Nokias schwieriges Comeback Das Phone aus der Asche

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Die einstige Fangemeinde begeistern

Was wie eine Plattitüde klingt, dürfte für Nokia tatsächlich überlebenswichtig sein. Apple oder Samsung können Trends setzen, ungeahnte Bedürfnisse bei den Kunden erst kreieren – und dafür horrende Preise durchsetzen. Nokia aber hat – da sind sich viele in der Branche einig – nur dann eine Chance, wenn es gelingt, die einstige Fangemeinde für die Marke zu begeistern.

Angetreten sind Rantala und Seiche dafür mit einer Mannschaft, die zu drei Vierteln aus ehemaligen Nokia-Mitarbeitern besteht. Sie, so die Hoffnung, lieben ihre Firma, wissen um die Kraft der Marke und die Wünsche ihrer Fans. Daran gemessen allerdings sind die ersten neuen Smartphones ziemlich austauschbar geraten. Abgesehen vom aktuellen Top-Modell Sirocco, das an Samsungs Spitzenhandys der Galaxy-Serie erinnert, kommen die übrigen Telefone völlig unspektakulär daher. Mehr als neun verschiedene Smartphone-Modelle verkauft Nokia aktuell, hat 20 Telefone in 18 Monaten auf den Markt geworfen. Sie alle könnten auch von Microsoft kommen. Und tatsächlich lagen die Entwürfe schon vor der Nokia-Übernahme durch HMD in der Schublade der Designer.

Die Vorteile des neuen Nokia, beteuern die HMD-Manager gerne, lägen ohnehin unter der Hülle: Anders als die Konkurrenz programmiert Nokia für das Betriebssystem Android keine eigene Oberfläche, sondern übernimmt direkt die von Google gelieferte Version. Das spart nicht nur enorme Entwicklungskosten, sondern garantiert den Kunden auch ständig Aktualisierungen der Software und – wichtiger noch – andauernde Sicherheitsupdates von Google aus der Zentrale in Mountain View. Während die Konkurrenz dafür oft lange braucht, gibt Nokia Neuerungen im Monatsrhythmus an die Kunden weiter. Vor allem bei Großabnehmern wie SAP, die ihre eigene Software auf die Geräte spielen, kommt das gut an. Zumal die Nokia-Telefone meist einige Hundert Euro billiger sind als die der Wettbewerber.

Um die Kosten zu senken, hält HMD die zentralen Abteilungen der Firma klein. Das Designressort etwa besteht nur aus einer Handvoll Leuten, den Vertrieb stemmen einige Dutzend Mitarbeiter. Statt Marketingmanagern sollen die eingeschworenen Fans für die Marke arbeiten, mittels Mundpropaganda die Comeback-Geschichte verbreiten und Verbesserungswünsche per App an Nokia melden. Vor allem aber hat HMD ein sogenanntes „Partnermodell“ entwickelt, bei dem nahezu alles zugekauft wird: Die Netzwerktechnik kommt von Qualcomm, die Plattform vom chinesischen Konzern Foxconn, der gleichzeitig wichtigster Anteilseigner ist. Das Betriebssystem Android schließlich liefert Google, wo man froh ist, mit Nokia einen Partner gefunden zu haben, der die pure und schnörkellose Version auf Millionen Telefone spielt. „Wir sind mit HMD die erste und weitgehendste Partnerschaft dieser Art eingegangen, weil wir an den Markennamen glauben“, sagt Richard Turner, der bei Google die Kooperationen verantwortet. Und HMD-Präsident Seiche sagt, man habe gelernt, nicht alles selbst machen zu müssen: „Wir brauchen die Partnerschaften absolut. Ich glaube, dass wir in diesem Markt nur so eine Chance haben: wenn wir uns zeitgemäß organisieren.“

Das natürlich ist nicht neu. Globalisierung bedeutet Arbeitsteilung. Die Autoindustrie etwa könnte ohne Zulieferer heute gar nicht existieren. Nur entwickeln und fertigen Daimler, BMW oder VW das Herzstück ihrer Autos noch immer selbst: den Verbrennungsmotor. Auch wenn dieser gerade in einer schweren Krise steckt – die eigene Produktion sichert den Konzernen doch den ständigen Zugriff auf Innovation, Qualität, am Ende technische Überlegenheit und Gewinne. HMD liefert bei Nokia aber nurmehr den Markennamen. Und erinnert daher eher an Grundig oder AEG, längst untergegangene Unternehmen, die als Handelsmarken weiter existieren. Nokia ist bei allen Entwicklungsschritten auf die Partner angewiesen. Wollen die irgendwann ihr Know-how nicht mehr mit dem kleinen Mobilfunk-Start-up teilen, haben die Finnen ein großes Problem.

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