Soziales Netzwerk wird 10 Heute ein Facebook – morgen viele Facebooks

An seinem 10. Geburtstag ist Facebook bei Teenagern nicht mehr so beliebt wie früher, dafür umso mehr bei Erwachsenen. Wie das Soziale Netzwerk so groß wurde – und wie es gegen Whatsapp und Snapchat bestehen will.

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Die Geschichte von Facebook
April 2013Mark Zuckerberg stellt die neue Funktion Facebook Home vor. Die Software ist für Android verfügbar und legt sich wie ein Filter zwischen das Google-Betriebssystem und den Desktop. Mit der Installation wird der Facebook-Newsfeed zur ersten Benutzeroberfläche. Ein Angriff auf Google. Quelle: AP
Januar 2013Mark Zuckerberg stellt im Rahmen einer Pressekonferenz das neue Tool "Graph Search" vor. Damit steigt Facebook stärker in die Suche ein. Zuckerberg sieht das Produkt neben "Newsfeed“ (Aktivitäten von Freunden und Bekannten) und "Timeline“ (die eigenen Aktivitäten) als dritten großen Eckpfeiler seines Unternehmens. Mehr zum Thema Quelle: REUTERS
30. Januar 2012Facebook wächst weiter und auch die mobile Werbung nimmt Fahrt auf. Doch die Margen schrumpfen, unter dem Strich bleibt weniger übrig. Die Kosten steigen und es wird massiv investiert. Die Börse reagiert mit Verunsicherung. Das Umsatzwachstum im Weihnachtsquartal von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,58 Milliarden Dollar übertraf sogar die Analystenschätzungen von im Schnitt 1,53 Milliarden Dollar. Doch dem weltgrößten Social Network laufen die Kosten davon. Der Nettogewinn des Unternehmens aus dem kalifornischen Menlo Park fiel im Jahresvergleich um dramatische 79 Prozent auf nur noch 64 Millionen Dollar. Nachbörslich verlor die Aktie in der Spitze bis zu zehn Prozent, erholte sich später aber wieder leicht. Weitere Informationen. Quelle: REUTERS
24. September 2012: Schwarzer Börsen-TagDie Facebook-Aktie hat einen ihrer schwärzesten Tage seit dem Börsengang im Mai erlebt. Sie verlor bis zum Börsenschluss in New York mehr als 9 Prozent auf 20,79 Dollar. Grund für den Einbruch waren erneut hochgekochte Zweifel daran, dass das Soziale Netzwerk seine überlebenswichtigen Werbeeinnahmen wie erhofft steigern kann. Quelle: dpa
18. Mai 2012Facebook geht erstmalig an die Börse und muss schon wenige Tage später eine Schlappe einstecken. Die Aktie fiel auf 13,1 Prozent. Quelle: dapd
Mann sitzt vor einem Skype-Bildschirm
Facebook-Fanpage der Queen Quelle: rtr

Wer wissen will, wie es um Facebook bestellt ist, sollte vielleicht eine Volkshochschule besuchen. In den Weiterbildungszentren der Republik werden Algebra, Spanisch und Nordic Walking gelehrt – aber auch der Umgang mit dem Sozialen Netzwerk. In Kursen für Frauen und Senioren, auf Deutsch und auf Türkisch.

Falls es eines Beweises bedurft haben sollte: Facebook ist fester Teil der Alltagskultur. Heute, an seinem 10. Geburtstag, nutzen rund 27 Millionen Deutsche den Dienst, weltweit sind 1,23 Milliarden Menschen auf der Plattform aktiv, rund die Hälfte der gesamten Internet-Population.

In dieser kurzen Zeit hat sich Facebook stärker gewandelt als mancher traditionsreiche Industriekonzern: Einst ein geschlossener Club für Studenten an Elite-Unis, ist Facebook heute ein weltumspannendes Netzwerk, das auch Eltern und Großeltern für sich entdeckt haben. Einst ein Projekt mit sozialer Mission, betont das Unternehmen heute die Profitaussichten. Einst gebunden an den Browser, ist Facebook heute einer der beliebtesten Apps für Smartphone und Tablet. Diese Wandelbarkeit war der Schlüssel für den Erfolg – und sie bleibt es auch.

Facebook ist so groß geworden, weil es ein Versprechen einlöst: Es ist Ort, wo sich schüchterne Kommilitonen näher kommen. Wo die Oma die Urlaubsfotos vom Enkel sieht. Wo Fans Informationsbrocken von ihren Fußball- oder Musik-Stars bekommen. Wo sich Demonstranten verabreden können.

Doch diese Popularität hat eine Kehrseite: Einige Studien lassen vermuten, dass gerade jüngere Nutzer sich lieber auf anderen Plattformen austauschen, etwa Snapchat, wo sich die Bilder nach ein paar Sekunden wieder löschen, oder Whatsapp, das trotz Sicherheitsmängeln eher den Eindruck vermittelt, eine geschlossene Gesellschaft zu sein. Facebook zweifelt diese Zahlen an, schlüsselt aber selbst nicht auf, wie viele junge Nutzer auf der Plattform aktiv sind.

„Die Zahlen deuten auf Facebooks Achillesferse hin“, sagt Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg. „Solche Plattformen sind nicht nur Kommunikationsmittel, sondern ein Lebensraum, in dem man sich ausprobiert, streitet, verliebt“, sagt Soziologe Schmidt. „Wenn man damit rechnen muss, dass einem die Mutter auf die Pinnwand schreibt, ist das so, als ob man abends aus der Disco abgeholt wird.“ Anders gesagt: Das will keiner. Unter Jugendlichen verändern sich die Trends ohnehin schnell. So verwundert es nicht, dass jetzt Whatsapp und Snapchat angesagt sind – und nächstes Jahr vielleicht ein anderer Dienst.

Nicht cool, aber ziemlich profitabel


Wer wissen will, wie es um Facebook bestellt ist, sollte vielleicht auch bei einer Investorenkonferenz lauschen. Firmenchef Mark Zuckerberg kommt gleich zur Sache: „Die Nutzung (der Plattform) ist weltweit stark gestiegen und wir sind sehr zufrieden mit dem Wachstum unseres Werbegeschäfts, vor allem auf mobilen Geräten“, sagte Facebook-Chef Zuckerberg im Januar gegenüber mit Analysten. Seine Firma hatte da gerade Quartalszahlen in Rekordhöhe vorgestellt.

Das Geschäftliche im zweiten Satz – das wäre dem Unternehmer im Februar 2012 nicht in den Sinn gekommen. Damals fügte er den Unterlagen zum Börsengang einen offenen Brief an potenzielle Investoren bei. „Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein“, lässt er darin wissen. „Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen – die Welt offener und vernetzter zu machen.“

Facebook gilt als nicht mehr so cool

Welche sozialen Netzwerke wirklich genutzt werden
So lange werden soziale Netzwerke wirklich genutztGoogle+ - Mit allen Mitteln versucht Google sein soziales Netzwerk zum Erfolg zu bringen. Vor allem die Verknüpfung mit den eigenen Diensten wie Google Mail oder Youtube soll Google+ helfen. Seit dem Start haben sich auch immerhin 90 Millionen Nutzer registriert, allerdings bleibt es oft auch dabei. Nach einer Erhebung der US-Marktforscher Comscore haben sich die Nutzer seit September im Schnitt nur drei Minuten pro Monat bei Google+ aufgehalten. Das „Wall Street Journal“ schreibt daher schon von einer „virtuellen Geisterstadt“. Quelle: dapd
Myspace - Selbst das schon oft totgesagte MySpace wird intensiver genutzt – mit acht Minuten sogar fast drei Mal solange wie Google+.
LinkedIn - 17 Minuten pro Monat halten sich die Nutzer des Online-Karrierenetzwerks LinkedIn auf der Seite auf. Für den deutschen Wettbewerber Xing lagen keine Daten vor. Quelle: REUTERS
Twitter - Mit 21 Minuten nur knapp davor liegt der Kurznachrichtendienst Twitter. Allerdings erfasst Comscore nur Besucher der Twitter-Website, gerade die intensiven Nutzer greifen jedoch gern auf spezielle Zusatzprogramme wie Tweetdeck zurück, so dass die echte Zahl höher liegt. Auch die mobilen Zugriffe wurden nicht erhoben, was jedoch alle Netzwerke betrifft. Quelle: dpa
Pinterest - Erstaunlich ist, dass sich zwei relative junge Netzwerke ganz vorn platzieren konnten. So gelang Pinterest mit 89 Minuten der Sprung aufs Treppchen. Auf der Seite können Nutzer Bilder und Netzfundstücke teilen. Pinterest ist derzeit eine der angesagtesten und am schnellsten wachsenden Seiten überhaupt .
Tumblr - Ebenso lange wie Pinterest wird Tumblr genutzt. Der Dienst bietet ist eine besonders schnelle und einfache Art des Bloggens. Auch bei Tumblr werden oft besondere Fotos geteilt – Musikstar Beyonce Knowles veröffentlichte beispielsweise exklusiv Fotos ihres Babys Blue Ivy Carter auf einer eigenen Tumblr-Seite. Beliebt sind auch die „Looking at Things“-Reihen, beispielsweise von Kim Jong-Il oder Christian Wulff.
Facebook - Mit riesigem Abstand steht Facebook an der Spitze: 405 Minuten halten sich die Nutzer im Schnitt jeden Monat in dm Netzwerk auf.     Quelle: dapd

Auch wenn Facebook unter Jugendlichen vielleicht nicht mehr als cool gilt: Das Unternehmen nimmt das Geschäft ernst. Und weil es so eine große Reichweite hat, ist es eine der wichtigsten Werbeplattformen im Internet geworden. Das hat mit einem zweiten fundamentalen Wandel zu tun, der sich – zufällig oder nicht – zeitgleich abspielte: In den letzten zwei Jahren haben sich die Nutzergewohnheiten rasant verändert. Immer weniger Nutzer loggen sich mit ihrem stationären PC oder Notebook bei Facebook ein, wie es in den Anfangstagen jeder tat; immer mehr öffnen die App auf dem Smartphone oder Tablet-Computer.

Die Smartphone-Revolution hat viele Technologiefirmen überrascht, Microsoft und Intel etwa. Auch Facebook stellte sie vor Probleme: Man habe zwar ein bereits Geschäftsmodell entwickelt, dabei aber nicht das eigentliche Problem angegangen, sagte Zuckerberg der Zeitschrift „Wired“: „Auf Smartphones ist kein Platz für Anzeigen in der rechten Spalte.“

Zuckerberg reagierte mit der ihm eigenen Radikalität: Er dekretierte Anfang 2012, dass Facebook ab nun eine mobile Firma sei. Wenn Mitarbeiter in ihren Präsentationen über PCs statt Smartphones redeten, beendete er Meetings kurzerhand, wie die „Businessweek“ schreibt.

Die Umstellung lief nicht immer reibungslos – die App „Facebook Home“, die den Startbildschirm von Android-Smartphones übernimmt, fand nicht viele Fans. Dennoch lohnte sich die Mühe: Inzwischen erwirtschaftet Facebook etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes (53 Prozent) auf mobilen Geräten, mehr als 1,2 Milliarden Dollar im vergangenen Quartal.

„Wenn 2012 das Jahr war, indem wir unser Kernprodukt zu einem mobilen Produkt gemacht haben, dann war 2013 das Jahr, in dem wir unser Geschäft in ein mobiles Geschäft verwandelt haben“, sagte Zuckerberg den Investoren.
„Nicht alles in eine einzige, blaue App pressen“

Wer wissen will, wie Facebook morgen aussehen wird, sollte auch die Werbung des Sozialen Netzwerks anschauen. Seit ein paar Tagen kursiert der Spot für die Smartphone-App Paper: ein digitales Magazin mit großformatigen Bildern und luftigen Texten. „Wie eine Geschichte erzählt wird, ist so wichtig wie die Geschichte selbst“, heißt es darin.

Paper sieht nicht aus wie ein Facebook-Produkt. Genau deswegen steht die App stellvertretend für die Zukunft des Unternehmens: Das soziale Netzwerk soll künftig für verschiedene Nutzergruppen und Zwecke angepasst werden. Es gebe die unterschiedlichsten Arten, sagte Zuckerberg dem Magazin Businessweek, wie sich die Mitglieder mitteilen wollten. „Sie alle in eine einzige, blaue App zu pressen, ist nicht das richtige Format für die Zukunft.“

Bei einem Hackathon, einer Art Ideensuche, entwickelten die Mitarbeiter 40 Konzepte für neue Anwendungen. Sechs könnten im Laufe des Jahres eingeführt werden, neben Paper ist etwa eine Anwendung für die Facebook-Gruppen angedacht. Gleichzeitig bemüht sich der Konzern um attraktive Newcomer: Er übernahm Instagram und bot für Snapchat. Schon zuvor hatte er selbst mobile Apps entwickelt, etwa den Snapchat-Klon Poke und die Android-Oberfläche Home, beides indes mit wenig Erfolg.

Facebook reagiert damit auf einige Trends, die dem Geschäft mittelfristig schaden könnten. Immer mehr Nutzer tauschen sich über Smartphone-Dienste wie Whatsapp und Snapchat aus – gerade Teenager. Sie alle ersetzen nicht die vielen Funktionen, die das größte Soziale Netzwerk der Welt bietet. Aber zusammengenommen sind sie eine Bedrohung.

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