Studieren in Stanford, Harvard oder Princeton Wie Helikoptereltern ihre Kinder in der Elite platzieren

Der Campus der Harvard University: Hier wollen viele Eltern ihren Nachwuchs sehen.Bildquelle: Harvard University Quelle: PR

Eltern sorgen sich immer häufiger um die Karriere ihrer Kinder. Sie fangen deshalb früher an, sich einzumischen – und setzen auch auf teure Schulen sowie Unis im Ausland, um dem Nachwuchs einen Vorteil zu verschaffen.

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Wenn Mario Stiploschek über die Harvard Universität spricht, gerät er ein bisschen ins Schwärmen. „Einer der Höhepunkte meiner Karriere war es, eine Vorlesung in Harvard zu hören.“ Hören, wohlgemerkt, nicht halten.

Verständlich also, dass Stiploschek nicht nur ein bisschen stolz klingt, wenn er sein neuestes Vorhaben erklärt: Er will es mehr deutschen Jugendlichen ermöglichen, in den ehrwürdigen Hörsälen der Bostoner Elite-Uni zu studieren. Dafür sind nicht nur gute Noten erforderlich, sondern in erster Linie: Geld.

Der Hamburger hat Erfahrung darin, junge Menschen in internationalen Bildungseinrichtungen unterzubringen. Seit knapp 40 Jahren vermittelt er als Inhaber der Agentur E2 Education Abroad deutschen Schülern Aufenthalte in prestigeträchtige Schulen in England, Neuseeland oder den USA. Gemeinsam mit dem spanischen Dienstleister Ivy League Education will er ihnen in diesem Jahr auch helfen, an amerikanischen Elite-Universitäten zugelassen zu werden.

Sein Angebot richtet sich im Prinzip an zukünftig Studierende. Aber er bedenkt auch eine weitere Zielgruppe: „Eltern nehmen heute viel größeren Einfluss auf Bildung und Karriere ihrer Kinder, als noch vor 15 Jahren“, sagt der Chef von E2 Education Abroad. Er sieht darin einen Ausdruck der Unsicherheit, die viele Menschen angesichts der Arbeitsmarktlage auch für ihre Kinder antizipieren. „Sie denken, die Ausbildung muss besser werden, sonst bleiben ihre Kinder auf der Strecke“, so Stiploschek.

So kreisen nun auch über Universitäten und dem Arbeitsmarkt die Helikoptereltern.

Der wachsende Einfluss der Eltern auf die Karrieren ihrer Kinder hat verschiedene Ausprägungen: Veranstalter organisieren mittlerweile Karrieremessen, die sich nicht mehr vornehmlich an die eigentlichen Bewerber richten, sondern an deren Eltern. Unternehmen berichten häufiger von Müttern und Vätern, die beim Vorstellungsgespräch ihrer Kinder dabei sein wollen.

Die Ökonomen Angela Ulrich, Andreas Frey und Jean-Jacques Ruppert von der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) haben sich dem Phänomen untersucht. Sie analysierten das Nationale Bildungspanel (NEPS), eine Langzeitstudie, bei der 60.000 Schüler regelmäßig in Kohorten befragt werden, und erkannten: Für 80 Prozent der Jugendlichen sind Eltern die wichtigsten Ratgeber bei der Berufswahl. Professionelle Karriereberater, Lehrer oder Freunde sind allesamt weniger einflussreich. 45 Prozent aller Eltern übernehmen dabei teilweise die Suche nach freien Stellen für ihre Kinder, 44 Prozent schreiben an der Bewerbung mit. Weil ihr Einfluss zwar groß, ihr Wissen aber nicht unbedingt auf dem neuesten Stand ist, schlagen die Forscher vor, dass nicht nur Schüler, sondern auch Eltern an Berufsberatungen teilnehmen sollten.

Kaum verwunderlich also, dass auch Angebote wie das von Mario Stiploschek angenommen werden, wenn auch zunächst recht vereinzelt. Zusammen mit seinem Partner Ramon Romero bietet er verschiedene Programme an: Für 7900 Euro garantieren die beiden einen Platz in den nach Rankings 200 besten Unis, für 11.900 Euro gilt die Garantie für die Top 100 und für 13.900 Euro soll sogar die Vermittlung in eine von 50 renommierten Elite-Universitäten gelingen, darunter etwa die Stanford Universität. Auch die Ivy-League-Institutionen wie Harvard oder Princeton sind Teil dieses Pakets, allerdings könne er für diese die Zulassung nicht garantieren.

Die Kosten beinhalten einen Eignungstest, um einschätzen zu können, ob die Interessenten den hohen Anforderungen auch gewachsen sind. Dazu kommt eine Beratung, welche der vielen Hochschulen am besten passt. Und schließlich der wichtigste Teil des Pakets: Romero, der seit vielen Jahren mit den amerikanischen Elite-Unis zusammenarbeite, sorge dafür, dass die Bewerbungen nicht unbeantwortet im Papierkorb landen. „Wenn das über uns läuft, kann Ramon Romero zumindest dafür sorgen, dass sie sorgfältig vom Dekan gelesen wird“, sagt Stiploschek. Diese persönlichen Kontakte würden bei der Zulassung immens helfen.

„Das ist nichts für jeden, sondern für ambitionierte Leute“

Außer zahlen müsse man laut Stiploschek dann vor allem: lernen. Wer an die besten Colleges will, braucht einen überdurchschnittlichen guten Wert beim SAT-Test, einem standardisierten Eignungsverfahren für US-Hochschulen. Interessierte absolvieren deshalb zunächst einen Test zur Probe, um abschätzen zu können, für welche Hochschulliga es reicht. Mehr als 1400 Punkte bräuchte man zum Beispiel für die besten 50 Unis.

Um den anspruchsvollen Test auf Englisch so gut zu bewältigen, müsse man aber bereits in der 9. oder 10. Klasse anfangen zu lernen. Mindestens 100 Stunden 1-zu-1-Training mit US-Tutoren via Videokonferenz seien dafür nötig. Alleine dafür werden in Stiploscheks Programm zusätzlich 8200 Euro fällig. Stiploschek weiß, wie anstrengend – und teuer – das Ganze ist. „Das ist nichts für jeden, sondern für ambitionierte Leute, die Karriere machen wollen. So ein Abschluss kann viele Türen öffnen.“

Auch Juliane von Bülow beobachtet die wachsenden Sorgen der Eltern um die berufliche Zukunft ihrer Sprösslinge. „Eltern begleiten die Planung der Ausbildung immer enger, das sehen wir seit mehreren Jahren“, sagt die Geschäftsführerin der Agentur Betterschool, die mehr als 200 deutsche Schüler im Jahr in Internate in England bringt. Von Bülow hat auch eine Erklärung für diesen Trend: „Wir wissen heute weniger als früher, welche Herausforderungen unsere Kinder in Zukunft bewältigen müssen.“

Dazu komme eine weitere Entwicklung, die die Jobsuche schwieriger machen könnte. Es gebe immer mehr Abiturienten, die dabei immer bessere Notenschnitte erzielten. „Das gute Abitur reicht nicht mehr. Die Eltern sehen das und überlegen, was kann ich meinem Kind bieten, damit es aus der großen Masse herausragt“, so von Bülow.

Wenn man also nicht ahne, welche konkreten Fähigkeiten man in zehn Jahren brauche, um im Beruf erfolgreich zu sein und das Abitur als einziges Befähigungssignal verwässere, müssten wenigstens die allgemeinen Grundlagen stimmen. Damit meint von Bülow: Persönlichkeit, soziale Kompetenz, Netzwerke und Kontakte in die Wirtschaft. Die lerne man, wie sie wenig überraschend erklärt, besonders gut in einem angesehenen, angelsächsischen Internat.

Die Betterschool-Chefin weiß, dass das ein teurer Ratschlag für Eltern ist. Die Internate sind häufig reine Privatschulen, über die Schulgebühren werden Unterkunft, Verpflegung und Ausstattung, aber auch Lehrer, Köche und Trainer bezahlt. Für ein Jahr könne man mit rund 40.000 Euro rechnen. „Manche Leute machen das aus der Portokasse, andere müssen sich richtig krummlegen.“ Sie sieht darin aber „das gewisse Extra für die Karriere“.

So können Eltern ihren Kindern einen gehörigen Startvorteil erkaufen – und sich selbst die Ruhe, dass ihnen der Nachwuchs später höchstwahrscheinlich nicht auf der Tasche liegen wird.

Zumindest diese Sorge könnte eine aktuelle Studie der Ökonomen Kathryne Anne Edwards und Jeffrey Wenger aber ohnehin mildern. Die Forscher untersuchten, wie sehr Eltern ihre Kinder unterstützen, wenn diese nach dem Berufseinstieg wieder arbeitslos werden. Die Erkenntnis: Sie schränken sich durchaus ein. Ausgaben für Lebensmittel sinken, die Einsparungen werden direkt an den Nachwuchs weitergereicht. Mütter würden geringfügig mehr arbeiten, Haushalte legten weniger Geld fürs Alter zurück. Insgesamt seien die finanziellen Mehrbelastungen der Eltern aber relativ gering. Ob sich besorgte Mütter und Väter angesichts dieser Zahlen aber entspannen, bleibt fraglich.

Mehr zum Thema: Ist das pragmatisch oder ein Zeichen freiwilliger Selbstentmündigung? Eltern spielen bei der Karriereplanung ihrer Kinder eine immer größere Rolle. Was vernünftig erscheinen mag, führt nicht immer zu guten Ergebnissen.

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