Führungskultur So werden Sie ein besserer Chef

Manager in der Identitätskrise Quelle: Getty Images

Gerade in schwierigen Zeiten kommt es auf gute Führung an. Die deutschen Manager stecken allerdings in einer Identitäts- und Sinnkrise. Doch es gibt einen Ausweg – und der könnte über Elon Musk führen.

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Die wenigsten Chefs machen sich wirklich Gedanken über ihre Führung. Und das merkt man, findet Armin Trost. „Die meisten Führungskräfte haben überhaupt kein Selbstbild. Zumindest verfügen sie über kein klares Führungsverständnis“, kritisiert der Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Hochschule Furtwangen. „Wenn man sie fragt, wie sie führen, kommen bei acht von zehn eher unausgereifte diffuse Antworten.“ Und das ausgerechnet in einer Zeit, in denen es an zu meisternden Problemen gewiss nicht mangelt: Es fehlt allerorten an Personal, die politische Weltlage drückt auf die Stimmung, die Inflation aufs Portemonnaie.

Aber Führungskräfte, so beobachtet auch Coach Alexander Groth, seien dem nicht gewachsen. Sie „erkennen die eigenen Grenzen, sind häufig am Limit und das macht nicht unbedingt selbstbewusst. Viele Führungskräfte bis hin zum oberen Management wirken auf mich daher verunsichert.“

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Zwar wertet Groth den Erfolg der Bundesrepublik als Exportnation durchaus als Indiz für eine allgemein ordentliche Performance in den Chefetagen. „Wir wären nicht gut, wenn hier niemand führen könnte.“ Und doch gebe es typisch deutsche Fehler. „Ein großes Manko ist das schwäbische Lob 'Net geschimpft, is gnug globt', das immer noch in vielen Unternehmen praktiziert wird“, sagt der Experte. Er sieht darin einen Grund, warum sich Unternehmen so schwertun, junge Talente zu gewinnen – und an sich zu binden. „Denn die junge Generation wünscht sich laut allen Studien nichts mehr als positives Feedback. Und genau das bekommen sie in Deutschland nicht oder zu wenig – und gehen dann.“

Was sollten Sie sich von Elon Musk abschauen?

Und doch geht es bei guter Führung keinesfalls nur darum, dass am Arbeitsplatz stets Harmonie herrscht. „Gute Führungskräfte rücken nicht die Interessen der Mitarbeiter in den Mittelpunkt, sondern die Bedürfnisse der Kunden“, betont etwa Trost. So wie es einst etwa der Apple-Gründer Steve Jobs tat, dem nachgesagt wurde, dass er schon mal Mitarbeiter aus dem Bett klingeln konnte, weil der Farbton in einer App noch nicht perfekt war.

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von Kristin Rau

Neben Jobs gilt auch der Amazon-Gründer Jeff Bezos als einer der erfolgsreichsten Unternehmen der vergangenen Jahre. Oder Elon Musk, der mit Tesla die Autobranche aufgewirbelt hat – und mit SpaceX der Raumfahrt neuen Schwung verliehen hat. „Alle drei“, betont Groth, „waren aber als schwierige Persönlichkeiten bekannt und entsprachen oft überhaupt nicht den allgemeinen Regeln für gute Führung.“

Ohne diese geht es aber auf Dauer nicht. Das ist auch ein Grund, warum die Gründer eines erfolgreichen Unternehmens irgendwann an erfahrene Manager übergeben. Als Erwachsenen vom Dienst bezeichnete sich Eric Schmidt, den die Google-Gründer Sergej Brin und Larry Page einst als Konzernchef anheuerten, einmal – und erzählte auch, dass er durchaus mal den einen oder anderen kindischen Streit zwischen ihnen schlichten musste.  „Man darf auch heute noch ein Typ mit Ecken und Kanten sein. Man muss nicht jedem gefallen“, stellt Groth klar. „Aber ein – Entschuldigung – Arschloch sollte man nicht sein.“ Für die Führungskräfte gilt also: Ein bisschen Elon Musk wagen – das darf durchaus sein. Nur übertreiben sollten sie es nicht.

Dass die Empathie für die Belegschaft und mitunter auch der menschliche Anstand in vielen Unternehmen sinkt, je weiter es in der Hierarchie nach oben geht, liegt nach Ansicht der Experten auch in der Natur der Sache. „Von unten nach oben verändern sich die Interessen“, sagt Trost. „Unten denkt man an Menschen, Dinge, Probleme, Prozesse, Kunden et cetera. Oben denkt man an Strategie, Geld.“ Autor Groth gibt zu bedenken: „Vielleicht führt aber auch der raue Wind in den Chefetagen dazu, dass man sich Empathie etwas abgewöhnt.“ Er verweist auf eine Studie, laut der die emotionale Intelligenz zu den oberen Etagen hin abnimmt – nicht dramatisch, aber messbar.

„Führungskräfte sind keine Eltern“

Genau diese emotionale Intelligenz wird seit einiger Zeit als Gegenentwurf zum Autokraten hochgehalten, wenn es um gute Führung geht. Sie hilft Chefs, sich nach den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten jedes einzelnen zu richten, so dass das Team insgesamt erfolgreicher arbeitet. Doch auch dieses Konzept hat seine Grenzen. „Wir sehen zunehmend den Anspruch, Führungskräfte sollten die Rolle von Vätern und Müttern einnehmen“, stellt Trost fest. „Das ist nicht nur falsch, sondern auch infantilisierend. Wir sollten Mitarbeiter als Erwachsene begreifen.“

Jeder, wie er kann: Sieben Führungsstile

Aber wie wird man dann ein guter Chef? „Es gibt keine grundsätzlich guten oder schlechten Verhaltensweisen von Führungskräften“, hält Trost fest. „Es gibt nur eine Sache, die allen erfolgreichen Führungskräften gemein ist: Sie haben ein klares Führungsverständnis, das zu ihrer Führungsumwelt passt. Sie vermitteln es gegenüber ihren Geführten und handeln danach. Das ist alles!“

Groth empfiehlt Vorgesetzten, sich an die besten Chefs ihrer bisherigen Karriere zu erinnern. Die zeichneten sich ihm zufolge meist über mindestens eine von zwei Eigenschaften aus. „Entweder sie haben uns gefordert wie noch nie jemand zuvor. Sie haben uns etwas zugetraut und uns eine Aufgabe gegeben, die an unserer Leistungsgrenze oder sogar darüber lag und gesagt: 'Du schaffst das!'“, erläutert der Experte. „Und in der Tat habe wir es hinbekommen, vielleicht sogar mit Bravour. Für die damit verbundene Entwicklung sind wir im Nachhinein dankbar.“ In Erinnerung blieben zudem Chefs, die menschlich zum Vorbild geworden seien. „Idealerweise kann eine Führungskraft beides – Leistungsorientierung und Menschlichkeit“, sagt Groth.

Fachwissen sticht Sozialkompetenz

„In Deutschland wird der beste Facharbeiter befördert“, stellt Groth fest. Dabei sei nicht jeder, der fachlich glänzt, automatisch ein guter Chef. Und die wenigsten werden von den Unternehmen gut auf die neue Rolle vorbereitet. Mitunter haben sie dann für ihre dezidierten Führungsaufgaben im Alltag auch noch viel zu wenig Zeit – und eigenen Spielraum.

Deshalb kommt es umso stärker darauf an, sich selbst mit der neuen Aufgabe vertraut zu machen.

Wer erstmals ein Team führt, sollte sich nach Ansicht von Groth mit diesen drei Grundproblemen von Führung auseinandersetzen:   
1. Immer mehr Leistung erbringen mit immer weniger Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
2. Immer mehr Wandel in immer kürzerer Zeit
3. Immer mehr Aufgaben und Stress bei gleichbleibender Zeit

Anknüpfend an den schwäbischen Grundsatz rät Groth Vorgesetzten dringend dazu, in ihrem Bereich eine Feedbackkultur zu etablieren. „Lernen Sie, professionelles Feedback zu geben und fordern Sie es selbst ein“, empfiehlt er. Es habe sich bewährt, regelmäßig diese zwei Fragen zu stellen: „Nennen Sie mir bitte eine Sache, die Sie an mir gut finden?“ und „Was kann ich aus Ihrer Sicht tun, um ein noch besserer Chef zu sein?“

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Das Feedback der Mitarbeiter ist für Chefs laut Groth auch deshalb so wichtig, weil sie häufig den Blick für das große Ganze verloren hätten. „Sehr viele Führungskräfte reflektieren nicht genug und verlieren die Kontrolle. Sie stehen im Wald und schaffen es nicht mehr in die Vogelperspektive zu gehen und den Wald von oben zu sehen“, konstatiert er. Zugleich sollten Führungskräfte ihre Kräfte aber auch gezielter einsetzen. „Neben dem ganz normalen Wahnsinn des Manageralltags sollte man sich eine Sache vornehmen, die man im Kalenderjahr umsetzen will. Und an dieser Sache arbeitet man dann konsequent Schritt für Schritt.“

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