Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: imago images

Nur Transparenz kann Anleger vor einem zweiten Wirecard schützen

Die Lehren aus dem Fall Wirecard: Mehr Transparenz seitens der Unternehmen, der Abschlussprüfer und der staatlichen Aufsichtsbehörden sind zwingend nötig.

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Am 18. Juni 2020 um 10:43 Uhr zerstörte eine Ad-hoc-Mitteilung die Hoffnung vieler privater Anleger, institutioneller Investoren und Analysten: dass Deutschland ein weiteres global erfolgreiches Unternehmen haben würde. Wirecards Abschlussprüfer EY teilte mit, dass für 1,9 Milliarden Euro an Bankguthaben auf Treuhandkonten keine ausreichenden Prüfungsnachweise erbracht werden konnten und sogar Hinweise bestünden, dass unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden. Am Ende hatten Shortseller und Investigativjournalisten Recht: Teile der Umsätze von Wirecard waren vermutlich vorgetäuscht und das Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehreren Milliarden Euro überbewertet.

Das Vertrauen in den deutschen Finanzplatz wurde plötzlich in Frage gestellt. Wenige Wochen später wird nun immer deutlicher, dass die bestehenden Regulierungen und Aufsichtsinstitutionen weiterentwickelt werden müssen. Ein wichtiges Element dabei ist mehr Transparenz: seitens der Unternehmen, der Abschlussprüfer und der staatlichen Aufsichtsbehörden.

Mehr Transparenz seitens der Unternehmen

Wirecard wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, nicht transparent über Besonderheiten des Geschäftsmodells zu berichten, wie zum Beispiel über die Abwicklung von Transaktionsvolumina über externe Acquiring-Partner. Die Eignung des Corporate-Governance-Systems konnte daher nur bedingt beurteilt werden. Attacken von Shortsellern waren damit theoretisch begründet, können ein Korrektiv hin zu einer transparenteren Informationspolitik darstellen und zu einer effizienteren Preisfindung führen.

Der Fall Wirecard zeigt aber auch, dass neben der klassischen Finanzberichterstattung auch die nichtfinanzielle Berichterstattung mit den sogenannten Corporate-Social-Responsibility (CSR)-Berichten gestärkt werden sollte. Schon heute enthalten diese Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung; die Inhalte sind aber oftmals oberflächlich und liefern wenig relevante Informationen. Der CSR-Bericht von Wirecard zum Geschäftsjahr 2018 zeigt dies exemplarisch. Daher sollte der laufende Konsultationsprozess zur EU-Richtlinie zur CSR-Berichterstattung genutzt werden, um diese fortzuentwickeln; speziell im Hinblick auf Corporate-Governance-Erläuterungen. Ferner sollte die CSR-Berichterstattung ein verpflichtender Teil des Lageberichts werden, womit sie auch der Prüfung durch den Abschlussprüfer unterläge.

Mehr Transparenz seitens der Abschlussprüfer

Der Fall Wirecard hat aber auch Schwächen im Bereich der Abschlussprüfung offenbart. Erste Rufe nach einer Novellierung der Haftungsbeschränkung der Abschlussprüfer sowie eine Debatte über deren Verschwiegenheitspflicht sind nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang sollte auch ein offener Diskurs darüber geführt werden, wie ein eigenes Rederecht des Abschlussprüfers auf Hauptversammlungen rechtlich umsetzbar wäre und zu mehr Transparenz beitragen könnte.

Ein erster Schritt zu mehr Transparenz wurde schon vor einigen Jahren unternommen. Seither enthalten die Bestätigungsvermerke der Abschlussprüfer bei Unternehmen von öffentlichem Interesse eine Darstellung über besonders wichtige Prüfungssachverhalte – sogenannte Key Audit Matters. Dadurch konnte man dem Bestätigungsvermerk des Konzernabschlusses von Wirecard zum Geschäftsjahr 2018 vor einem Jahr entnehmen, dass EY im Zuge der Abschlussprüfung in Teilen eigene forensische Experten eingesetzt hatte. Die knappen Ausführungen von EY im betreffenden Key Audit Matter zeigen aber auch, dass diese erweiterten Bestätigungsvermerke weiterentwickelt werden sollten, indem zum Beispiel der Abschlussprüfer noch detaillierter über die erbrachten Prüfungshandlungen berichtet und getroffene Wesentlichkeitsannahmen erläutert.



Grundsätzlich wäre zudem zu überlegen, ob Abschlussprüfer zwingend forensische Untersuchungen initiieren müssen, wenn es entsprechende Hinweise gibt. Über Gründe, forensische Prüfungshandlungen und Ergebnisse wäre dann zu berichten. Im Falle Wirecard hätten sich damit weitere Untersuchungen, wie später von KPMG teils durchgeführt, eventuell schon früher ergeben.

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