Aufbruch in den Daten-Raum Wie Virtual-Reality-Brillen die Arbeit verändern

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Spielesoftware senkt die Kosten

Bis im Blickfeld der Cyber-Trainer auftaucht, eine freundlich lächelnde Mischung aus einer Art fliegendem Mikrofon und einem Schraubenschlüssel. „Im Container links oben, siehst Du, wo Dein erstes Teil liegt“, weist das Digitalwesen an, „nimm es und lege es in die Transportbox rechts neben Dir.“ Der Proband „greift“ mit einem Controller, groß wie der Griff eines Tennisschlägers, nach dem gewünschten Teil, platziert es in die vorgesehene Kiste und bekommt den nächsten Auftrag. Binnen weniger Minuten ist Box bestückt, das erste Training durchlaufen – und Jelich zufrieden: „So können neue Mitarbeiter Abläufe einüben, bevor etwa die Halle, in der sei einmal arbeiten werden, überhaupt gebaut ist.“

Der digitale Hub macht Trainings für VW nicht bloß schneller, er macht sie auch günstiger. Unter anderem, weil die Treffen in der virtuellen Fabrik viele Reisen überflüssig machen. Zwischen 30 und 40 Prozent weniger Reisekosten peile man bei den Szenarien an, in denen künftig VR-Technik zum Einsatz kommt, heißt es bei VW.

Ein Grund für den derzeit breiten Aufbruch industrieller Nutzer in die virtuellen Welten ist, dass nicht nur die Hardware inzwischen robust genug ist und es schnelle Displays und Prozessoren erlauben, Simulationen flüssig ins Sichtfeld der Anwender zu projizieren. Daneben wird es für Unternehmen und externe Dienstleister auch immer leichter, die Cyber-Räume überhaupt zu programmieren, in denen die Beschäftigten lernen, diskutieren oder optimieren sollen.

Das kann die neue VR-Brille von HTC

So, wie die Computer-Spielewelt zunächst die Hardware-Entwicklung befeuert hat, so bedienen sich die industriellen VR-Entwickler nun auch bei Software-Werkzeugen aus der Gaming-Welt. „Wir simulierten die Industrieumgebungen mithilfe der Unity-Software, einer der wichtigsten Plattformen auch für Spieleentwickler“, sagt Daniel Seidl. Er ist Chef des Münchener VR-Software-Herstellers Innoactive, der auch die VR-Welt für VW entwickelt hat.

Standardsoftware zu nutzen, statt VR-Anwendungen individuell zu programmierten, sei viel günstiger und schneller, sagt Seidl. „Bis zu 80 Prozent Ersparnis sind beim Design der virtuellen Räume und der Programmierung der Trainingsszenarien drin.“ Damit werde der Einsatz virtueller Realitäten auch für Mittelständische Unternehmen bezahlbar, die sich keine große Konzern-IT leisten könnten.

Parallel dazu richtet sich auch der Vive-Produzent HTC stärker auch die industrielle Kundschaft aus. Pünktlich zum Start der Hannover Messe kündigte das Unternehmen eine spezielle Edition der VR-Brille für professionelle Anwender und Unternehmenskunden an. Das neue, inklusive Mehrwertsteuer knapp 1400 Euro teure Bundle aus Brille, Controllern und Raumsensoren liefert den Anwendern nicht nur ein rund 77 Prozent detailreicheres Bild als die Ur-Vive, es macht es auch möglich, die Technik mit mehreren Benutzern und in Räumen von bis zu 10 x 10 Metern Fläche einzusetzen.

Ein eigenes Service-Paket für Unternehmen, Vive Enterprise Advantage genannt, soll zudem die Verfügbarkeit der Brillen und - bei Störungen - einen kurzfristigen Austausch der Geräte sicherstellen. Daneben soll es das Business-Paket Unternehmen auch deutlich erleichtern, Dienste wie SteamVR oder Angebote aus dem Internet zu nutzen.

Und schließlich sind dass Start-ups wie Enscape aus Karlsruhe gerade dabei, einen der größten Kostentreiber beim VR-Design zu kappen: Die Aufgabe, digitale 3-D-Konstruktionsdaten aus den Designprogrammen rasch und effizient in virtuelle Daten-Räume zu übertragen. Bisher war das ein aufwändiger manueller Prozess – und damit teuer. Zumindest für die Architektur aber hat Enscape den Prozess inzwischen automatisiert.

Die Karlsruher haben eine Software entwickelt, die Gebäudedaten aus der Konstruktionssoftware selbsttätig in 3-D-Gebäude umrechnet, die Architekt, Auftraggeber oder Bauleiter mithilfe von VR-Brillen besichtigen können, sagt Enscape-Gründer Moritz Luck. „Der quasi-reale Eindruck, wie ein Bau später einmal aussieht, hilft teure Fehlplanungen und Nacharbeiten zu vermeiden.“ Das sehen offenbar auch die Bauprofis so. „80 der Top-100-Architekturbüros weltweit nutzen unsere Software“, erzählt Luck stolz.

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