Als Ausgangsmaterial sollen Nebenprodukte etwa aus der Zuckerherstellung oder auch Strohreste zum Einsatz kommen. In Bioreaktoren sollen genetisch veränderte Bakterien diese verarbeiten – und so neue Stoffe herstellen. Vergleichbar sei der Prozess grundsätzlich mit der Wein- oder Bierherstellung, sagt Klein. Auch in der Pharmaindustrie werden Bioreaktoren bereits in größerem Stil genutzt, etwa zur Insulinherstellung. Die großen Vorteile auf dieser Weise hergestellter Rohstoffe: Ihre Produktion kommt ohne fossile Ressourcen aus, verbraucht deutlich weniger Energie und sie sind biologisch abbaubar.
Den typischen Start-up-Prozess will Klein umdrehen. Ausgangspunkt ist keine Erfindung, für die dann Anwendungsmöglichkeiten gesucht werden. Vielmehr fragt der Gründer den Bedarf von Konsumgüterherstellern ab und schließt Entwicklungspartnerschaften ab. Dann hält er international an Hochschulen und Forschungsinstituten nach passenden Wissenschaftlern Ausschau. Auch die Übernahme anderer Start-ups ist eine Option, sagt Klein. „Wir wissen genau, was wir wollen, und suchen dann passende Teams.“ Auf knapp 20 Mitarbeiter ist Origin.bio inzwischen angewachsen – wann es marktreife Produkte gibt, ist aber noch offen.
Steiniger Weg zur industriellen Produktion
Die große Herausforderung für alle Start-ups in der Branche: Von ersten Erfolgen im Labor bis zur Massenproduktion ist es ein weiter Weg – und er verschlingt viel Kapital. „Auf Finanzierungsseite gibt es noch große Berührungsängste, wenn es um die Skalierung geht“, sagt Ann-Kathrin Kaufmann. Der Biocampus will Start-ups zumindest im ersten Schritt helfen: In Straubing soll bis Ende 2024 eine Demonstrationsanlage entstehen, in der Unternehmen Produktionsprozesse testen können. Gefördert wird die 40 Millionen Euro teure Anlage von der bayerischen Regierung.
Eine eigene Pilotanlage in Hamburg-Buchholz plant derzeit Traceless. Beim Aufbau hoffen die Gründerinnen auf staatliche Hilfe. Gerade haben sie sich auf eine EU-Förderung im Rahmen des Horizon-Programms beworben. Klassische Geldgeber kämen für Investments in Produktionsanlagen kaum in Frage, sagt Mitgründerin Baare: „Man muss ehrlicherweise sagen, dass die Skalierung viel Kapital benötigt und es dauert, bis wir einen Gewinn erwirtschaften werden.“ Entwickelt hat ihre Co-Gründerin und Verfahrenstechnikerin Lamp die Traceless-Technologie während ihrer Zeit als Doktorandin der TU Hamburg. Details wollen die Gründerinnen mit Verweis auf eine laufende Patentanmeldung nicht nennen. Sie geben nur an, dass natürlich vorkommende Polymerketten ohne Zusatzstoffe aus pflanzlichen Ausgangsstoffen extrahiert werden. Das können etwa Maisreste aus der Stärkeproduktion sein oder auch Treber aus Brauereien. Eine Fermentation mit Bakterien wie etwa bei Origin.bio soll nicht nötig sein.
Traceless will zunächst vor allem Kunststoff-Verpackungen ersetzen, die oft in der Natur landen– wie etwa To-Go-Becher oder Einmalgeschirr. Denn anders als viele bisherige Bio-Kunststoffe soll das Material auch abseits industrieller Kompostieranlagen in wenigen Wochen verrotten. Mit demselben Versprechen feiert gerade auch Pottburri Erfolge. Das Start-up, das kürzlich in der Vox-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ zu sehen war, stellt Pflanztöpfe aus Schalen von Sonnenblumenkernen her.
Bei Traceless kam mit Planet A kürzlich ein Investor an Bord, der ausschließlich Start-ups unterstützen will, deren Geschäfte einen positiven Einfluss auf die Welt haben. Weiterer Geldgeber des erst im September gegründeten Unternehmens ist die auf Biotechnologie und Chemie spezialisierte Firmenschmiede B.value. An der Finanzierungsrunde in einstelliger Millionenhöhe war zudem der halbstaatliche High-Tech Gründerfonds beteiligt.
Am Ende könnte sich ausgerechnet die Regulierung, die Traceless gerade ein solch immenses Marktpotenzial eröffnet, sich als größte Hürde erweisen: Würde die EU das Traceless-Material als Kunststoff klassifizieren, fiele es auch zumindest vorläufig unter das neue Plastikverbot. Angekündigt hat die EU-Kommission aber bereits, dass biobasierte Verpackungen bei technischen Fortschritten neu bewertet werden sollen.
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