Musk stoppt Übernahme Die geplatzte Twitter-Übernahme ist ein Segen

Quelle: imago images

Für Elon Musk wird die Absage der 44 Milliarden Dollar Übernahme teuer. Doch der Preis könnte viel höher sein und sein Vermächtnis gefährden.

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Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Silicon-Valley-Seifenoper, die seit Ende April nicht nur die Tech-Branche, sondern auch die Wall Street und die Politik in Atem hält. Hauptakteur Elon Musk wählte einen Freitagnachmittag, um die seit längerem vermutete Bombe platzen zu lassen. Er will den Kurznachrichtendienst Twitter nun doch nicht mehr kaufen.

Bislang wurde darüber spekuliert, dass Musk einfach nur geschickt den ursprünglich vereinbarten Preis von 44 Milliarden Dollar drücken wollte. Im Abrutschen der Börsen war auch die Twitter-Aktie abgesackt. Am Freitag war sie zum offiziellen Handelsschluss nur noch 28 Milliarden Dollar wert. Danach rutschte sie auf 26,4 Milliarden Dollar. Behält Wedbush-Analyst Dan Ives recht, dann könnte sie am Montag regelrecht abstürzen – auf einen Kurs zwischen 25 und 30 Dollar. Das würde nur noch 19 Milliarden Dollar beziehungsweise 23 Milliarden Dollar entsprechen. Eine gigantische Kapitalvernichtung also.

Das Gerangel um Twitter, so Ives, habe zudem wie eine dunkle Wolke auch über Tesla gehangen. Die Wall Street sei erleichtert, „dass dieses dunkle Kapitel für den Moment vorbei sei.“

Der Grund für Musks Absage, so sein Anwalt Mike Ringler: Twitter liefere seit fast zwei Monaten nicht die notwendigen Informationen, um beurteilen zu können, wie stark der Kurznachrichtendienst mit gefälschten beziehungsweise Spam-Konten versetzt sei. Twitters Manager meinen, es seien nicht mehr als fünf Prozent. Musk hingegen geht von bis zu 25 Prozent aus. Das macht Twitter in seinen Augen weniger wertvoll.

Aber allen Beobachtern ist klar, dass dies nur eine Ausrede ist. Denn Musk als eifriger Twitter-Nutzer war das Problem der gefälschten Konten bekannt, als er sich ohne Prüfung der Geschäftsunterlagen auf einen Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar einließ.

Er wird nun mit Sicherheit behaupten, dass er erst durch die Übernahmeofferte an die nötigen Daten gelangen konnte. Das ändert allerdings nichts daran, dass er schon damals von Konten-Trickserei ausgehen musste. Schließlich war ein wichtiger Bestandteil seiner Strategie, diese durch Authentifizieren auszumerzen. Wenn das Problem bei Twitter tatsächlich nur fünf Prozent ausmacht, wäre das ein Argument, dass der Kurznachrichtendienst sogar werthaltiger ist.

Das werden nun die Anwälte klären müssen. Verwaltungsratschef Bret Taylor, im Hauptberuf Co-CEO von Salesforce, stellte umgehend klar, „rechtliche Schritte einzuleiten, um die Fusionsvereinbarung durchzusetzen“. Und zwar zum ursprünglich vereinbarten Preis. Das bedeutet, dass Taylor sich nicht mit einer Vertragsstrafe von einer Milliarde Dollar zufriedenstellen wird. Er zielt auf den gesamten Preis. Seine Anwälte werden argumentieren, dass Musk sich wie ein Elefant im Porzellan-Laden aufgeführt und Twitter schweren Schaden zugefügt habe. Wichtige Manager wie der Produkt- und Verkaufsschef suchten im Übernahmepoker das Weite. Twitter-Chef Parag Agrawal konnte nur noch das Tagesgeschäft am Laufen halten und keine weitreichenden Pläne schmieden, weil klar war, dass Musk alles umwerfen werde.

Für Musk wird es teuer werden , auch wenn es ihn keine 44 Milliarden Dollar kosten wird. Zwingt man ihn, Twitter zu übernehmen, kann er den Kurznachrichtendienst immer noch weiterverkaufen. In der Vergangenheit hatte unter anderem Salesforce-Gründer Marc Benioff großes Interesse bekundet.

Wahrscheinlich ärgert sich Musk nicht nur über den aus seiner Sicht zu hohen Kaufpreis – die Milliarden kann er besser bei seinen Flaggschiffen Tesla oder Space X einsetzen, wenn diese bei einer Rezession in einen Sturm geraten. Musk hat wohl auch unterschätzt, welche Gefahr Twitter für ihn selbst, sein Image und seine Effizienz bedeutet.

Selbst wenn er einen Manager oder eine Managerin seines Vertrauens dort als Unternehmenschef eingesetzt hätte, in der Öffentlichkeit wäre der als Mikromanager bekannte Musk für jede Entscheidung verantwortlich gemacht worden. Und damit auch für Amokläufe oder politische Unruhen. Dass sich dieses Risiko auch nicht durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz oder gar Moderatoren unterbinden lässt, diese Erfahrung hat Meta-Chef Mark Zuckerberg bereits gemacht – inklusive regelmäßiger Todesdrohungen gegen sich und seine Familie. Ganz abgesehen von der heißen Kartoffel, ob man den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wieder Zugriff auf Twitter als Sprachrohr geben sollte.

Hinzu kommen noch die Zweifel, ob Musk sich mit seinen ständig wechselnden Launen und verbalen Ausfällen charakterlich als Besitzer einer einflussreichen Medienmarke eignet, die viel politisches Geschick und Fingerspitzengefühl erfordert.

Für Musk könnte das Platzen des Twitter-Deals ein Segen sein. Denn es wäre ein undankbarer Knochenjob gewesen. Kann er sich noch einen weiteren leisten? Tesla ist zwar der wertvollste Autohersteller der Welt und hochprofitabel. Aber es bedeutet nicht, dass dies so bleiben muss. Gerade jetzt, wo die gesamte Autobranche sich auf Tesla als Zielscheibe eingeschworen hat. Volkswagen-Chef Herbert Diess spekuliert bereits, dass Musk sich zu sehr verausgabe, weil er gleichzeitig zwei große Werke in Austin und Grünheide hochfahre, inklusive der damit verbundenen Kosten. Außerdem lauert da noch der Ärger mit der US-Verkehrsaufsichtsbehörde NHTSA, die ihm sein Fahrassistenzsystem Autopilot stärker regulieren und letztlich das an Tesla-Käufer gegebene Versprechen des autonomen Fahrens unterbinden könnte. Kommt es dazu, werden viele Käufer Geld zurückverlangen und sich Sammelklagen anschließen. Bei fast zwei Millionen ausgelieferte Fahrzeugen sind das keine Peanuts.

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Bei seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX steht Musk auch in der Pflicht. Das sei, hat er einmal erzählt, seine eigentliche Passion. Dort wird seine Aufmerksamkeit gebraucht, damit die Weltraumagentur NASA ihre Astronauten auf dem Mond landen kann. Das ist auch aus sicherheitspolitischen Gründen wichtig, denn es geht auch um ein Wettrennen zwischen China und Russland um die Vorherrschaft im All. Klar, eine funktionierende Demokratie ist noch wichtiger als erneuerbare Energien oder Raumfahrt. Aber Politik, das ist nicht wirklich Musks Stärke.

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