über Regulierung sprechen wolle. Oder, wie ebenfalls am Sonntag angekündigt, Facebook 7,5 Millionen Euro in ein neues, unabhängiges Institut für Ethik in der künstlichen Intelligenz an der TU München investiert. „Wir sind optimistisch, hier voran zu kommen“, beteuerte Sandberg.

„Wir sind nicht dem Untergang geweiht“

Andere Redner griffen das diesjährige DLD-Motto ebenfalls immer wieder bereitwillig auf. Albert Wenger etwa, Investor des Risikokapitalgebers Union Square Ventures mit Hauptsitz in New York. Wenger räumte zwar zunächst ein, dass es durchaus Gründe für die derzeitige Depression gebe, etwa wegen des sich verstärkenden Klimawandels oder dem Fake-News-Problem in den sozialen Netzwerken.

Er sei dennoch optimistisch, dass man diese Probleme in den Griff bekommen könne. Als das Ozonloch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer größer wurde, habe die Menschheit beherzt reagiert und die schädlichen FCKW-Gase weltweit verbannt. Mittlerweile schließe sich das Ozonloch Jahr für Jahr immer weiter. „Das zeigt: Wenn man an einem Strang zieht und zusammenarbeitet, kann man selbst solche Negativtrends umkehren. Ich glaube, dies kann auch beim Klimawandel gelingen.“

Ähnlich seine Haltung bezüglich Hassrede und sozialen Netzwerken: Selbst in den USA glaube mittlerweile eine Mehrheit der Menschen, dass die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley zu mächtig geworden seien. „Die gute Nachricht: Wenn es öffentlichen und politischen Druck gibt, wie beim Thema Fake News, dann bewegen sich auch Unternehmen wie Facebook oder Twitter auf einmal.“

Seine Zusammenfassung: „Wir sind nicht dem Untergang geweiht, so lange wir optimistisch sind“, beschwor auch Wenger die Zuhörer im großen Saal der Alten Kongresshalte. Schließlich sorge erst Optimismus für den notwendigen Mut, um Innovationen und Fortschritt voranzutreiben. Und diese wiederum bewahrten einen davor unterzugehen.

Das ist gewissermaßen ein Fortschritts-Perpetuum-Mobile – so lange man nur positiv in die Zukunft blickt. Da wundert es nicht, dass die Mantra-hafte Beteuerung von Optimismus und Mut auf der diesjährigen DLD schon fast wie das Pfeifen der Digitalszene im Walde daherkamen. Wirklicher Aufbruch klingt jedenfalls anders.

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