Samsung Das Wunder von Seoul

Ein Debakel mit brennenden Handys, der Vizevorsitzende sitzt im Gefängnis – und der Samsung-Konzern boomt trotzdem? Die Lösung des koreanischen Rätsels hat auch mit deutschen Ingenieuren zu tun.

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Läuft (noch) gut: Samsung ist Südkoreas wertvollster Konzern. Selbst das Desaster mit dem brennenden Galaxy Note 7, dem Vorgänger des hier beworbenen Note 8, trübte nicht die Bilanz. Quelle: AP

Es ist noch gar nicht lange her, da jettete Lee Jae-yong im Privatflieger von Kontinent zu Kontinent. Und wenn er dann doch mal zu Hause in Seoul war, fuhr er in seinem Ferrari durch die Stadt. Inzwischen ist die Welt des Samsung-Erben und Vizekonzernvorsitzenden auf 6,5 Quadratmeter geschrumpft: In seiner Einzelzelle im Gefängnis muss sich Lee seit einer spektakulären Verurteilung am 25. August mit Futon, Tisch, Stuhl, Waschbecken, Toilette und Fernseher begnügen. Einen Computer oder ein Smartphone gibt es hier nicht, immerhin darf der 49-Jährige mehrmals täglich mit seinen Anwälten die Strategie für sein Berufungsverfahren beraten. Dies wird im September beginnen, der genaue Termin steht noch nicht fest. Nur eines ist sicher: Lees neuer Chefanwalt soll dafür sorgen, dass die fünfjährige Haftstrafe, die der Samsung-Obere wegen Bestechung und anderer Vergehen erhielt, aufgehoben wird.

Privilegien genießt der Mann im Gefängnis offenbar nicht, Besuch ist nur für 30 Minuten am Tag erlaubt. Das ist insofern erstaunlich, als dass die Lees immer die mächtigsten Unternehmer Südkoreas waren. Kein Ziel schien zu hoch gegriffen für den Clan, alles machbar für die angriffshungrigen Samsung-Herrscher. Ein Viertel des gesamten Bruttosozialproduktes Südkoreas erwirtschaftet das Lee-Imperium, zu dem auch Computerchips, Versicherungen, ein Freizeitpark, Werbeagenturen, Elektrobatterien und Schiffswerften gehören.

Doch nun steht die Dynastie zum ersten Mal in ihrer Geschichte ohne ein Familienmitglied im Führungsgremium da; Junior Jae-yong sitzt eben im Gefängnis, und Patriarch Kun-hee hat sich nach einem nie bestätigten Herzinfarkt vor drei Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Im vergangenen Jahr erlitt Samsung Electronics, das internationale Vorzeigegeschäft der Lees, zudem den größtmöglichen Image-Gau, als seine Flaggschiff-Smartphones explodierten.

Das Unternehmen aber eilt von Rekord zu Rekord, überflügelt selbst den ewigen Konkurrenten: Im vergangenen Quartal verdiente Samsung Electronics mit 8,7 Milliarden Euro erstmals mehr als Apple. Und das neu vorgestellte Handy, das Galaxy 8, ist ein mit neuesten technischen Raffinessen ausgestatteter Alleskönner, der auch für die neue iPhone-Jubiläumsausgabe X eine Bedrohung ist. Erfolg mitten in der Führungskrise, das Mysterium lässt sich aufklären: Bei der Behebung des Problems mit den brennenden Handys halfen nicht zuletzt deutsche Ingenieure. Und der Konzern ist straff organisiert, Hierarchien so zementiert, dass er im Autopilotmodus funktioniert, einer Armee von aggressiven Duracell-Häschen gleich.

Das sind die innovativsten Unternehmen der Welt
48. Platz: BayerDas führende private Wirtschaftsforschungsinstitut der Schweiz, Bakbasel, hat mit Hilfe des Schweizer Patentamts und dessen globalen Datensätzen die Qualität der weltweiten Patente gemessen – und nach Regionen, Ländern und Unternehmen gerankt. Bayer hat insgesamt 2830 solcher Weltklassepatente. Die Leverkusener fokussieren sich immer stärker auf pharmazeutische Produkte. Der Chemieanteil wird dementsprechend kleiner. Quelle: Bakbasel, IGE Quelle: REUTERS
45. Platz: VolkswagenDie Wolfsburger sind mit 3037 Patenten der innovativste Autobauer, wenn es um Weltklassepatente geht. Aber die Nummer eins ist VW nur in Deutschland. Andere Hersteller wie Toyota, Nissan, Honda, ja sogar GM und Ford haben sehr viel mehr Weltklassepatente, als Volkswagen. Quelle: REUTERS
43. Platz: ContinentalReifen sind noch immer das Brot-und-Butter-Geschäft des Autozulieferers. Doch Continental hat sich frühzeitig auf hoch-elektronische Systeme rund ums Auto konzentriert und mischt beim autonomen Fahren, den Hybrid- und Elektroantrieben und der wichtigen Batterietechnik mit. Zahl der Weltklassepatente: 3169. Quelle: dpa
33. Platz: SiemensDer Münchener Elektronikkonzern meldet zwar deutschlandweit die meisten Patente an, ist aber mit 4356 Patenten auf Weltklasseniveau „nur“ die Nummer drei in Deutschland. Quelle: dpa
22. Platz: BASFDer Chemiehersteller hat seinen Schwerpunkt in der branchenübergreifenden Grundchemie und entwickelt neue Materialen beispielsweise in der Batterietechnik, der Carbon- und Nanotechnologie. Mit 5076 Weltklassepatenten ist BASF die Nummer zwei in Deutschland. Quelle: AFP
10. Platz: BoschInnovativstes europäisches Unternehmen ist Bosch mit 8827 Weltklassepatenten. Der Zulieferer dominiert nicht nur in der Automobilindustrie, beispielsweise mit Benzin-Einspritzpumpen und optischen Sensoren, wie sie in Windschutzscheiben eingebaut werden, sondern auch in der Vernetzung von Haus (Smart House) und Städten (Smart City), bei Haushaltsgeräten wie Kühlschränken und Waschmaschinen. Weit vorne mischt Bosch auch in der Batterieforschung mit, etwa bei Systemen, die sich im laufenden Betrieb austauschen lassen. Quelle: REUTERS
9. Platz: IntelDer Halbleiterhersteller ist vor allem durch seine PC-Microprozessoren bekannt – der Weltmarktanteil liegt bei 80 Prozent. Intel stellt Microchips für Computer her, zum Beispiel Chipsätze für Mainboards, WLAN und Flash-Speicher. Zahl der Weltklassepatente: gut 9000. Quelle: dpa

Lee Jae-yong ist ein hagerer Mann mit Seitenscheitel und randloser Brille, der in Harvard studiert und viel Zeit im Ausland verbracht hat. Eigentlich sollte er den Bestand der Familienhistorie garantieren, indem er die Modernisierung vorantreibt. Stattdessen wurde Südkorea aus dem Verhandlungssaal 417 im Bezirksgericht von Seoul in den vergangenen Monaten wöchentlich mit peinlichen Details über seine Führungsfehltritte versorgt: wie Lee Regierungsbeamte bestach, um eine Fusion voranzutreiben. Wie er der Tochter einer Freundin von Expräsidentin Park Geun-hye ein umgerechnet 670.000 Euro teures Rennpferd spendierte.

Vor allem aber: Wie er 31 Millionen Euro an eine Stiftung der inzwischen zurückgetretenen Präsidentin überwies, damit diese per Gesetz dafür sorge, dass seine Anteile bei der Fusion nicht verwässert würden.

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