Hightech-Industrie Chipmangel trifft Weltmarktführer

Bosch-Chips aus Dresden: Mitarbeiterin im Schutzanzug in der neuen Halbleiterfabrik Quelle: dpa

In Dresden hat Bosch die erste deutsche Chipfabrik seit 20 Jahren eröffnet. Es ist höchste Zeit. Nach den Autobauern können jetzt auch einige deutsche Maschinenbauer wegen des Chipmangels nicht ausliefern.

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Das Unternehmen Sick aus Waldkirch bei Freiburg produziert Sensoren – und wird oft in einem Atemzug genannt, wenn Ökonomen von den Hidden Champions reden, den heimlichen Stars der deutschen Wirtschaft. Sick vernetzt Fabriken weltweit mit dem Internet: Jeder Sensor, jede Maschine und alle involvierten Menschen können jederzeit untereinander und miteinander kommunizieren – über die Clouds werden Produktionsdaten im Livebetrieb hin und her geschickt und analysiert.

Damit die Sensoren funktionieren, braucht das Unternehmen Chips. Nun wird Sick von einem heftigem Mangel der Halbleiter erwischt. „Derzeit beobachten wir auf dem Beschaffungsmarkt für Elektronik eine deutliche Verlängerung der Lieferzeiten“, sagt Unternehmenschef Robert Bauer. „Bislang hat unser Bestandsmanagement die Versorgung gut gesichert, aber es zeichnet sich eine allgemeine Knappheit ab.“

Nach der Autoindustrie trifft der Chipmangel damit nun auch deutsche Mittelständler. Daimler, Audi und Ford haben die Produktion für einzelne Modelle bereits teilweise gestoppt. Andere Hersteller ersetzen digitale Tachos vorübergehend mit analogen Tachos, um Neuwagen immerhin ausliefern zu können und später nachzurüsten. 

Weil auch klassische Maschinen und Anlagen immer mehr Rechenleistung benötigen und über das Internet mit anderen Maschinen vernetzt sind, rückt nun auch der klassische Maschinenbau in den Fokus. Auch dort werden Chips immer wichtiger – und zu einer Schlüsselkomponente. 

So schickt Sick bereits eine Task-Force aus Einkäufern, Disponenten und Entwicklern ins Rennen. Sie seien „in engem Austausch mit Halbleiterlieferanten weltweit, um die Sensorproduktion trotz Materialengpass weiterhin stabil zu halten“, sagt Firmenchef Bauer. Das Unternehmen, das im vergangenen Jahr rund 1,7 Milliarden Euro machte und sich vergleichsweise gut durch die Coronakrise manövrierte, muss sich nun offenbar auf die nächste Herausforderung einstellen. 

Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) bestätigt, dass der Chipmangel in der Branche „ein Thema“ sei. Noch seien die Stückmengen bei den allermeisten Mitgliedern zu klein, um sich Sorgen machen zu müssen. Die meisten Firmen verfügten entweder über einen hohen Lagerbestand oder alternative Bezugsquellen. Die Lage sei aber durchaus „heterogen“, heißt es beim VDMA. Es habe schon einzelne Unternehmen gegeben, „die Maschinen nicht ausliefern konnten“, weil Chips wichtige Steuerfunktionen übernehmen und ausgerechnet die fehlen würden, bestätigt ein VDMA-Sprecher. 

Die Politik ist sich der wachsenden Bedeutung der Halbleiterindustrie für den deutschen Standort bewusst. Bosch hat am Montag in Dresden seine neue Chipfabrik eröffnet – seit fast 20 Jahren der erste komplette Neubau eines Halbleiterwerks in Europa. Bosch sieht sich als Spezialfertiger, der ausschließlich für Autokomponenten produzieren will. Die Autochips sollen etwa Airbags im richtigen Moment auslösen. 

Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Fabrikneubau einschließlich einer 300-Millimeter-Fertigungslinie von Siliziumscheiben (Wafer) mit rund 140 Millionen Euro gefördert. Die Fabrik ist Teil des europäischen Förderprogramms „Important Project of Common European Interest (IPCEI)“, das strategisch wichtige Industrien für den Kontinent wie die Mikroelektronik im Blick hat. 

Bosch investiert rund eine Milliarde Euro. In der Waferfabrik sollen künftig Chips der neuesten Generation für unzählige Hightech-Anwendungen produziert werden. „In Dresden beginnt heute eine neue Ära der Mikroelektronik“, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. „Eine starke Mikroelektronikindustrie in Deutschland ist notwendig, damit wir bei Zukunftstechnologien wie 5G, Künstlicher Intelligenz, automatisiertem Fahren vorn mit dabei sind.“

Auch in Waldkirch dürfte die Entwicklung in Sachsen aufmerksam beobachtet werden. Zusammen mit dem Maschinenbauer Trumpf arbeitet Sick bereits an der nächsten Generation von Sensoren: den Quantensensoren. Sie ermöglichen „hochpräzise Messungen“, heißt es bei den Unternehmen, - und dürften die Nachfrage nach Computerchips noch einmal anheizen. 

Mehr zum Thema: US-Konzerne schienen die Konkurrenz beim Bau von Quantencomputern abgehängt zu haben. Doch neue Rechnertypen und Prozessordesigns ändern alles: Der nächste Quantensupercomputer kommt aus Deutschland.

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