Nokias schwieriges Comeback Das Phone aus der Asche

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Umsatz nur mit Retrogeräten

Zumal das Partnermodell das Gegenteil dessen ist, wofür Nokia einst stand: Als Mobilgeräte noch vorrangig zum Telefonieren benutzt wurden, stand die Firma für ausgefeiltes Design, unzerstörbare Technik und ausgezeichnete Ingenieurkunst aus einer Hand. Unvergessen das Massenmodell 3310 oder der Communicator – das erste Massenhandy mit vollständiger Buchstaben-Tastatur. Dazu gab es wechselbare Cover, Akkus und Tastaturen. Damals kursierten Videos von Nutzern, die ihr Gerät im Klo versenkten und anschließend problemlos damit ein Ferngespräch führten. Nokia: Das war ein schick verpacktes Qualitätsversprechen.

Dann wurden Smartphones erfunden. Und Nokia, 14 Jahre lang größter Handyhersteller der Welt, verlor erst sein Gespür für die sich ändernden Kundenwünsche und dann, 2012, seinen Verkaufsspitzenplatz an Samsung. Es folgte ein Absturz in die Bedeutungslosigkeit. 2014 kaufte Microsoft die Handysparte der Finnen – für sechs Milliarden Dollar. Doch auch der Weltkonzern aus Redmond hatte keine Idee für die Marke. Im Dezember 2016 kam der Weiterverkauf an HMD für nur noch 350 Millionen. Es war die Kapitulation vor der neuen Realität.

Rantala und Seiche, der ein Jahr später als Präsident zu HMD kam, stellen dem nun ein radikal neues Geschäftsmodell entgegen. Sie haben sich nicht nur Partner für ihre Smartphone-Produktion gesucht, sie wollen auch mit einfachen Tastentelefonen, sogenannten „Feature Phones“, die Verluste aus dem umkämpften Smartphone-Geschäft kompensieren. Dazu wurden zwei Designklassiker der Nokia-Boomjahre wieder aufgelegt: das 3310 und das 8110. Vor allem in Schwellenländern wie Indien, China oder Afrika kommen sie gut an. In der Fertigung kosten sie ein paar Euro.

Absatzstärkste Smartphone-Hersteller in Europa

Trotzdem kann Nokia dank des guten Namens Verkaufspreise von bis zu 90 Euro durchsetzen. Eine Marge, von der selbst Apple träumt – erreicht mit Telefonen, die zwar den berühmten Klingelton und die Optik des Klassikers haben, außer Telefonie, SMS und dem Tastenspiel Snake aber nicht viel mehr beherrschen. Die Erstauflage des neuen 3310 etwa war derart gefragt, dass Fans im Netz über Wochen Listen mit all jenen Händlern führten, die jeweils frische Lieferungen des Retrofons erhalten hatten. „Wir haben einen richtigen Fanclub da draußen“, sagt Nokia-Manager Rantala. „Das hilft. Wir investieren die Gewinne aus diesem Geschäft in unser Smartphone-Business.“

Vom Konzern war nichts mehr übrig

Das dürfte stark untertrieben sein. Zwar versichert das Management, auch ohne „Feature Phones“ überleben zu können. Tatsächlich aber machen sie den allergrößten Teil der 1,8 Milliarden Euro Umsatz aus. „Bis heute stammen rund 90 Prozent des Geräteverkaufs aus dem Geschäft mit klassischen Tastentelefonen“, sagt Annette Zimmermann, Mobilfunkspezialistin beim Marktforscher Gartner. So stark Nokia auch im ersten Jahr gewachsen sein mag – dass die Rückkehr ins Smartphone-Geschäft wirklich dauerhaft gelingt, muss sich ihrer Ansicht nach erst noch erweisen. Eine relevante Größe seien die Finnen erst wieder, wenn sie dauerhaft mehr als zehn Millionen Smartphones pro Jahr verkauften. Zimmermann hält das zwar für möglich, „aber angekommen sind sie noch nicht“.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr schrieb HMD stattdessen 65 Millionen Euro Verlust. Zwar soll schon Ende dieses Jahres das erste Mal ein Gewinn stehen. Doch ob das klappt? „Gerade in der Mittelklasse, in die Nokia stark drängt, bieten andere Hersteller mit chinesischer Fertigung attraktivere Geräte für weniger Geld“, sagt Zimmermann. Dass die Finnen ihre Geräte allein über den Markennamen teurer verkaufen können, bezweifelt sie. Damit die Smartphones wieder zum Erfolg würden, müsste Nokia noch etwas am Preis machen „und bei der Vermarktung stärker auf coole Funktionen setzen“.

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