Debatte ums Lastenrad „Wir sind selbst überrascht, wo wir überall auftauchen“

Hydrofoil Bike: Das elektrisch angetriebene Wasserfahrrad im vollen Einsatz. Quelle: Presse

Um gegen die Grünen auszuteilen, lobt Verkehrsminister Andreas Scheuer bei Twitter eine Art E-Bike fürs Wasser – und erntet Spott im Netz. Aber was sagt der neuseeländische Hersteller zu dem Trubel?

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Knapp 18.000 Kilometer liegen zwischen Berlin und Hamilton, einer kleinen Stadt auf der Nordinsel von Neuseeland.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat digital einen kurzen Bogen geschlagen: Bei Twitter verbreitete er kürzlich das Video eines „Hydrofoil-Bikes“ des Start-ups Manta5 aus Hamilton. Das Fortbewegungsmittel ist, grob vereinfacht, eine Mischung aus Fahrrad und Jetski. Wer elektronisch unterstützt in die Pedale tritt, gleitet gewissermaßen über das Wasser – mit bis zu 22 Stundenkilometern.

Scheuer verband seinen Tweet mit spitzen Worten gegenüber der politischen Konkurrenz: „Glauben die Grünen wirklich, mit Verboten sogar im Sport (z.B. Kitesurfen), Singen und Lastenrad lösen wir die großen Klimafragen?“ CDU und CSU, so der Minister, setzten beim Klima dagegen auf Erfindergeist und Innovation.



Bei Twitter hagelte es spöttische Kommentare für Scheuer: „Sind Sie der Verkehrsminister von Venedig?“, fragt eine Frau.
Wie fühlt es sich als Start-up in der Ferne an, so in den deutschen Wahlkampf gezogen zu werden? Ein Anruf in Neuseeland bei Manta5-Vorstandschef Mark Robotham:

WirtschaftsWoche: Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer hat einen Beitrag über Ihr Wasserfahrrad bei Twitter geteilt. Haben Sie mitbekommen, dass Sie so prominente Unterstützung aus Deutschland bekommen?
Mark Robotham: Wir haben es tatsächlich mitbekommen, ein Kunde aus Deutschland hat es uns berichtet. Ansonsten hätten wir es aber, ehrlich gesagt, wahrscheinlich verpasst. Es passiert gerade ziemlich viel gleichzeitig. Es ist wirklich faszinierend, wie sehr unser Produkt gerade viral geht. Wir sind selbst immer wieder überrascht, wo wir überall auftauchen. Medien und auch Regierungen weltweit geht es vor allem um den ökologischen Aspekt unseres Hydrofoil-Bikes.

Auch Andreas Scheuer bezeichnet es in seinem Tweet als ein Beispiel dafür, wie Klimainnovation funktioniert…
Das ist ein Aspekt, auf den wir noch gar nicht so stark setzen. Für uns geht es mehr darum, dass man mit dem Hydrofoil-Bike ein Teil der Natur sein kann. Aber natürlich ist unser Gerät ein umweltfreundliches Fortbewegungsmittel – das ist sicher einer der Vorteile. Und natürlich eröffnet sich so ein spannender unerschlossener Markt für uns.

Mark Robotham Quelle: Presse

Aber kann das Wasserfahrrad tatsächlich als ein Fortbewegungsmittel für den Alltag dienen?
Natürlich ist der Freizeitmarkt erst einmal wichtiger. Ich vergleiche das gerne mit der Fahrradindustrie. Auch da gab es zunächst nur normale Fahrräder – und der Markt brauchte mehrere Jahrzehnte, um sich zu entwickeln. Ein Beispiel: Irgendwann beschloss jemand, mit dem Fahrrad steile Berge runterzufahren, so entstanden BMX-Räder und viele weitere Variationen.

Das erste Modell auf dem Markt kostet 8000 Euro. Welche Variationen haben Sie denn noch im Sinn?
Allzu viel wollen wir noch nicht verraten. Aber mit der elektrisch unterstützten Version starten wir natürlich eher in einem hochpreisigeren Segment. Es könnten aber noch Modelle speziell für Familien folgen. Oder komplett manuell angetriebene Fahrräder – damit wären auch Wettkämpfe auf dem Wasser möglich. Unser Traum ist es, die Bikes bei Olympia zu sehen.

Andreas Scheuer lobt Ihr Bike schon mal als ein Beispiel für „Erfindergeist & Innovation“ – dem würden Sie wahrscheinlich nicht widersprechen. Wie lief denn die Entwicklung?
Schon 2013 hatte unser Gründer Guy Howard-Willis den Traum, über das Wasser zu fliegen. Er hat ein erfolgreiches Onlinegeschäft für Outdoorkleidung gegründet. Wir haben dann aber sieben Jahre daran getüftelt, bis die Technik auch wirklich funktioniert. Es sollte etwa möglich sein, auch nach einer Pause wieder loszufahren, wenn das Vorderteil etwas in Wasser eingesunken ist. Mittlerweile haben wir dafür einige Patente angemeldet. Zur CES 2020 in Las Vegas konnten wir es dann endlich präsentieren.

Und kurz danach kam Corona. Was bedeutete das für Ihr Geschäft?
Es ist eine Achterbahnfahrt. Als wir im April 2020 mit der Produktion begonnen haben, hatten wir die Sorge, dass niemand ein solches Produkt kaufen will. Aber es passierte genau das Gegenteil: Weil die Leute nicht reisen konnten, suchten sie nach Ablenkung in der Heimat – und nach Abwechselung. Wir wurden von der Nachfrage überwältigt.

Und wie läuft es in diesem Jahr?
2021 war besonders herausfordernd, weil es in der Lieferkette hakt. Wir produzieren in Taiwan. Doch in der gesamten Fahrradindustrie ist die Nachfrage nach Teilen extrem hoch.

Von den ersten Kunden in Deutschland haben Sie bereits berichtet. Nun bauen Sie aber auch Ihr Vertriebsnetz in Europa aus. Warum das?
Dieser Sommer war unser erster, in dem wir auf der nördlichen Erdhalbkugel aktiv waren. In Neuseeland leben gerade einmal fünf Millionen Menschen – wenn man eine global erfolgreiche Marke aufbauen will, muss man woanders hin gehen. Europa ist für uns ein wichtiger Startpunkt. Dort leben genügend Menschen mit ausreichender Kaufkraft. Gleichzeitig gibt es dort wunderschöne Seen und gut geeignete Küstenstreifen. Einige Kunden sind sogar schon im Neoprenanzug im Winter aufs Wasser gegangen…

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Wie soll es weitergehen?
Am Ende sind wir ein risikokapitalfinanziertes Start-up. Es wird für uns darum gehen, einen Nischenmarkt zu finden und zu besetzen. Als ich vor einigen Jahren dazu gestoßen bin, habe ich mir gedacht: „Wow, das ist ein cooles Produkt – aber ist es auch ein Business?“ Das haben wir mittlerweile bewiesen. Jetzt geht es um die Frage, wie groß es werden kann.

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