Entschlossenheit Manager haben Angst vor Entscheidungen

Durch das Internet sind wir so schlau wie nie zuvor, doch paradoxerweise scheint eine Fähigkeit darunter zu leiden: die Entschlossenheit. Vor lauter Input trauen sich Manager keine Entscheidungen mehr zu.

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So treffen Sie bessere Entscheidungen
1. Zukunft ausmalenKlingt skurril, kann aber nützlich sein. Davon sind die US-Entscheidungsforscher Jack Soll, Katherine Milkman und John Payne überzeugt. In ihrem Beitrag „A User’s Guide to Debiasing“ empfehlen sie etwa bei einem Hauskauf im Jahr 2015, sich das Jahr 2035 vorzustellen - und sich zu fragen: „Warum ist mein Haus hier im Jahr 2035 weniger Wert als vor 20 Jahren?“ Solche Gedankenspiele helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Ihr Beitrag mit diesem und anderen Tipps ist im „Blackwell Handbook of Judgment and Decision Making“ erschienen. Quelle: Fotolia
2. Magen füllenÄußere Einflüsse wirken sich auf unsere Entscheidungskompetenz aus. Wenn wir hungrig, traurig oder wütend sind, fallen gute Entscheidungen schwer. Mit einem ausreichend gefüllten Magen lässt sich zumindest eines dieser Probleme aus der Welt schaffen. Eine Studie unter israelischen Richtern, die über vorzeitige Haftentlassungen entscheiden sollten, zeigt: Kurz nach einer Pause entschieden sie wesentlich milder. Je mehr Zeit verstrich, desto strenger wurden sie allerdings - und desto mehr Häftlinge mussten weiter hinter Gittern sitzen. Um solche willkürlichen Entscheidungen im Alltag zu vermeiden, sollte man immer wieder zwischendurch etwas essen. Quelle: dpa
3. Emotionen hinterfragenEmotionen lassen sich zwar nicht ausschalten, aber reflektieren. In ihrem Buch „Sidetracked: Why Our Decisions Get Derailed, and How We Can Stick to the Plan” rät die Wissenschaftlerin Francesca Gino, stets die eigene „emotionale Temperatur” zu überprüfen. Dabei sollte man sich fragen, was hinter diesen Gefühlen steckt - und inwiefern sie Entscheidungen beeinflussen. Quelle: Fotolia
4. Um Rat fragenJe mehr Menschen wir um Rat bitten, desto besser ist das Bild, das wir uns machen können. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, sagen die Autoren des „User’s Guide to Debiasing“ . Quelle: dpa Picture-Alliance
5. Perspektive wechselnSelbst wenn wir andere um Rat fragen, neigen wir bei unserer Einschätzung doch dazu, unsere ursprüngliche Meinung zu bevorzugen. Diese Eigenschaft können wir überlisten, wenn wir uns in eine andere Person hineinversetzen und aus ihrer Perspektive die verschiedenen Ratschläge abwägen. Dies fand unter anderem eine israelische Studie heraus. Dabei sollten die Teilnehmer zunächst aus dem Bauch heraus ihre Meinung zu einer möglichen Entscheidung äußern, verschiedene Ratschläge durchgehen und schließlich eine Einschätzung treffen. In der Versuchsbedingung, in der sie die Einschätzung aus der Perspektive einer dritten Person abgeben sollten, neigten sie weniger dazu, sich ihrem anfänglichen Eindruck anzuschließen. Quelle: Fotolia
6. Mittelweg wählenDie Wahrheit liegt häufig in der Mitte - auch bei wichtigen Entscheidungen. Daher empfehlen die Autoren des „User’s Guide to Debiasing“, zu einem Problem zwei Einschätzungen vorzunehmen, diese miteinander zu vergleichen und den Mittelweg zu wählen. So lassen sich Fehler bei der Entscheidung reduzieren. Quelle: Fotolia
7. Pläne fassenWenn der Nutzen einer Entscheidung erst in der Zukunft liegt, sind Menschen oftmals zu schwach, um an ihr festzuhalten. Das zeigt sich beispielswesie bei einer Diät: Der Nutzen - die gute Figur -, liegt noch in weiter Ferne, während die leckeren Versuchungen so nah sind. Um künftige Erfolge nicht zu torpedieren, sollten Menschen sich konkrete Pläne und Ziele stecken und diese niederschreiben. Dafür spricht eine US-Studie, in der die Teilnehmer eine Schutzimpfung wahrnehmen sollten. Jene, die das Datum und die Uhrzeit ihres Impftermins notierten, nahmen die Impfung eher wahr. Quelle: Fotolia

Als Wladimir Putin entschied, dass ein Teil der Ukraine künftig zu Russland gehören sollte, hatte das nicht nur Auswirkungen auf das Leben der dortigen Bevölkerung – sondern auch auf die Unternehmen vor Ort. Es blieben nur noch zwei Möglichkeiten: ausharren und hoffen, dass der Krieg beendet wird? Oder aufgeben und sich möglichst schnell aus dem Markt zurückziehen?

Opel-Chef Karl-Thomas Neumann entschied sich für Letzteres. Im März verkündete der Autobauer seinen Abschied aus Russland. Die meisten der 180 Filialen machten zu, mehr als 1000 Mitarbeiter im Werk St. Petersburg mussten gehen. Geschätzte Kosten des Rückzugs: rund 600 Millionen Dollar.

Ein gutes halbes Jahr später weiß Karl-Thomas Neumann: Die Entscheidung war richtig, die Krise hält bis heute an. Doch damals war das unklar, Neumann stand unter großem Druck. Der Manager handelte trotzdem. Oder besser gesagt: genau deswegen. „Wer als Führungskraft Everybody’s Darling sein will, bleibt nicht lange Führungskraft“, sagt er. „Ich bin weit davon entfernt, zu glauben, dass ich die besten Entscheidungen alleine treffe. Doch am Ende des Tages bin ich es, der dafür geradestehen muss.“

Heute sind flache Hierarchien angesagt

Solch beherzte Sätze hört man in diesen Tagen selten auf Deutschlands Chefetagen. Verstummte doch mit dem Ex-VW-Chef Martin Winterkorn der vermutlich letzte Dax-Patriarch. Der Manager war dafür bekannt, über jede einzelne Schraube zu bestimmen. Die Aufgabenverteilung war eindeutig: er – der König an der Spitze. Die anderen – seine Untertanen. Winterkorns Anweisungen regneten munter von oben nach unten herab, wo sie widerspruchslos befolgt wurden.

Dieses System als rückschrittlich zu bezeichnen wäre untertrieben. Erst recht in einer Zeit, in der die meisten Unternehmen flache Hierarchien und mündige Mitarbeiter loben. Sich sogar manche fragen, ob es überhaupt noch einen Manager braucht – oder ob der Schwarm nicht sowieso intelligenter ist als das Individuum. Es war schon mal leichter, Chef zu sein.

Entscheidungen treffen wird schwieriger

„Es wird für Manager immer schwieriger, Entscheidungen zu treffen“, sagt auch Rick Vogel, BWL-Professor mit Schwerpunkt Public Management an der Universität Hamburg. „Dabei ist das eine der wichtigsten Fähigkeiten für Führungskräfte.“ Schuld daran seien unter anderem Digitalisierung und Globalisierung, die wiederum zu komplexen Geschäftsmodellen führen und das Tempo erhöhen – das bleibt nicht folgenlos.

Besser entscheiden

Einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zufolge klagen 48 Prozent aller Führungskräfte über mehr Stress in den vergangenen zwei Jahren. Dabei gaben nur fünf Prozent an, qualitativ überfordert zu sein – 21 Prozent hingegen klagten über quantitative Überforderung. Der Personaldienstleister Hays kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 52 Prozent der Personalverantwortlichen empfinden den Umgang mit der steigenden Komplexität als größte Herausforderung.

Input überfordert uns

Kein Wunder: Das Internet verschafft uns Zugang zu einer Unmenge an Informationen, eigentlich müssten wir schlauer sein als je zuvor. Doch anstatt aufgrund einer besseren Datenlage auch bessere Entscheidungen zu treffen, sind die meisten schlichtweg überfordert. Die US-Psychologin Sheena Iyengar von der Columbia Business School nennt dieses Phänomen Choice Overload Effect. Menschen fühlen sich von vielen Optionen überfordert – und das Gehirn weiß vor lauter Möglichkeiten nicht mehr weiter.

„Uns stehen zwar mehr Informationen zur Verfügung, aber das ist kein echtes Wissen“, sagt Experte Vogel.

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