Preisschlacht der Discounter Der Siegeszug von Aldi und Lidl erlahmt

Preisschlachten, gesättigte Märkte, neue Konkurrenz – der Siegeszug der Discountriesen Aldi und Lidl gerät ins Stocken. Das Jahr 2009 geriet zum Desaster.

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Grafik: Wo die Deutschen ihre Lebensmittel kaufen

Die Spähtrupps im deutschen Handelskrieg sind gut getarnt. Wie ganz normale Kunden auf Schnäppchenpirsch wirken die rund 500 Rentner, Studenten und Hausfrauen, die allmorgendlich im Auftrag des Berliner Dienstleisters GKL Marketing-Marktforschung ausschwärmen. Ihre Mission: möglichst diskret die aktuellen Preise für Schauma-Shampoo, Milka-Schokolade und Tausende andere Produkte in den Regalen von Deutschlands Lebensmittelhändlern notieren und in die Berliner GKL-Zentrale melden. Dort werden die Zahlenkolonnen in Datenbanken eingespeist und sind wenig später per Knopfdruck von den Managern der großen Handelsketten abrufbar.

Die Sammelwut macht sich bezahlt. Seit gut einem Jahr tobt ein Preisgemetzel im Handel. Jeder Cent Bewegung in den Regalen ihrer Rivalen wird mit Gegenschlägen pariert. Das macht Preisdaten wertvoller denn je. Dienstleister wie die Berliner Preisstrategen zählen – neben den Verbrauchern, die für weniger Geld ihre Einkaufskörbe füllen können – zu den Gewinnern der Schlacht.

Aldi leidet, Lidl lahmt

Auch die Verlierer stehen fest: Nach einer Erhebung des Nürnberger Marktforschers GfK, die der WirtschaftsWoche vorliegt, haben ausgerechnet die preisaggressivsten Lebensmittelhändler 2009 ein Umsatzdesaster erlebt. Laut den GfK-Daten verharrte Lidls Anteil am 150 Milliarden Euro schweren Lebensmittelmarkt bei 9,8 Prozent, ein homöopathisches Plus von 0,1 Prozentpunkten. In den Jahren zuvor hatte der Aldi-Jäger aus dem schwäbischen Neckarsulm mit höheren Wachstumsraten geglänzt.

Einziger Trost für die Lidl-Manager: Ihren Erzrivalen hat es noch härter erwischt. Aldis Marktanteil schrumpfte 2009 laut GfK von 19 auf 18,4 Prozent. Mehr als vier Prozent Umsatz büßte der Discountkönig den Zahlen zufolge ein und verzeichnete damit den wohl schärfsten Einbruch der Firmengeschichte. Nicht nur der selbst verschuldete Preisdruck bei Lebensmitteln drückt die Umsätze, auch das sogenannte Nonfood-Geschäft bereitet Probleme. Die Deutschen sind schlicht überversorgt mit Aktionsware wie Fonduetöpfen und Fahrradhelmen.

Aldi leidet, Lidl lahmt – das ist eine neue Situation für die gesamte Branche.

Seit die Gebrüder Karl und Theo Albrecht mit ihren Aldi-Discountfilialen vor beinahe 50 Jahren starteten, schienen die Billigkrämer ein Abonnement auf Wachstum gebucht zu haben. Nach Aldi enterten Unternehmen wie Lidl, Norma, Penny und Netto den Markt und bauten ihren Umsatzanteil beständig aus. Doch nun sei ein Ende des Siegeszuges in Sicht, sagt GfK-Konsumforscher Wolfgang Twardawa: „Die Ära stürmischen Wachstums ist vorbei.“ Auch die Kölner Handelsexpertin Susanne Eichholz-Klein wähnt die „Discounter an der Wachstumsgrenze“. Statt weiter im Revier von Supermarktketten wie Rewe oder Edeka zu wildern, würden sich die Billigheimer zunehmend selbst Konkurrenz machen.

Netto steigt zur dritten Macht auf

Vor allem Netto trumpft auf. Der Edeka-Ableger ist seit der Übernahme des Tengelmann-Discounters Plus zur dritten Macht in der Billigliga aufgestiegen. Bis Sommer sollen alle 2300 früheren Plus-Filialen auf Netto Markendiscount umgeflaggt sein. Zusätzlich will Netto in diesem Jahr rund 300 neue Filialen eröffnen.

Die Konkurrenz torpediert die Netto-Ambitionen nach Kräften – Aldi etwa mit Preissenkungen. In 13 Runden prügelte Aldi die Preise für Nahrungsmittel seit Januar 2009 um insgesamt zwei Prozent nach unten. Die nächste Preisschmelze deutet sich schon an: Das Päckchen Markenbutter dürfte sich von Montag an um 20 auf 79 Cent verbilligen.

Da Marktführer Aldi durch striktes Kostenregiment Renditen zwischen 3,6 (Nord) und 4,6 Prozent (Süd) erzielt, bleibt trotz der Umsatzverluste immer noch Spielraum für weitere Rotstiftaktionen.

Für kleinere Händler wie Norma oder die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann könnte dagegen bald die Schmerzgrenze erreicht sein. Dann drohen heftige Verluste. Selbst Angreifer Netto gibt sich neuerdings bescheiden: Man werde „aufpassen, dass das Vertrauen der Kunden in die Qualität nicht durch die Fokussierung auf den Preis erschüttert wird“.

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