Dieser Artikel stammt aus dem Dezember 2015. Einen aktuellen Artikel zum Thema finden Sie hier: Wo Roboter in der Arbeitswelt überall zum Einsatz kommen. Zu allen aktuellen Artikeln der WirtschaftsWoche geht es hier entlang.
Die Deutsche Bank hat schon im Juni gewarnt, dass die Digitalisierung analoge Jobs aufheben würde. Mitarbeiter haben ohnehin eine latente Angst um ihren Beruf, und seit zwei Jahren schwappen aus den USA immer wieder beängstigende Zahlen über den Ozean: fast 50 Prozent der Jobs seien in Zukunft überflüssig, 2020 stehen auch in Sternerestaurants nur noch Roboter. Kurz gesagt: Wer keine technische Ausbildung hat und den Maschinenzirkus befehligen kann, wird ersetzt. Doch das lässt sich auf den deutschen Arbeitsmarkt so alles gar nicht übertragen, wie es in einem Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit heißt.
Bislang habe man die Daten aus den USA einfach auf Deutschland übertragen, ohne zu berücksichtigen, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland ganz anders aussieht, als der amerikanische: In den USA gibt es prozentual mehr Akademiker und Führungskräfte, in Deutschland hingegen mehr Bürokräfte und Handwerker. Außerdem gibt es in den USA weder ein duales Ausbildungsprinzip, noch die darauf aufbauenden Weiterqualifizierungsmöglichkeiten, wie eine Meister- oder Technikerschule.
So haben sich Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereitet
Mehr als in Drittel aller Unternehmen bereitete sich durch digitales Management der Personalverwaltung vor. In der Studie waren Mehrfachnennungen möglich
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
An zweiter Stelle steht die Virtualisierung der Arbeitsplätze (28 Prozent), etwa durch virtuelle Desktops oder eine Ausstattung für Telefonkonferenzen.
Den dritten Platz teilen sich zwei Maßnahmen: die Einrichtung eines sozialen Firmennetzwerks sowie das Angebot von E-Learning (jeweils 25 Prozent).
18 Prozent der Unternehmen trafen Vereinbarungen zur Telearbeit
16 Prozent der befragten Unternehmen haben an ihrer Webseite gearbeitet.
13 Prozent der Unternehmen haben sonstige Maßnahmen ergriffen
Fünf Prozent der Unternehmen haben eine "BYOD" (bring your own device) Politik eigeführt.
Ein Drittel der befragten unternehmen gab an, keine der aufgeführten Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Digitalisierung umgesetzt zu haben
So arbeiten in den USA viele Highschool-Abgänger in Jobs, für die eine kurze Einarbeitung genügt. Hierzulande ist für so gut wie jeden Beruf eine mehrjährige Ausbildung nötig. Insofern lasse sich die Automatisierungswahrscheinlichkeit der amerikanischen Jobs nicht auf Deutschland umrechnen.
Ungelernte Helfer sind nicht zu ersetzen, Fachkräfte schon
Die Experten des IAB haben stattdessen den Anteil der Routine-Tätigkeiten in den rund 3.900 Einzelberufen, die es derzeit in Deutschland gibt, berechnet. Dafür zerlegten sie jeden Beruf in seine Einzeltätigkeiten und diese wiederum in fünf Typen:
- Analytische Nicht-Routine-Aufgaben
- interaktive Nicht-Routine-Aufgaben
- kognitive Routine-Aufgaben
- manuelle Routine-Aufgaben
- manuelle Nicht-Routine-Aufgaben
Und Routine-Aufgaben können von Maschinen nach programmierbaren Regeln erledigt werden. Kognitive Routine-Aufgaben wie in der Buchhaltung oder manuelle Routinen wie das Sortieren von verschiedenen Dingen können Computer und Roboter ganz prima übernehmen. Managementaufgaben oder Beratungsjobs, also analytische und interaktive Nicht-Routine-Aufgaben können Computer dagegen nicht erledigen, sie können dort höchstens unterstützen. Und manuelle Nicht-Routine-Tätigkeiten können Maschinen - zumindest in den nächsten zehn Jahren - überhaupt nicht übernehmen. Ein Roboter kann nicht im Supermarkt Regale einräumen. Und auch trotz aller Fortschritte bei selbstfahrenden LKW und PKW braucht es immer noch menschliche Fahrer, weil die Computer bislang nur teilautonom und nur auf bestimmten Strecken zum Einsatz kommen können.
Was Maschinen nicht können
In einer Baustelle mit einer ungesicherten Unfallstelle auf der rechten Fahrbahn versagt das System - hier muss der Mensch ran. Und zwar der Fernfahrer, kein Ingenieur oder Teilchenphysiker. Dieses Fazit zieht sich durch die Studie: Viele Berufe, die eine ganze Zeit lang als bedroht angesehen wurden, weil es um einfache Tätigkeiten ging, sind letztlich die, die weniger Angst vor der Digitalisierung haben müssen. Es ist zwar absehbar, dass in Zukunft einige der Tätigkeiten, die bisher als Nicht-Routine-Tätigkeiten eingeschätzt werden, zu Routinetätigkeiten werden, weil sie dann durch Computer ersetzbar sind. Allerdings gibt es drei Funktionen, die die Technik - zumindest in naher Zukunft - nicht ersetzen kann:
- Wahrnehmung und Feinmotorik
- kreative Intelligenz (Kunst, kreative Problemlösungen)
- soziale Intelligenz (verhandeln, überzeugen)
Betrachtet man den deutschen Arbeitsmarkt, bedeutet das, dass die Tätigkeiten von mehr als 2,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten derzeit nicht durch einen Computer zu ersetzen sind. Bei 13,2 Millionen Beschäftigten können Computer 30 bis 70 Prozent ihrer Tätigkeiten erledigen. Und bei 4,4 Millionen Deutschen beträgt das Substituierbarkeitspotenzial mehr als 70 Prozent. Das heißt: 4,4 Millionen Menschen könnten theoretisch schon jetzt von Computern ersetzt werden. Prozentual sind damit rund 15 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten per heute austauschbar.