Neues Geschäftsfeld für Heizungsbauer Viessmann will Start-up-Schmiede des deutschen Mittelstands werden

WattX und Co.: Der Heizungsbauer Viessmann bringt Startups-Ausgründungen am laufenden Band Quelle: imago images

Viele Jahre entwickelte ein Berliner Team passende Start-ups für den Heizungsbauer. Nun soll die Viessmann-Tochter WattX auch anderen Mittelständlern bei Ausgründungen helfen. Doch der Markt ist umkämpft.

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Der Kunde, das unbekannte Wesen: Weil meist Zwischenhändler im Spiel sind, wissen viele Mittelständler noch immer wenig darüber, wer ihre Produkte eigentlich nutzt – und wie viel Geld sich genau mit den eigenen Erzeugnissen noch erzielen ließe. Und so ist das Interesse groß an den Diensten von Anne Decker, Co-Geschäftsführerin des Dienstleisters WattX: Als sogenannter Company-Builder unterstützt das Unternehmen Konzerne bei der Gründung eigener Start-ups. „Viele der aktuellen Projekte drehen sich um Direktvertriebsmöglichkeiten“, sagt Decker. Das Besondere an WattX: Der Dienstleister gehört zur Holding des Familienunternehmens Viessmann, wurde von diesem zunächst geschaffen, um neue Ideen für das eigene Heizungsgeschäft zu entwickeln.

Doch nun soll das Start-up-Bauen selbst zum Geschäft für Viessmann werden. „Wir bauen immer noch Start-ups auf, aber mittlerweile sehen wir uns als Company-Builder für den deutschen Mittelstand“, sagt Deckers Partner an der WattX-Spitze Simon Müller. 2015 war das Team gestartet, um Viessmann-Ideen zur Ausgründung zu bringen. 2018 dann kam das Programm „Voltage“ dazu. Hier wurden industrieerfahrene Gründungswillige gelockt, die dann unter dem WattX-Dach ihre Idee weiterentwickeln konnten. Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich der Company-Builder dann auch für andere Unternehmen geöffnet. WattX habe sich „mit dem Bedarf des Marktes immer wieder transformiert“, formuliert es Viessmann-Vorstandschef Max Viessmann.

Konkurrenz der Start-up-Starthelfer steigt

Das zeigt: Innovationshilfe bleibt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein interessantes Geschäftsfeld. „Company-Builder sind ein etablierter Akteurstyp des deutschen Innovationssystems“, heißt es in einer Studie des Instituts Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen aus dem vergangenen Jahr. Die Untersuchung zeigt, dass in etwa zwölf Prozent der deutschen risikokapitalfinanzierten Start-ups aus den vergangenen zehn Jahren Dienstleister beteiligt waren, die sich mit der Gründungshilfe ihr Geld verdienen. In der Regel werden diese Company-Builder von etablierten Konzernen oder Mittelständlern beauftragt, die eine Idee haben – aber sich eine Start-up-typische Entwicklung nicht zutrauen. „Die Mittelständler bringen das Know-how über ihre Branche und ihre Technologie mit, wir die Geschwindigkeit der Start-up-Welt“, sagt Decker.

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von Harald Schumacher

Die Herausforderung für WattX: Nun kann sich das Team nicht mehr auf die Aufträge aus dem Hause Viessmann verlassen, sondern muss im Mittelstand werben. Auch andere Unternehmen haben sich auf die lukrative Aufgabe gestürzt, Mittelständlern rund um neue Ideen für Produkte und Geschäftsmodelle zu helfen. Bridgemaker aus Berlin zählt auf seiner Webseite etwa 20 Gründungen mit Partnern auf. Mantro hat 2020 noch eine Stahlrecycling-Plattform mit Thyssen-Krupp gestartet. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Münchener jedoch neu aufgestellt – und sind nun in sechs verschiedene „Studios“ organisiert, die sich etwa um Wachstumsprojekte kümmern, Produkte mitentwickeln oder maßgeschneiderte Software für Kunden entwickeln.

Suche nach der eigenen Startposition

Für alle diese Innovationsschritte gibt es daneben noch Heerscharen an Dienstleistern, die um Aufträge im Mittelstand werben. WattX will möglichst viele Fähigkeiten vereinen. Zum vergleichsweisen kleinen Team gehören beispielsweise auch KI-Experten. „Meistens hebt uns unsere Breite von anderen Company-Buildern ab“, sagt Müller. „Es gibt die Digitalagenturen und die Implementierer – und irgendwo dazwischen ist die Bruchstelle, die wir auch besetzen können.“ Ein weiterer Startvorteil stammt aber noch aus der Firmengeschichte: WattX sitzt im Berliner „Maschinenraum“, in dem sich mehr als 60 Familienunternehmen zusammengefunden haben – auf Initiative der Viessmann-Gruppe. Die ersten Kooperationen seien aus dem Netzwerk von Viessmann entstanden, berichtet das Geschäftsführer-Duo.

Acht Start-ups hat WattX bislang ausgegründet, darunter eines, das Arbeitsablauf-Trainingsprogramme für Produktionsmitarbeiter anbietet und eines, das mit seiner Software Firmeninformationen datenschutzgerecht aufbereitet. Etwa zwei Ideen pro Jahr will das WattX-Team künftig begleiten. Mal geschieht das als reiner Dienstleister, mal mit eigener finanzieller Beteiligung, mal im Schulterschluss mit kapitalmarktorientierten Risikokapitalgebern.

Mittelstand und Venture-Capital wachsen zusammen

Bislang waren dies eher getrennte Welten: Auf der einen Seite die etablierten Unternehmen, die sich strategisch für Start-ups entschieden oder sie gleich selbst gründeten. Auf der anderen Seite Risikokapitalgeber, die sich manchmal auf bestimmte Branchen oder Phasen konzentrierten, aber immer vor allem ein schnelles Wachstum im Blick hatten.

Nach Beobachtung der WattX-Macher ändert sich diese Zweiteilung gerade: „Wir spüren bei Venture-Capital-Gesellschaften ein großes Interesse, sich stärker in Richtung Mittelstand zu orientieren“, sagt Decker. Nach dem Absturz der Bewertungen setzen viele lieber auf Start-ups mit einem vermeintlich unspektakuläreren Geschäftsmodell. „Es steht viel mehr im Vordergrund, was die Start-ups an Substanz mitbringen – und dafür steht ja der Mittelstand“, sagt Müller.

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Dem Mittelstand selbst stellen die Innovationshelfer ein gutes Zeugnis aus. „Es gibt wesentlich mehr Offenheit für Innovation – und auch für die daraus resultierenden Strukturen“, sagt Müller. Viele Projekte scheiterten in den vergangenen Jahren etwa dran, dass sie wie eine weitere Abteilung des Unternehmens behandelt und geführt wurden. Das reduzierte den unternehmerischen Anreiz für das Start-up-Team. „Die Gründer müssen zu einem wesentlichen Teil mit an dem Start-up beteiligt sein, das war dem Großteil des Mittelstands lange nicht klar“, sagt Müller. Zudem seien mittlerweile mehr Kunden bereit, auch gemeinsam Projekte anzugehen – wie die beiden Mittelständler mit der Direktvertriebs-Plattform: „Viel mehr Firmen wollen gemeinsam eine Idee entwickeln“, sagt Decker, „das ist eine großartige Nachricht für die deutsche Wirtschaft.“

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