Red Dot Award Das Erfolgsmodell der Designagenturen

Designagenturen sind das Rückgrat der guten Gestaltung in Deutschland. Das gefällige Äußere ist heute beinahe ein Nebenprodukt von Designerideen. Die Agenturen sind inzwischen Innovationstreiber ihrer Auftraggeber.

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Achim Pohl und Tomas Fiegl Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

„Wir müssen Grenzen übertreten“, meint Achim Pohl, einer von zwei Gründern der Darmstädter Designagentur Artefakt. Er sagt das nicht einfach so, er warnt, erklärt und appelliert mit einem Nachdruck, der keinen Zweifel lassen soll: Design ist Wettstreit, schon zu Beginn einer Idee. Ein Aushandeln scheinbar widerstrebender Interessen. Zwischen dem Wunsch nach einer schönen Form und der Notwendigkeit technischer Vorgaben. Den Pohl gewinnt, indem er beides beherrscht.

Pohl nimmt einen Wasserhahn, der als Muster auf einem Brett montiert ist. Auf den ersten Blick eine Einhandmischbatterie, wie sie millionenfach auf Waschbecken in aller Welt Wasser spendet. Er lupft den Hebel – aber der Kopf der Armatur neigt sich nicht zurück, wie erwartet, sondern steigt majestätisch sanft empor wie ein Periskop aus einem U-Boot. Die Technik ist verbaut in der Armaturserie Joy des Herstellers Jado. Ausgedacht haben sich das jedoch nicht die Ingenieure von Jado, das heute zum Konzern Ideal Standard gehört. Das Patent darauf hat Artefakt. Die elegante Erscheinung, das gefällige Äußere – das sind heute beinah Nebenprodukte von Designerideen im Dienst der Funktionalität.

Diese Ideen voranzutreiben, kreuz und quer zu denken, in alle möglichen Richtungen – das ist das Angebot von Designagenturen. Oft stehen sie im Schatten der Unternehmen, deren Produkte sie gestalten, oder im Schatten der großen Stardesigner, deren Nimbus allein oft genügt, um ein Produkt erfolgreich am Markt zu platzieren. Zu Unrecht, denn die stillen Stars der Branche sind das Rückgrat des Industriedesigns.

Design vom Feinsten – die besten der Besten
Feuerlöscher Saviore von SPL Design Ob im Falle eines Brandes jeder in diesen bunten Zylindern den möglicherweise lebensrettenden Feuerlöscher erkennt - das sei dahingestellt. Die Jury freute sich über die wohnraumfreundliche Gestaltung und Fixierung per Magnetismus. Quelle: action press
Waschmaschine W4086C.W von Asko Appliance ABDie Maschine drücke einen eleganten Minimalismus aus, der für skandinavisches Design und Denkweise typisch ist, lobt die Jury. Gut ansprechende Tasten und ein exakter Drehknopf geben angenehmes Feedback, schreiben sie weiter. Nur Wäsche aufhängen, das macht sie nicht. Quelle: PR
Spültisch mit Wasserhahn C71 von hansgrohe Die Steuerung rückt für mehr Komfort an den vorderen rechten Spülenrand. Durch Neigen und Drehen stellt man Wassertemperatur und -menge präzise ein. Einmal voreingestellt lässt sich die Armatur dann per Knopfdruck über den Select-Knopf am hohen Auslauf starten und stoppen, Bei beiden Bedienvarianten klappt die Wassersteuerung auch mit dem Handrücken oder Ellenbogen, etwa bei verschmutzten Händen. Quelle: PR
Kochfeld mit Dunstabzug von BoraZur Seite weg statt oben eingesogen - das ist Boras Technik. Das neue Kochfeld wurde unter der Prämisse entwickelt, Einfachheit, Funktionalität und beste Performance in einem elektronisch gesteuerten System zu vereinen. Herzstück der Revolution 2.0 ist das User Interface – die Kochfelder und der Kochfeldabzug kommunizieren miteinander. Quelle: PR
Mikrowellengeschirr MicroPro Series Grill von Tupperware Diese Innovation soll eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach einfachem, schnellem und gesundem Kochen sein. Der Edelstahl-Behälter und der Deckel werden durch darin befindliche Heizelemente aufgeheizt, sodass Lebensmittel von oben und unten gleichzeitig gegrillt werden. Die Heizelemente wandeln Mikrowellen in Hitze um, sodass eine gleichmäßige Bräunung der Lebensmittel entsteht. Im Behälter befindet sich eine Rille, die überschüssiges Fett sammelt. Dank der Eterna®-Antihaftbeschichtung im Behälter und der Innenseite des Deckels haften Speisen nicht an und das Produkt lässt sich leicht reinigen. Quelle: PR
Holzkohlegrill HUB von ShriroIn Australien ist Barbecue Teil des täglichen Lebens, von dort stammt dieser Holzkohlegrill. Kohle? Ja, aber - denn mit einem integrierten elektrischen Element können Benutzer ihre Holzkohle bei der richtigen Kochtemperatur in nur 10 Minuten zum Glühen bringen. Dank der patentierten Rotiscope Technology können für große Parties die Nutzer schnell eine authentische kommerzielle Rotisserie zum Kochen in verschiedenen Höhen einrichten. Die Cliplock Forks halten alles, vom Huhn bis zum Spanferkel, während sie sich drehen, angetrieben von einem dezenten Motor, der im Körper des Grills verstaut ist. Quelle: PR
Heimtrainer Yesoul Smart CyclingDer Bike-Kopf integriert einen 19,5-Zoll-Smart-Touchscreen mit der eigenen App. Zu sehen ist das Live-Streaming vom Coach, Kurse on Demand und die Verwaltung von Trainingsdaten. Die Benutzer sind so in der Lage, zu Hause Echtzeit-Anleitungen zu bekommen. Der "V" Strukturrahmen, welcher vom Boden aufwärts gefertigt wurde, bietet maximale Stabilität und Kompaktheit. Quelle: PR

102 der mehr als 1000 in diesem Jahr mit dem Design Award Red Dot ausgezeichneten Produkte wurden mit dem Zusatz „Best of the Best“ prämiert – und mindestens ein Drittel dieser Topprodukte wurde von externen Dienstleistern der guten Form entworfen. Mindestens. Tatsächlich werden es noch einige mehr sein, denn viele Unternehmen unterhalten zwar hauseigene Designabteilungen, holen sich darüber hinaus aber noch Input bei Agenturen wie Artefakt.

Drängler, Mahner, Wegweiser

Seit 1989 arbeiten Pohl und sein Partner Tomas Fiegl unterm Dach ihrer Agentur zusammen, kennengelernt haben sie sich während des Studiums. Heute ist ihr Büro in einer ehemaligen Fabrik untergebracht, in einem Umfeld, das alle Designerklischees zu bestätigen scheint. Auf dem Hof parken ein Citroën SM von 1972, ein BMW M1, ein Tesla und diverse Singlespeed-Fahrräder. Eine offene Bürolandschaft mit hohen, gewölbeartigen Decken beherbergt ein zwölfköpfiges Team. Mehr als 150 Auszeichnungen bei diversen internationalen Designwettbewerben hat Artefakt bisher errungen. Auch beim diesjährigen Red Dot Design Award überzeugten aus Tausenden von Einreichungen mehrere von Artefakt verantwortete Produkte die 39-köpfige Jury.

Mit Gegenständen für Bad und Sanitär begann alles, dann, im Jahr 2006, entschlossen sich die Gründer – angeregt durch Fiegls Faible für Fahrräder –, ein zweites Standbein mit Cycling-Design aufzubauen. Das erste Preisgeld, immerhin 10 000 Mark, steckte das Duo in zwei Maschinen für den Modellbau. Noch heute ist die Werkstatt, in der dreidimensionale Modelle der späteren Produkte entstehen, ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmens. Mit den Preisen kamen mehr Kunden; die Beziehungen waren von Anfang an konfliktreich. „Ein Konstrukteur“, so Fiegl, „hat uns damals als Störenfriede empfunden.“

Andreas Diefenbach, Design Business Manager bei der Stuttgarter Agentur Phoenix Design, sieht eben darin seine Rolle: ein produktiver Störfaktor sein, ein Drängler, Mahner, Wegweiser. Design müsse im Unternehmen vom Vorstand als Faktor anerkannt sein. „Wenn uns ein Unternehmen kontaktiert und mit uns zusammenarbeitet, sage ich immer: ‚Geben Sie mir den, der entscheidet.‘“ Phoenix Design gehört zu den erfolgreichsten Agenturen in Deutschland. Designer, Ergonomen und Soziologen passieren täglich im Unternehmensflur die gerahmten Urkunden: 800 Awards seit 1987. Eine Erfolgsfabrik.

Vertrautheit und Distanz

Wer Phoenix Design beauftragt, bekommt keine hübsche Hülle, sondern wird im besten Fall mit Erkenntnissen, Einsichten und Eingebungen belohnt. Wofür steht die Marke, was zeichnet ihre Kunden aus? Fragen, für deren Beantwortung die Agentur ihre Mitarbeiter in alle Welt sendet. Projektreisen in andere Kontinente für mehrere Wochen oder Monate sind keine Seltenheit, wenn es darum geht, herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht. Ein guter Dienstleister zu sein heißt für Diefenbach nicht, ein Diener zu sein: „Wir sind Partner auf Augenhöhe.“

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