Start-up-Finanzierung Mit Fremdkapital auf die Überholspur

Quelle: ddp images

Um ihr Unternehmen nach vorne zu bringen, geben Gründer oft früh Anteile an Wagniskapitalfirmen ab. Eine neue Riege an Investoren dient sich nun als Alternative an – und vergibt Geld gegen Umsatzbeteiligungen.

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Sie bringen nicht nur wertvolles Know-how und ebenso wertvolle Kontakte mit – sondern vor allem viel Geld: Institutionelle Wagniskapitalgeber sind für viele Gründer der ideale Partner. Paul Kaffsack dagegen lehnt Angebote klassischer Venture-Capital-Firmen konsequent ab. „Mit jeder Finanzierungsrunde tritt man Anteile ab, meist in Kombination mit einer langen Liste an zustimmungspflichtigen Geschäften. Irgendwann diktieren einem andere dann, mit welchem Fuß man morgens aufzustehen hat“, sagt der Seriengründer, der bereits mehrere Digital-Firmen aus der Taufe gehoben hat. Sein aktuelles Unternehmen Myra Security hat er vor knapp acht Jahren zusammen mit Sascha Schumann gegründet. Ein paar Privatinvestoren kamen anfangs als Mitgesellschafter dazu, doch seither finanziert sich die Münchener IT-Sicherheitsfirma vor allem aus den laufenden Einnahmen.

Spezialisiert auf kritische Infrastrukturen, hat das Softwareunternehmen namhafte Banken, Behörden und Versicherer als Kunden gewonnen. Das Wachstum war lange beständig, aber nicht rasant. Im vergangenen Jahr haben sich die beiden Gründer dann dazu entschlossen, erstmals in größerem Umfang externes Kapital anzunehmen. „Wir stellten eine steigende Nachfrage fest, die wir durch eine Marketingoffensive noch verstärken wollten“, sagt Kaffsack. Bei der Finanzierung hat das Gründer-Duo einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Die beiden Männer haben sich Geld geliehen – und sich verpflichtet, es aus künftigen Einnahmen zurückzuzahlen.

Round2 Capital nennt sich der Wagniskapitalgeber, dem sich die Myra-Gründer anvertraut haben. Das Wiener Unternehmen gehört in Europa zu einer neuen Art von Investoren, die sich als Alternative zu traditionellen VC-Firmen positionieren. Statt Gesellschaftsanteile verlangen sie eine zeitweise Beteiligung an den Umsätzen. Formell handelt es sich um Fremdkapital-Finanzierungen, ähnlich wie bei Krediten. Doch anders als bei Banken kommen auch junge Unternehmen zum Zuge, die wenig bis keine handfesten Sicherheiten vorweisen können. Das Geld fließt stets in Marketing und Vertrieb – und soll dort als Wachstumsbeschleuniger wirken. „Wir helfen Unternehmern ihr Geschäft nach vorne zu bringen, ohne dass sich ihre Anteile verwässern“, sagt Round2-Chef Christian Czernich.

Wurzeln in der Old Economy

In den USA ist das unter dem Namen „Revenue Based Financing“ (RBF) bekannte Instrument bereits relativ weit verbreitet. Mehr als 20 größere Anbieter hat etwa David Teten, Chef der VC-Firma S.O.P. Finance und Kenner der Szene, gezählt. „Es entsteht gerade eine neue Welle umsatzbasierter Investoren“, schreibt er in seinem Blog. Diese, so seine Überzeugung, werden sich zu einem bedeutenden Segment innerhalb der Wagniskapital-Branche entwickeln. Seine Wurzeln hat das Finanzierungsmodell aber in der Old Economy: So werden darüber etwa Projekte in der Öl- und Gasbranche, Filme oder die Entwicklung von Medikamenten finanziert.

Auch in Europa übertragen findige Finanzexperten das Instrument nun in die Welt der Tech-Start-ups. So mischen auf Investorenseite neben Round2 Capital auch Uplift1 aus Berlin und Uncapped aus London auf dem Markt mit. Selbst noch ein Start-up, hat sich das britische Unternehmen Ende des vergangenen Jahres ironischerweise seinerseits VCs an Bord geholt. Beteiligt an der elf Millionen Euro schweren Finanzierungsrunde war mit Global Founders Capital auch ein Investmentvehikel der Samwer-Brüder.

Round2-Chef Czernich gibt an, neben eigenem Kapital und dem seiner Partner Geld „mehrerer renommierter Unternehmer aus Europa“ zu investieren. Uplift1 umwirbt nach den ersten Investments nun vor allem Family Offices, um einen Fonds aufzubauen. Die Anschubfinanzierung kam von Marco Vietor, der aktuell mit dem Online-Akustiker Audibene unterwegs ist. Zuvor hatte der Seriengründer unter anderem Brain Capital mitaufgebaut. Der Bildungsfonds übernimmt die Gebühren privater Hochschulen. Die Studenten zahlen diese einkommensabhängig nach dem Berufseinstieg in Raten zurück. „Im Prinzip funktioniert Revenue Based Financing mit genau derselben Logik“, sagt Uplift1-Gründer Ariyan Seyed Nassir. „Wir wetten auf künftige Erträge.“

Wie viel Geld die RBF-Investoren zur Verfügung stellen und wie schnell sie dieses zurückhaben wollen, unterscheidet sich stark. Uncapped etwa vergibt nach eigenen Angaben Beträge zwischen umgerechnet 11.000 und 2,2 Millionen Euro mit offener Laufzeit. Round2 hat seit der Gründung 2017 elf Firmen mit Summen von 300.000 bis zwei Millionen Euro unterstützt. Abgestottert werden kann die Finanzierung über die Umsätze von bis zu sechs Jahren. Uplift1 wiederum vergibt bis zu 500.000 Euro und will das Geld nach spätestens anderthalb Jahren wieder eingespielt haben.

Alle Anbieter legen die Höhe der Umsatzbeteiligung als Prozentsatz fest. Das Charmante aus Start-up-Sicht: Anders als bei den festen Rückzahlungsplänen eines Bankkredits passen sich die absoluten Raten der Geschäftsentwicklung an. In schlechten Monaten wird weniger zurückgezahlt, in guten mehr. Die Finanzierung ende automatisch, wenn der vorab vereinbarte Gesamtbetrag über die Umsatzbeteiligung erreicht wurde, erläutert Round2-Chef Czernich, der vormals im Investmentbanking tätig war. „Unsere eigene Rendite ist höher, je mehr Umsatz das Unternehmen macht – denn dann bekommen wir unser Geld schneller zurück.“

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