Sebastian Borek „Der Flaschenpost-Deal ist ein Weckruf für den Mittelstand“

Der Oetker-Konzern übernimmt den schnell wachsenden Getränke-Lieferdienst Flaschenpost. Die Kaufverträge seien vor wenigen Tagen unterzeichnet worden, teilte das Bielefelder Familienunternehmen am 02.11.2020 mit. Quelle: dpa

Die Oetker-Gruppe übernimmt für viel Geld den schnell wachsenden Getränkelieferdienst. Ein wichtiges Signal für Familienunternehmen und Gründerszene, sagt einer, der in Ostwestfalen Brücken zwischen den Welten baut.

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Der Mega-Deal nahm in einem alten Lokschuppen an Fahrt auf: Auf der Start-up-Konferenz „Hinterland of Things“ in diesem Februar vertieften Albert Christmann, geschäftsführender Gesellschafter der Oetker-Gruppe, und Filip Dames von Flaschenpost-Investor Cherry Ventures ihre Gespräche. Neun Monate später will der Nahrungsmittel- und Brauereigigant aus Bielefeld das Start-up aus Münster komplett übernehmen – laut Informationen der Fachmedien OMR und Deutsche Startups beträgt der Kaufpreis eine Milliarde Euro. Ein lohnendes Geschäft für die Investoren des 2015 gegründeten Getränkelieferdienstes. Eine gute Nachricht aber auch für Sebastian Borek und sein Team: Als Geschäftsführer der Founders Foundation, die auch die „Hinterland“ organisiert, will er in Ostwestfalen die Barrieren zwischen traditionsreichen Familienunternehmen und jungen Digitalfirmen abbauen.

WirtschaftsWoche: Welches Signal geht von dieser Übernahme aus?
Sebastian Borek: Der Deal ist eine Inspiration für die Gründerszene. Man kann in Münster gründen, in Bielefeld verkaufen – und das für eine Milliarde Euro. Das zeigt: In allen Flächenregionen Deutschlands können sich Start-ups aufmachen. Wenn das Geschäftsmodell passt, können sie ihr Unternehmen dann an die Kärchers, die Mieles oder die Lidls dieses Landes verkaufen.

Wer profitiert von dieser Art der strategischen Übernahme?
So ein Kauf ist eine Art Generationenvertrag. Junge Unternehmen bauen etwas auf, etablierte Firmen übernehmen sie dann und bauen sie zu etwas Größerem auf. Und die, die mit dem Start-up viel Geld verdient haben, können das Kapital wiederum in die nächsten Tech-Unternehmen stecken. Das ist ein schöner Kreislauf. Und besonders schön ist er eben, wenn er innerhalb Deutschlands stattfindet. Wir müssen zusehen, dass wir die Innovationskraft in den Unternehmen hierzulande halten.

Wie schlägt sich der deutsche Mittelstand bislang in diesem Kreislauf?
Auch für den Mittelstand und die Familienunternehmen kann der Flaschenpost-Deal ein Weckruf sein. Dr. Oetker ist bewusst, dass sie den Zugang zum Kunden brauchen. So geht es vielen anderen etablierten Unternehmen auch. Die andere Möglichkeit ist Amazon – und da sind Firmen schnell nur noch ein Lieferant ohne direkten Draht zum Abnehmer. Wir müssen eine Alternative zu diesen Tech-Monopolen bieten. Auch im B2B-Bereich oder dem Maschinenbau wird zunehmend das Thema der letzten Meile zum Kunden und die Beziehung zum Handel eine Rolle spielen. Dr. Oetker hat da jetzt einfach mal Fakten geschaffen. Nicht nur die Getränkemarken, auch die Pizza könnte in Zukunft über Flaschenpost geliefert werden. Und das europaweit.

Mittelständler sind oft stolz darauf, selbst innovativ zu sein. Ist ein Start-up-Kauf da nicht ein Scheitern?
Viele etablierte Unternehmen wollen Innovationen aus sich selbst heraus entwickeln. Das passiert heute bereits. Vielleicht nicht so euphorisch wie in manchen Start-ups, aber dafür sehr nachhaltig. Doch manche Industrien werden so stark von einem Wandel erwischt, dass es schneller gehen muss. Und die Gründerszene ist heute auch weiter als noch vor einigen Jahren. Viele Start-ups rufen keine Mondpreise auf, sondern können schnell respektable Umsätze vorweisen.

Warum gelingen solche Deals dann nicht längst in größerer Zahl?
Man muss als Mittelständler mitmischen. Oft scheitern die Gespräche daran, dass es keine gemeinsame Basis gibt. Der Mittelstand wacht auf – aber es dauert natürlich, bis sich die Welten kennenlernen. Oft bleiben die Kooperationen heute noch innerhalb der jeweiligen Welten: Tech geht mit Tech zusammen, Mittelstand mit Mittelstand. Aber das große Potenzial liegt ja darin, diese Grenzen zu überschreiten.


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Was ist daran so schwierig?
Viele Gründer sind fix mit den großen Digitalfirmen auf einer Wellenlänge. Bei deutschen Mittelständlern wird oft noch eine andere Sprache gesprochen. Da muss man sich manchmal noch mühsam durchtelefonieren, bis man den Ansprechpartner für Kooperationen gefunden hat. Da muss man viel Verständnis schaffen. Dafür haben wir bei der Founders Foundation die Hinterland-of-Things-Konferenz ins Leben gerufen, damit sich beide Welten kennen und schätzen lernen. Es muss auch menschlich passen, nicht nur kaufmännisch. Da gibt es viele, die richtig Lust auf Veränderung haben. Und andere – egal welche Unternehmensgröße, egal welche Industrie -, die machen immer noch zu wenig. Aber diese Mühe kann sich lohnen. Es ist schön, dass das jetzt auch in dieser Dimension sichtbar geworden ist.

Was muss passieren, damit solche Deals selbstverständlicher werden?
Es kommt auf die verantwortlichen Geschäftsführer oder Gesellschafter an. Man muss sich schlichtweg mit den wichtigen Themen und Technologien beschäftigen, rausgehen, mit den Leuten sprechen. Dr. Oetker hat sich seit Jahren mit diesen Veränderungen auseinandergesetzt, mit einer Digitaleinheit oder kleineren Beteiligungen, wie etwa an einem Torten-Start-up, das in diesem Sommer vollständig übernommen wurde. Nur durch solche Schritte bleiben etablierte Unternehmen überhaupt anschlussfähig an die Start-up-Welt. Wer das alles verpasst hat, kann nicht mal eben mit einem Zukauf alle Versäumnisse aufholen.

Mehr zum Thema: So wollen Unternehmen wie Flaschenpost, Durstexpress und Durststrecke den Getränkehandel digital revolutionieren.

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