Tönnies gegen Tönnies Knapper Punktsieg für Onkel Clemens

Im Machtkampf mit seinem Neffen Robert sieht sich Clemens Tönnies nach der stundenlangen Befragung von sechs Zeugen als Punktsieger. Geklärt ist der Streit aber noch nicht: Ein wichtiger Zeuge konnte nicht aussagen.

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Clemens und Robert Tönnies bei einem Gerichtstermin 2016. Quelle: dpa

Es war zu erwarten: Nach der stundenlangen Anhörung von einem halben Dutzend Zeugen offenbarten sich den drei Richtern so offenkundig wie selten zuvor im seit Jahren andauernden Machtkampf vor dem Landgericht Bielefeld die widersprüchlichen Aussagen. Die Kammer unter Vorsitz von Jörg Schröder versuchte, ein kleines, aber wichtiges Detail zu klären: Was war genau besprochen worden, als ausgerechnet am 24.12.2002 die Urkunde 669 unterzeichnet werden sollte?

Gegenüber standen sich während der siebenstündigen Verhandlung Robert Tönnies als Kläger und der Beklagte, sein Onkel Clemens Tönnies, Firmenchef und Schalke-04-Boss. Beiden gehört aktuell zu je 50 Prozent der milliardenschwere Fleischkonzern Tönnies. Im Hauptverfahren vor dem Landgericht Bielefeld geht es seit November 2014 um den Widerruf einer Fünf-Prozent-Schenkung aus dem Jahr 2008. Robert wirft seinem Onkel groben Undank und arglistige Täuschung vor. Sollte das Landgericht Bielefeld Roberts Argumentation folgen, würde das Machtverhältnisse zu seinen Gunsten kippen. Mit 55 Prozent würde er die Mehrheit an dem Konzern mit 5,6 Milliarden Euro Umsatz (2015) halten.

Das Fehlverhalten von Clemens Tönnies soll unter anderem damit nachgewiesen werden, dass der Schalke-Boss ohne Wissen seiner Neffen ein "Schattenreich" aufgebaut habe, indem er sich persönlich an anderen Fleischfirmen beteiligte. Dabei habe er gegen ein im Grundlagenvertrag von 1985 festgeschriebenes Wettbewerbsverbot verstoßen. Dieses Wettbewerbsverbot soll allerdings in der Urkunde 669 vor 15 Jahren gestrichen worden sein.



Dafür wurde nun im Saal 255 rekonstruiert, was sich am Heiligen Abend 2002 in den Firmenräumen des Fleischkonzerns abgespielt hatte.

Dort trafen sich seinerzeit Robert Tönnies (38), sein Bruder Clemens Tönnies junior (41), Josef Schnusenberg, Steuerberater und Testamentsvollstrecker der beiden Brüder, Notar Horst-Dieter Swienty (76) sowie Clemens Tönnies (60).

Was wurde wem wie erklärt?

Swienty beteuerte in seiner Vernehmung, dass eben jenes Wettbewerbsverbot zu Clemens Tönnies’ Gunsten gestrichen worden sei – "dann kann Clemens Tönnies auch an der Firma vorbei eigene wirtschaftliche Aktivitäten entfalten", will Swienty die Bedeutung dieser Streichung damals erläutert haben. Zuvor – bis zu seinem Tode 1994 – konnte Firmengründer Bernd Tönnies, Roberts Vater, "machen, was er wollte", so Swienty. Diese Freiheiten sollte nun auch Clemens Tönnies erhalten. Swienty: "Das war Konsens". Er gehe davon aus, das insbesondere Clemens Tönnies junior klar war, dass diese Befreiung vom Wettbewerbsverbot nicht nur für Tönnies-interne Firmen gelte.

Genau so hatte nämlich Clemens Tönnies junior, der sein Erbe aus gesundheitlichen Gründen später an den Bruder verkaufte, argumentiert.

Ihm und seinem Bruder seien die Folgen der Urkundenänderungen anders erklärt worden. Sie seien davon ausgegangen, dass sich das Wettbewerbsverbot auf Geschäftsführerposten innerhalb des Konzern bei Schwester-Firmen bezogen hätten. "Das hätte ja auch keinen Sinn gemacht", sagte Clemens Tönnies junior. Die Möglichkeit zur Beteiligung an anderen Firmen wie der Zur-Mühlen-Gruppe sei "absolut kein Thema" gewesen. Die Streichung des Wettbewerbsverbots sei den Neffen allein mit internen Bedürfnissen erklärt worden. Mehr noch: Eine Befreiung ihres Onkels vom Wettbewerbsverbot sei für die Neffen nicht denkbar gewesen, sagt Clemens Tönnies junior heute. Dieses Thema habe schon früher zwischen seinem 1994 verstorbenen Vater Bernd und dessen Bruder Clemens zu Streitigkeiten geführt.

Ein wichtiger Zeuge konnte nicht aussagen

Tatsächlich hatte Clemens Tönnies sich schon 1998 privat am Wursthersteller Böklunder beteiligt. Die Firma sei ein wichtiger Kunde gewesen und habe zum Verkauf gestanden, erklärte der 60-Jährige selbst. Diesen Großkunden habe man auf keinen Fall verlieren dürfen.

Um zu verhindern, dass der Kunde verloren geht, sei daher eine Übernahme sinnvoll gewesen. Steuerberater und Finanzexperte Josef Schnusenberg, der damals zugleich Testamentsvollstrecker für Bernd Tönnies war, habe sich aber mit Verweis auf die dünne Liquidität des eigenen Konzerns strikt gegen eine solche Übernahme ausgesprochen – "das wäre nicht zu verkraften", soll er gesagt haben. Der langjährige Tönnies-Geschäftsführer Josef Tillmann sowie die damaligen Beiratsmitglied Horst Schnitker und Hans Reuning, Ex-Manager der IKB-Bank, bestätigten, dass Schnusenberg sich gegen einen Einstieg des Tönnies-Konzerns bei Böklunder gesträubt habe.

Schnusenberg habe Clemens Tönnies nahegelegt, die Firma privat zu kaufen. Tönnies-Manager Josef Tillmann wies zudem darauf hin, dass die Wurstherstellung seinerzeit gar nicht das Metier von Tönnies gewesen sei. "Wir haben die Rohstoffe dafür geliefert." Er habe auch den Kontakt zu seinem Freund Peter zur Mühlen hergestellt, damit dieser eventuell Böklunder kaufen könne. Tobias Bürgers, Anwalt von Clemens Tönnies, sieht in den Aussagen der Zeugen einen klaren Punktsieg für seinen Mandanten: "Die Zeugen haben die Zulässigkeit des privaten Engagements von Clemens Tönnies bei Böklunder und die Zustimmung seitens des Testamentsvollstreckers Josef Schnusenberg hierzu bestätigt."

Clemens Tönnies verdeutlichte die seinerzeit schwierige wirtschaftliche Lage des Familienunternehmens Tönnies mit den Worten: "Wir hatten nach dem Tod meines Bruders schlaflose Jahre." Das wollte Christine Gärtner, Anwältin von Robert Tönnies, nicht so einfach stehen lassen. Sie hielt Clemens Tönnies vor, dass das Unternehmen 1998, als Böklunder zum Kauf stand, über einen Cash Flow in Höhe von 45 Millionen DM verfügte und immerhin Darlehenstilgungen in Höhe von 15 Millionen DM hätte leisten können. Gärtner: "Herr Tönnies, halten Sie daran fest, dass es dem Unternehmen schlecht ging?" Tönnies: "Ja." Darüber hinaus, so Gärtner, seien im betreffenden Jahr 1998 auch Investitionen in Höhe von 18 Millionen DM getätigt worden. Auch dies sei ja wohl kein Beleg für ein wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen. Tönnies dazu: "Ja, klar haben wir das investiert. Wir mussten nach vorne gehen."

Während die Zeugin Evelin Tönnies (62), Mutter von Robert und Clemens Junior, keine Angaben zur Streichung des Wettbewerbsverbots geben konnte, weil sie an jenem Heiligabend nicht anwesend gewesen sei, fiel ein Zeuge, der durchaus Licht ins Dunkel hätte bringen können, aus: Josef Schnusenberg. Er meldete sich kurzfristig krank und erschien nicht vor Gericht.

Schnusenberg war nicht nur Steuerberater, sondern auch Testamentsvollstrecker für den 1994 verstorbenen Firmengründer Bernd Tönnies. Er vertrat viele Jahre die Interessen der beiden Söhne und Erben Clemens und Robert. Schnusenberg soll nun im März als Zeuge aussagen.

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