Wer wissen will, wie es um Facebook bestellt ist, sollte vielleicht eine Volkshochschule besuchen. In den Weiterbildungszentren der Republik werden Algebra, Spanisch und Nordic Walking gelehrt – aber auch der Umgang mit dem Sozialen Netzwerk. In Kursen für Frauen und Senioren, auf Deutsch und auf Türkisch.
Falls es eines Beweises bedurft haben sollte: Facebook ist fester Teil der Alltagskultur. Heute, an seinem 10. Geburtstag, nutzen rund 27 Millionen Deutsche den Dienst, weltweit sind 1,23 Milliarden Menschen auf der Plattform aktiv, rund die Hälfte der gesamten Internet-Population.
In dieser kurzen Zeit hat sich Facebook stärker gewandelt als mancher traditionsreiche Industriekonzern: Einst ein geschlossener Club für Studenten an Elite-Unis, ist Facebook heute ein weltumspannendes Netzwerk, das auch Eltern und Großeltern für sich entdeckt haben. Einst ein Projekt mit sozialer Mission, betont das Unternehmen heute die Profitaussichten. Einst gebunden an den Browser, ist Facebook heute einer der beliebtesten Apps für Smartphone und Tablet. Diese Wandelbarkeit war der Schlüssel für den Erfolg – und sie bleibt es auch.
Facebook ist so groß geworden, weil es ein Versprechen einlöst: Es ist Ort, wo sich schüchterne Kommilitonen näher kommen. Wo die Oma die Urlaubsfotos vom Enkel sieht. Wo Fans Informationsbrocken von ihren Fußball- oder Musik-Stars bekommen. Wo sich Demonstranten verabreden können.
Doch diese Popularität hat eine Kehrseite: Einige Studien lassen vermuten, dass gerade jüngere Nutzer sich lieber auf anderen Plattformen austauschen, etwa Snapchat, wo sich die Bilder nach ein paar Sekunden wieder löschen, oder Whatsapp, das trotz Sicherheitsmängeln eher den Eindruck vermittelt, eine geschlossene Gesellschaft zu sein. Facebook zweifelt diese Zahlen an, schlüsselt aber selbst nicht auf, wie viele junge Nutzer auf der Plattform aktiv sind.
„Die Zahlen deuten auf Facebooks Achillesferse hin“, sagt Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg. „Solche Plattformen sind nicht nur Kommunikationsmittel, sondern ein Lebensraum, in dem man sich ausprobiert, streitet, verliebt“, sagt Soziologe Schmidt. „Wenn man damit rechnen muss, dass einem die Mutter auf die Pinnwand schreibt, ist das so, als ob man abends aus der Disco abgeholt wird.“ Anders gesagt: Das will keiner. Unter Jugendlichen verändern sich die Trends ohnehin schnell. So verwundert es nicht, dass jetzt Whatsapp und Snapchat angesagt sind – und nächstes Jahr vielleicht ein anderer Dienst.
Nicht cool, aber ziemlich profitabel
Wer wissen will, wie es um Facebook bestellt ist, sollte vielleicht auch bei einer Investorenkonferenz lauschen. Firmenchef Mark Zuckerberg kommt gleich zur Sache: „Die Nutzung (der Plattform) ist weltweit stark gestiegen und wir sind sehr zufrieden mit dem Wachstum unseres Werbegeschäfts, vor allem auf mobilen Geräten“, sagte Facebook-Chef Zuckerberg im Januar gegenüber mit Analysten. Seine Firma hatte da gerade Quartalszahlen in Rekordhöhe vorgestellt.
Das Geschäftliche im zweiten Satz – das wäre dem Unternehmer im Februar 2012 nicht in den Sinn gekommen. Damals fügte er den Unterlagen zum Börsengang einen offenen Brief an potenzielle Investoren bei. „Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein“, lässt er darin wissen. „Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen – die Welt offener und vernetzter zu machen.“
Facebook gilt als nicht mehr so cool
Auch wenn Facebook unter Jugendlichen vielleicht nicht mehr als cool gilt: Das Unternehmen nimmt das Geschäft ernst. Und weil es so eine große Reichweite hat, ist es eine der wichtigsten Werbeplattformen im Internet geworden. Das hat mit einem zweiten fundamentalen Wandel zu tun, der sich – zufällig oder nicht – zeitgleich abspielte: In den letzten zwei Jahren haben sich die Nutzergewohnheiten rasant verändert. Immer weniger Nutzer loggen sich mit ihrem stationären PC oder Notebook bei Facebook ein, wie es in den Anfangstagen jeder tat; immer mehr öffnen die App auf dem Smartphone oder Tablet-Computer.
Die Smartphone-Revolution hat viele Technologiefirmen überrascht, Microsoft und Intel etwa. Auch Facebook stellte sie vor Probleme: Man habe zwar ein bereits Geschäftsmodell entwickelt, dabei aber nicht das eigentliche Problem angegangen, sagte Zuckerberg der Zeitschrift „Wired“: „Auf Smartphones ist kein Platz für Anzeigen in der rechten Spalte.“
Zuckerberg reagierte mit der ihm eigenen Radikalität: Er dekretierte Anfang 2012, dass Facebook ab nun eine mobile Firma sei. Wenn Mitarbeiter in ihren Präsentationen über PCs statt Smartphones redeten, beendete er Meetings kurzerhand, wie die „Businessweek“ schreibt.
Die Umstellung lief nicht immer reibungslos – die App „Facebook Home“, die den Startbildschirm von Android-Smartphones übernimmt, fand nicht viele Fans. Dennoch lohnte sich die Mühe: Inzwischen erwirtschaftet Facebook etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes (53 Prozent) auf mobilen Geräten, mehr als 1,2 Milliarden Dollar im vergangenen Quartal.
„Wenn 2012 das Jahr war, indem wir unser Kernprodukt zu einem mobilen Produkt gemacht haben, dann war 2013 das Jahr, in dem wir unser Geschäft in ein mobiles Geschäft verwandelt haben“, sagte Zuckerberg den Investoren.
„Nicht alles in eine einzige, blaue App pressen“
Wer wissen will, wie Facebook morgen aussehen wird, sollte auch die Werbung des Sozialen Netzwerks anschauen. Seit ein paar Tagen kursiert der Spot für die Smartphone-App Paper: ein digitales Magazin mit großformatigen Bildern und luftigen Texten. „Wie eine Geschichte erzählt wird, ist so wichtig wie die Geschichte selbst“, heißt es darin.
Paper sieht nicht aus wie ein Facebook-Produkt. Genau deswegen steht die App stellvertretend für die Zukunft des Unternehmens: Das soziale Netzwerk soll künftig für verschiedene Nutzergruppen und Zwecke angepasst werden. Es gebe die unterschiedlichsten Arten, sagte Zuckerberg dem Magazin Businessweek, wie sich die Mitglieder mitteilen wollten. „Sie alle in eine einzige, blaue App zu pressen, ist nicht das richtige Format für die Zukunft.“
Bei einem Hackathon, einer Art Ideensuche, entwickelten die Mitarbeiter 40 Konzepte für neue Anwendungen. Sechs könnten im Laufe des Jahres eingeführt werden, neben Paper ist etwa eine Anwendung für die Facebook-Gruppen angedacht. Gleichzeitig bemüht sich der Konzern um attraktive Newcomer: Er übernahm Instagram und bot für Snapchat. Schon zuvor hatte er selbst mobile Apps entwickelt, etwa den Snapchat-Klon Poke und die Android-Oberfläche Home, beides indes mit wenig Erfolg.
Facebook reagiert damit auf einige Trends, die dem Geschäft mittelfristig schaden könnten. Immer mehr Nutzer tauschen sich über Smartphone-Dienste wie Whatsapp und Snapchat aus – gerade Teenager. Sie alle ersetzen nicht die vielen Funktionen, die das größte Soziale Netzwerk der Welt bietet. Aber zusammengenommen sind sie eine Bedrohung.