Headhunter Nicolas von Rosty „Früher haben simple Rezepte funktioniert“

Sparen ist in der Krise essentiell. Doch es reicht nicht mehr, nur den Rotstift anzusetzen.  Quelle: dpa

Warum knallharte Sanierer in dieser Krise fehl am Platz sind und welche Führungsqualitäten jetzt gefragt sind, erklärt Headhunter Nicolas von Rosty.

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Nicolas von Rosty ist ein erfahrener Headhunter und leitet seit April 2020 das CEO & Vorstandsgeschäft bei Heidrick & Struggles für den deutschsprachigen Raum.

Nach Jahren des ungebremsten Wachstums hat die Coronakrise viele Unternehmen mit voller Wucht erwischt. Übernehmen jetzt die Sanierer das Steuer?
Nein. Im Sturm den Kapitän oder die Kapitänin auszuwechseln, wäre ein Fehler. Aber viele bislang sehr erfolgreiche Vorstandsvorsitzende müssen sich nun erstmals in schwierigen Zeiten beweisen. Nehmen Sie einen Carsten Spohr, der bei der Lufthansa jetzt sanieren muss, oder einen Ola Källenius bei Daimler, der nicht nur die Umstellung auf die E-Mobilität managen, sondern gleichzeitig massiv Kosten senken muss.

Das heißt, die bisherigen Konzernchefs müssen sich nun Saniererqualitäten aneignen?

Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Natürlich müssen sie ihre Unternehmen restrukturieren, aber sie werden keinesfalls so vorgehen wie Sanierer eines Typus wie Kajo Neukirchen oder Hartmut Mehdorn, die einst als Krisenmanager gerufen wurden, wenn das Unternehmen schon in Flammen stand, wie beispielsweise bei der Metallgesellschaft oder Air Berlin. Die Sanierungen wurden dann auch in der Außendarstellung oft sehr martialisch inszeniert.

Headhunter Nicolas von Rosty leitet seit April 2020 das CEO & Vorstandsgeschäft der internationalen Personalberatung Heidrick & Struggles.

Warum haben solche knallharten Sanierer ausgedient?
Früher ging es vor allem darum, die Kosten zu drücken und Personal abzubauen. Das konnten die typischen Sanierer. Sie zeichnete eine kompromisslose Durchsetzungsstärke aus. Früher haben diese simplen Rezepte funktioniert, da es ausschließlich um Gewinnmaximierung und Shareholder Value ging.

Was hat sich seitdem geändert?
Zum einen die Mitarbeiter. Die junge Generation ist selbstbewusster, sie hinterfragt Entscheidungen ganz anders - nämlich nicht nur aufgrund von wirtschaftlichen Kennzahlen, sondern auch mit Blick auf ihre Werte.

Was meinen Sie damit?
Wenn es für ein Unternehmen billiger ist, seine Energieversorgung erstmal nicht auf erneuerbare Energien umzustellen, wäre das früher eine legitime Kosteneinsparung gewesen. Heute sehen das die Mitarbeiter, aber auch die Kunden, sehr viel kritischer. Wachstum steht nicht mehr über allem. Der gesellschaftliche Konsens setzt heute andere Maßstäbe. Das macht eine Restrukturierung viel komplexer.



Das heißt, um Kunden und Mitarbeiter nicht zu verprellen, müssen die Unternehmenslenker heute vorsichtiger agieren?
Sie müssen zumindest die Bedürfnisse der unterschiedlichen Gruppen im Blick haben.

Aber wenn es ums Überleben geht, kommt niemand um harte Einschnitte herum.
Natürlich müssen Manager auch in dieser Krise Menschen entlassen und enorm sparen. Aber es geht um das Wie. Sie dürfen die Mitarbeiter, mit denen sie nach der Krise weiterarbeiten wollen, nicht verprellen. Die junge Generation schätzt einen partizipativen Führungsstil. Wer von oben herab diktiert, demotiviert diese Mitarbeiter und mit demotivierten Angestellten kommen Sie aus keiner Krise raus. Wer die Service-Hotline aus Kostengründen unbesetzt lässt, verliert Kunden. Denn das lässt sich heute niemand mehr gefallen. Und was meinen Sie, wie schwierig es ist verlorene Kunden zurückzuholen?

Was braucht es denn, um heute ein Unternehmen zu restrukturieren?
Der neue Typ von Sanierer muss neben der zielführenden Operation auch eine bestimmte Haltung mitbringen. Keine martialische Sprache, eher eine mitfühlende Erklärung dessen, was notwendig ist, um das Unternehmen als Ganzes zu retten. Er muss also nicht nur Täter sein, sondern zugleich auch Tatortreiniger.

Wie rüsten sich Führungskräfte für diese Gratwanderung?
Sie brauchen einen Coach. Jemanden, der sie in ihrer Resillienz unterstützt, denn Veränderungen erfordern immer enorme Kraftanstrengungen. Kennen Sie das Experiment mit dem Frosch im Kochtopf?

Nein.
Wenn Sie einen Frosch in einen Topf mit Wasser setzen und es langsam zum Kochen bringen, verpasst der Frosch den Punkt, an dem er hätte herausspringen müssen und verbrüht. Und so geht es auch Führungskräften, die schon im Unternehmen drin sind, wenn die Krise beginnt. Sie schauen zu lange zu. Damit das nicht passiert, kann ein externer Coach helfen.

Wenn es um den frischen Blick geht, könnte man sich doch auch einen Sanierer von außen reinholen.
Ein erfahrener Sanierer, der von außen kommt, findet wahrscheinlich in den ersten 100 Tagen heraus, wo das Unternehmen Speck angesetzt hat und kann diese Stellen schnell abtrennen. Aber er trifft auch oft auf Ablehnung in der Belegschaft, wenn der kulturelle Fit nicht gegeben ist. Das kann gefährlich werden. Deshalb ist der Königsweg, den Chef im Sturm so zu coachen, dass er den Mut hat sich zu fokussieren, schnell zu entscheiden und in einfachen Botschaften zu kommunizieren.


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Wird das in der Mehrzahl der Unternehmen so gemacht?
Tatsächlich sieht man im Moment sehr wenige Chefwechsel. Nach der Krise werden es umso mehr sein, weil dann klar ist, wer sich in der Krise bewährt hat und wer eben nicht.

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