Digitalisierung in der Agrarbranche Vom Feld ins Netz

Günstige Einstiegsmöglichkeiten sehen Start-ups insbesondere im Agrarhandel. Quelle: imago images

Gründer aus der Landwirtschaft packen auf den Höfen mit an: Mit digitalen Plattformen wollen sie den Betrieben Zeit und Kosten sparen. Doch die sind schwer zu überzeugen.

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Das erste Büro direkt neben dem Kuhstall: Statt in die Großstadt zieht es das Start-up Betriebsmittelhelden auf den Hof. Die junge Firma aus Ostwestfalen richtet sich in den nächsten Monaten bei einem Milchviehbetrieb mit über 300 Rindern ein – betrieben von Mitgründer Daniel Potthoff, der das Geschäft von seinem Vater übernommen hat. Noch arbeitet das Team aus zehn Mitarbeitern auf Distanz zusammen, künftig aber soll in Steinhagen in der Nähe von Gütersloh ein digitales Vorzeigeunternehmen entstehen: spezialisiert auf den Landhandel im Netz.

Futtermittel wie Rapsschrot oder Sojaschrot, Pflanzenschutz und Dünger können Landwirte über die Plattform einkaufen. Pro Bestellung bekommt das Start-up eine Provision vom Händler. Die Ausschreibung läuft über den Rechner oder seit Kurzem auch per Smartphone-App: Produkt wählen, Menge eintragen, Art der Lieferung angeben – statt Händler in der Region einzeln abzutelefonieren und das günstigste Gebot per Excel-Tabelle zu ermitteln, sollen Landwirte für die Bestellung über die Plattform nur ein paar Mal klicken. „In der Landmaschinentechnik ist die Digitalisierung schon weit, beim Handel wird sich in den nächsten Jahren viel tun“, ist Geschäftsführer Lasse Dumstrei überzeugt. Die Nähe zum Milchviehbetrieb ist Kalkül: „Man kennt sich unter Landwirten. Das Wichtigste für uns ist, Vertrauen zu gewinnen.“ Denn neue Kunden kämen vor allem über Empfehlungen.

Digitale Feldversuche

Bekannte Gesichter, neue Prozesse: Es sind die Landwirte selbst, die sich als Gründer an digitalen Lösungen versuchen – und damit die Erträge in ihrer Branche für die Zukunft sichern wollen. Wo etwa Preise bislang schwer zu überblicken sind und Produktdaten verstreut auf lokalen Rechnern liegen, finden Start-ups viel Arbeit. Dass sich immer mehr Nachwuchsfirmen für die Agrarbranche interessieren, beobachtet auch Stefanie Bröring, Professorin für Technologie-, Innovationsmanagement und Entrepreneurship am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn: „Die Start-ups wirken als Initialzündung für Zukunftstechnologien in der Landwirtschaft.“ Dabei beackern sie allerdings harten Boden: „Der technologische Wandel in der Branche funktioniert eher wie Evolution statt Disruption, weil es viele Pfadabhängigkeiten gibt“, so Bröring.

Günstige Einstiegsmöglichkeiten sehen die jungen Firmen insbesondere im Agrarhandel. So begibt sich wie Betriebsmittelhelden in Ostwestfalen auch Lars Lehmann in Brandenburg mit einem noch kleinen Team von fünf Festangestellten auf die Jagd nach Marktanteilen. Seit 2018 tüftelt er mit seinem Start-up Agrimand in Birkenwerder an einer Art Amazon für Landwirte. Zunächst auf Ausschreibungen von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln spezialisiert, lassen sich über die Plattform inzwischen auch Getreide und Ölsaaten handeln. In Zukunft aber will sich die junge Firma als Marktplatz für Landhändler etablieren – und auch Webshops für Landhändler einrichten.

Die nötigen Kontakte zu potenziellen Abnehmern hat der Gründer: Aufgewachsen mit einem Familien-Agrarunternehmen im Havelland, zielt er vor allem auf mittlere bis große landwirtschaftliche Betriebe ab 250 Hektar Fläche. „Wir richten uns an Profis, die ihre Prozesse gerade im Einkauf optimieren wollen. Uns geht es nicht darum, das Tresengeschäft kaputt zu machen“, sagt Lehmann. Vielmehr sollten Landwirte dazu animiert werden, sich stärker zu vernetzen und etwa als Gruppe gemeinsam einzukaufen – zu dann günstigeren Preisen.

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