Finanzguru-Gründer „Viele Menschen haben wenig Lust, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen“

Die Brüder Alexander Michel (links) und Benjamin Michel haben Finanzguru 2015 gegründet.

Das Frankfurter Fintech Finanzguru sammelt in schwierigen Zeiten 13 Millionen Euro ein, unter anderem von Paypal Ventures. Ein Gespräch über sparsame Verbraucher, möglichen Ideenklau und die Frage, warum Gründer auch mal freiwillig auf eine höhere Bewertung verzichten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Sind schlechte Zeiten für Verbraucher gute Zeiten für Finanzguru?
Benjamin Michel: Auf Kosten zu achten oder ein Haushaltsbuch zu führen, ist heute noch wichtiger als vor zwei oder drei Jahren. Das Thema Sparen ist für eine breitere Zielgruppe relevant, das spüren wir. Gestiegene Kosten merkt man bei der Urlaubsplanung, beim Lebensmitteleinkauf, bei den Energiepreisen. Viele Menschen haben immer noch wenig Lust, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen – aber sie sehen jetzt häufiger die Notwendigkeit. 

Lange Zeit kommunizierte Finanzguru die Zahl von 500.000 Nutzern. Haben Sie Ihre Zielgruppe damit schon komplett ausgeschöpft? 
Alexander Michel: Ganz im Gegenteil. Inzwischen stehen wir bei 1,5 Millionen Nutzern. Und wenn wir auf unsere gesamte Zielgruppe schauen, sehen wir 47 Millionen Menschen allein in Deutschland. Denn die einzige Voraussetzung für Finanzguru ist, dass man in irgendeiner Form das Online-Banking nutzt. Darum liegt unser Fokus auch weiterhin auf Deutschland, weil wir hier noch lange sehr stark wachsen können.

Vor kurzem haben Sie 13 Millionen Euro von Investoren eingesammelt, darunter war Paypal Ventures. Hatten Sie ein mulmiges Gefühl, als Sie in die Investorensuche für diese Finanzierungsrunde gestartet sind? Zahlreiche Fintechs tun sich gerade sehr schwer, neues Kapital zu erhalten.
Alexander Michael: Wir hatten tatsächlich keine Sorgen. Unsere Nutzerzahlen sind stark gestiegen, unsere Erträge auch. Dazu kommt: Im operativen Geschäft schreiben wir bereits schwarze Zahlen – wir müssen nur das Marketing vorfinanzieren. Die Kombination aus kräftigem Wachstum und Profitabilität in Sichtweite ist das, was Investoren gerade suchen.

Das ist Finanzguru

Laut Presseberichten haben Sie freiwillig auf eine höhere Unternehmensbewertung verzichtet. Wer tut denn sowas?
Benjamin Michel: Wir haben von vorneherein versucht, mit Augenmaß zu investieren und zu wachsen. Das hat uns jetzt in einem schwierigeren Umfeld in die Karten gespielt. So konnten wir genau darauf achten, wofür wir wirklich Kapital brauchen.
Alexander Michel: Dazu kommt: Je höher eine Finanzierungsrunde ist, desto mehr Anteile muss man als Gründer meist auch abgeben. Und wenn man wie wir davon überzeugt ist, dass das Unternehmen wirklich groß werden kann, dann will man natürlich möglichst wenig abgeben.

Schmerzt es, zahlungswilligen Geldgebern absagen zu müssen?
Benjamin Michel (lacht): Das ist ja ein Spiel, was in beide Richtungen funktioniert. Die Investoren wissen, dass sie nicht die einzigen sind, die Interesse haben, sich zu beteiligen. Und auch wir haben in der Vergangenheit Absagen erhalten.

Mit Paypal Ventures ist nun der nächste Geldgeber mit großem Namen eingestiegen. Stolz?
Benjamin Michel: Es ist sehr gut für uns, mit Investoren zusammenzuarbeiten, die unser Geschäftsmodell komplett verstehen. Wir bringen alle Konten an einen Ort – in dieser Form macht das im Markt kein anderer. Das ist eine komplexe Aufgabe, daher haben wir uns auch bewusst für die Investoren entschieden, die uns helfen können. Die Deutsche Bank etwa steht für enorme Erfahrung auf der Bankenseite, mit Scor Ventures und Hannover Digital unter dem Dach der HDI-Gruppe haben wir Fachwissen aus dem Versicherungsbereich. Und Paypal steht jetzt für einen ähnlichen Ansatz, nämlich die Bankenunabhängigkeit. Wir freuen uns sehr, dass diese Experten uns jetzt auch im Board unterstützen.

Keine Sorge, dass sich die beteiligten Finanzdienstleister – zu denen auch ein Fonds der Genossenschaftsbanken gehört – einfach Ihr Erfolgsrezept abgucken?
Alexander Michel: Nein. Alle sind nicht als strategischer Investor, sondern als Finanzinvestor bei uns beteiligt. Wir sind komplett unabhängig in dem, was wir machen. Aber unsere Geldgeber haben natürlich exzellentes Branchenwissen – und sehen, was wir bewegen können.

Finanzübersicht auf der einen Seite, Versicherungen abschließen auf der anderen – für einzelne Teile Ihres Angebots gibt es digitale Konkurrenz, von Fintechs und Banken. Wie will sich Finanzguru absetzen?
Alexander Michel: Wir haben es geschafft, unseren Kunden mit der bankenunabhängigen Übersicht und Kontrolle der perfekte Begleiter für die täglichen Finanzen zu sein. Viele unserer Kunden loggen sich dabei jeden Tag in ihr Konto ein und nach und nach haben uns viele Kundenanfragen zur langfristigen Planung ihrer persönlichen Finanzen und Versicherungen erreicht. Wir haben gesehen, dass hier ein echter Bedarf besteht – und wir die Beratung neu erfinden können. Anstelle eines Beraters, der zu einem nach Hause kommt, findet beim Finanzguru die Erfassung der Kundendaten und ihre Analyse für den Finanzbedarf automatisch und komplett digital statt. Die mühsame Frage-und-Antwort-Prozedur mit einem Berater kann man sich sparen. Die Beratung gibt es dann per Videokonferenz oder Telefonat.

Sie zielen dieses Jahr auf zehn Millionen Euro an eigenem Umsatz. Wo soll der herkommen? Und wie kann er wachsen?
Alexander Michel: Etwa 80 Prozent unserer App kann man kostenlos nutzen. Aber ein paar Funktionen, etwa die Prognose der Kontenentwicklung oder ein weiter Blick zurück in die Ausgabenhistorie, die stehen hinter einer Paywall. Dafür zahlen viele Nutzer knapp drei Euro im Monat, das deckt einen Teil unserer Kosten.

Chaostage in Lehrte Die seltsame Pleite der Helma Eigenheimbau AG

Nach dem Insolvenzantrag der börsennotierten Helma Eigenheimbau AG kippen nun wichtige Tochterunternehmen in die Insolvenz – und das Pleite-Manöver des Aufsichtsrats wirft neue Fragen auf.

Galeria Kann der „Rudi Carrell von Galeria“ das Warenhaus retten?

Olivier Van den Bossche soll die letzte große deutsche Warenhauskette Galeria retten. Bei den Mitarbeitern reift jedoch der Eindruck: Außer guter Laune kommt da nicht viel.

Bundesrechnungshof-Kritik „Was sollte die Alternative zum Ausbau der Erneuerbaren sein?“

Der Bundesrechnungshof hält wegen der stockenden Energiewende die Versorgungssicherheit für gefährdet. Nun meldet sich einer der führenden Energiemarktexperten zu Wort – und stellt das Vorgehen des Prüfgremiums infrage.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Benjamin Michel: Dazu kommen die Provisionserlöse als unabhängiger Makler. Nach den Versicherungen schauen wir jetzt auch stärker in den Bereich der Altersvorsorge. Das ist ein riesiges Thema – und bei den meisten Menschen basiert die Absicherung noch nicht auf einem breit gestreuten Aktienportfolio. In diesem Bereich sind wir bereits unterwegs, aber wir wollen ihn ausbauen.

Lesen Sie auch: Wie hilfreich ist der Finanzguru wirklich?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%