Der Dax eilt von Rekord zu Rekord. Nun kommt auch das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Gang: Fast täglich sorgt ein neuer, milliardenschwerer Deal an der Börse für Furore: Der Ölkonzern BP schluckt die britische BG, Warren Buffett fusioniert Heinz Ketchup mit Kraft Foods, FedEx will TNT schlucken, selbst das defizitäre Twitter soll angeblich das Interesse Googles geweckt haben, und Sky soll angeblich bei Vivendi auf der Kaufliste stehen. Milliardenschwere Übernahmen häufen sich, und sie werden die Börsen noch ein Stück weiter treiben. Die Risiken für Anleger freilich wachsen.
Der Dax hat die Rekordmarke von 12.000 Punkten zurück erobert. Fast jeder Anleger, der in den vergangenen Jahren Aktien gekauft hat, ist dick im Plus. Nun wird vielen etwas mulmig, angesichts des scheinbar unaufhaltsamen Höhenflugs der Börse. Heben Aktien jetzt endgültig ab, weil noch dem letzten Anleger klar wird, dass Anleihen und Tagesgeld keinen Zins mehr bringen? Oder laufen wir schnurstracks in die nächste Blase, wollen wir die Symptome nicht erkennen, die denen der letzten Überhitzungsphasen deutlich ähneln, 1999 2000 und 2003 bis 2008?
Meilensteine des Dax von 1988 bis 2015
Der Dax feiert seinen Einstand. Rechnerisch startet er allerdings am 30. Dezember 1987 bei einem Stand von 1.000 Punkten.
Der erste schwarze Tag für den Dax: Er bricht im Sog der Wall Street um rund 13 Prozent ein.
Bei der Privatisierung der Deutschen Telekom wird die T-Aktie als Volksaktie vermarktet. Das Interesse der Öffentlichkeit am Dax nimmt stark zu.
Im Sog der Asienkrise sackt der Dax im Handelsverlauf bis zu 13 Prozent ab und schließt mit 3567 Punkten acht Prozent niedriger.
Mit dem neuen elektronischen Handelssystem Xetra - kurz für "Exchange Electronic Trading" - bricht für die Börse ein neues Zeitalter an.
Der Dax erreicht ein Hoch von 8136,16 Punkten. Befeuert wird die Euphorie von der Entstehung des Internets und einem sich ausbreitenden Fusionsfieber.
Nach den Terroranschlägen in den USA fällt der Dax um neun Prozent.
Der Dax rutscht unter 2.200 Punkte und notiert damit so niedrig wie zuvor im November 1995. Doch mit der Erholung der Weltwirtschaft wächst das Vertrauen in die Gewinnentwicklung der Unternehmen wieder.
Mit 8151 Zählern setzt der Dax einen neuen Meilenstein - trotz erster Bankenpleiten und Not-Eingriffen der Europäische Zentralbank (EZB) am Geldmarkt.
Mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers kehrt wieder Ernüchterung ein. Im Oktober 2008 folgt ein schwarzer Tag auf den anderen. Dabei liegt der Dax-Kurs zeitweise 30 Prozent unter dem Niveau vom Monatsbeginn.
56 Prozent hat der Dax seit dem Hoch vom 13. Juli 2007 eingebüßt. Mit 3588 Punkten erreicht er zeitweise den niedrigsten Stand seit Oktober 2003. Doch kurz darauf wirft die US-Notenbank Fed die Notenpresse an. Jetzt geht es bergauf.
Der Dax notiert erstmals seit dem 2. Januar 2008 wieder über 8000 Zählern.
Die Entscheidung der EZB, die Zinsen weiter zu senken, treibt den Dax erstmals über die 10.000-Punkte-Marke.
Nach dem Vorbild der Fed wirft auch die EZB die Notenpresse an. Der Dax, der in Erwartung dieses Schritts seit Monaten im Aufwind ist, beschleunigt seinen Anstieg und steigt am darauffolgenden Tag auf bis zu 10.704,32 Punkte. Es ist der sechste Handelstag in Folge mit einem Rekordhoch.
Anleger hoffen auf einen guten Ausgang des Verhandlungspokers im griechischen Schuldenstreit. Der Dax knackt erstmals die 11.000-Punkte-Marke und notiert in der Spitze 0,9 Prozent höher bei 11.013,85 Zählern. Griechenland droht die Staatspleite, da das aktuelle Hilfsprogramm Ende Februar ausläuft und Athen keine Verlängerung beantragen will.
Getrieben von der Geldflut der Notenbanken und begünstigt durch einen schwachen Euro - der der deutschen Exportindustrie hilft - hat den Dax am Montag, 16. März 2015, erstmals die Schwelle von 12.000 Punkten übersprungen. In der Vorwoche hatte er mehrmals diese Marke anvisiert, war aber immer knapp gescheitert. Der deutsche Leitindex war zu diesem Zeitpunkt bereits neun Wochen in Folge gestiegen.
Überhitzungssignale...
Die meisten deutschen Privatanleger waren nicht bei der Rally dabei. Nur jeder achte Deutsche besitzt Aktien. Jetzt denken viele um. "In Kundengesprächen registrieren wir deutlich steigendes Interesse an Aktien", sagt Christian Fischl, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Huber, Reuss, Kollegen, "bis vor Kurzem durfte man den meisten Privatleuten damit nicht kommen."
Es herrscht Optimismus. "Negative Meldungen verpuffen", sagt Thomas Paul, Vorstand beim Vermögensverwalter Böker & Paul. Die Nachricht etwa, dass die Pfandbriefbank Düsselhyp vom Einlagensicherungsfonds gerettet werden muss, "hätte 2010 einen veritablen Crash ausgelöst; heute ist sie eine Randnotiz".
Aktien klettern schneller als die Gewinne der Firmen. Die der 30 Dax-Konzerne sollen, so die gewöhnlich optimistischen Analysten, 2015 um acht Prozent steigen. Der Dax hat in drei Monaten 24 Prozent zu gelegt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), basierend auf den erwarteten Nettogewinnen der kommenden zwölf Monate, liegt bei 15; der 10-Jahres-Durchschnitt bei 11,4.
Auch charttechnisch wird die Luft dünn: Gut 20 Prozent ist der Dax aktuell von seinem gleitenden 200-Tages-Durchschnitt entfernt, so weit wie seit 1999 nicht mehr. Ein Zeichen, dass es kurzfristig an weiteren Käufern mangeln könnte.
Fusionen und Übernahmen kommen…
Nun kommen auch wieder große Fusionen und Übernahmen, beinahe börsentäglich wird ein neuer Milliardendeal oder zumindest eine konkrete Kaufabsicht verkündet. Für 64 Milliarden Euro übernimmt Shell den britischen Gasproduzenten BG Group. Shell bietet 383 Pence in bar und 0,4454 Shell-B-Aktien. Das entspricht einem Aufschlag von immerhin rund 50 Prozent auf den Schlusskurs von BG am Vortag.
...und Argumente für Aktien
Der US-Logistikriese FedEx will sich derweil seinen niederländischen Konkurrenten einverleiben. FedEx will 4,4 Milliarden Euro bezahlen. Vor zwei Jahren wollte der direkte Konkurrent UPS bereits TNT kaufen, scheiterte aber an kartellrechtlichen Bedenken. Ungeachtet solcher Bedenken schoss die TNT-Aktie am Dienstag vergangener Woche um 30 Prozent nach oben.
Der französische Mischkonzern Vivendi, zu dem der Medienkonzern Universal Music gehört, soll angeblich die Finger nach dem Bezahlsender Sky ausgestreckt haben; Vivendi hat das zwar inzwischen dementiert; völlig aus der Luft gegriffen ist das Gerücht aber nicht, denn Universal kämpft im margenschwachen Musikgeschäft mit darbenden Umsätzen und kaufte just in der selben Woche ein Videoportal; als sicher gilt, dass Vivendi stärker in den Markt mit Video, TV und Film-Streaming drängen wird.
Was aber bedeutet die neue , große Übernahmewelle für Anleger? In den beiden letzten Haussen, 1999 / 2000 und bis 2007, schoss das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen ebenfalls drastisch nach oben und hätte im Nachhinein als Warnung dienen können: Just auf dem Peak, der vor allem 2000 Riesendeals wie AOL/TimeWarner und Vodafone/Mannesmann zeitigte, brachen die Börsen damals ein.
Übernahmen sind Kurstreiber und Warnsignal zugleich
Übernahmen gelten als typisch für die Spätphasen langer Aktienhaussen. Zum Ende der beiden letzten Zyklen, 2008 und 2000, jedenfalls nahmen die Firmenkäufe ebenfalls stark zu (siehe Grafik Seite 92). Nun kommen milliardenschwere Übernahmen fast im Wochentakt: Star-Investor Warren Buffett und der Finanzinvestor 3G etwa wollen jetzt den Milliardenkonzern Kraft Foods schlucken und mit Heinz Ketchup fusionieren; in der Chipindustrie bietet NXP 11,8 Milliarden Dollar für den Konkurrenten Freescale; auch in der Pharmabranche tobt ein Wettkampf um Firmen mit lukrativen Patenten. Der Essener Evonik-Konzern hat seine Fühler nach der Schweizer Clariant ausgestreckt; die Clariant-Aktie reagierte am Donnerstag mit einem Kursfeuerwerk, legte in der Spitze um acht Prozent zu.
Doch, das ist beruhigend, noch hat die Fusionswelle längst nicht das Ausmaß der Jahre vor den letzten Crashs erreicht. "Der Dax hat noch Luft nach oben", folgert Philipp Vorndran, Leiter Kapitalmarktstrategie bei Flossbach von Storch. "Die letzte Stufe der Hausse hat noch nicht gezündet."
Unternehmen, die im Visier von Firmenkäufern stehen, bieten noch Chancen. Sie gewinnen selbst dann, wenn der allgemeine Markt fällt.
Und bei Übernahmen dürfte sich noch einiges tun: "Die Unternehmen haben rekordhohe Cash-Polster. Der Druck auf die Vorstände steigt, dieses Geld jetzt sinnvoll auszugeben, zumal es keine Zinsen bringt, oder gar Strafzinsen kostet", sagt Frank Wieser, Geschäftsführer des Vermögensverwalters PMP. Umgekehrt gilt: Kredit bekommen Konzerne fast für lau. SAP, Apple oder Nestlé müssen kaum zwei Prozent Zins bezahlen. "Solange die Gewinnrendite der Übernahmeziele im Schnitt bei sechs bis acht Prozent liegt, lohnen sich auch kreditfinanzierte Käufe", sagt Paul.
Gerangel um Wohnungen
Noch halten sich Firmenjäger in Deutschland zurück. Seit Januar wurden weltweit Firmenkäufe mit deutscher Beteiligung für 17,2 Milliarden Dollar angekündigt - deutlich weniger als im ersten Quartal 2014. International ist das Übernahmekarussell aber schon in vollem Gang. Das Volumen zog um 13 Prozent an, auf 668 Milliarden Dollar in nur drei Monaten. Deutschland dürfte folgen: Seine Wirtschaft gilt als Hort der Stabilität. "Deutsche Unternehmen rücken in den Fokus internationaler Firmenjäger, die Unternehmen mit guten Produkten und stabilen Cash-Flows suchen", sagte Mathew Cestar von Credit Suisse auf einer Konferenz des Marktforschers Mergermarket vergangene Woche in Düsseldorf.
Die Hausse nährt sich selbst
Und: Die Konzerne bezahlen Übernahmen von Konkurrenten wieder vermehrt mit ihren eigenen Aktien, statt mit Geld, genau wie im letzten großen Boom bis 2000. So nährt die Hausse sich selbst: Gestiegene Aktienkurse der Käufer erlauben richtig große Übernahmen. Große Übernahmen wiederum treiben die Kurse anderer Aktien.
In einigen Branchen ist auch der Konsolidierungsdruck hoch: "Bei Immobilien etwa lässt sich durch das Zusammenlegen von Wohnungsportfolios relativ schnell bei Bewirtschaftung, Vermarktung und Verwaltung sparen", sagt Stefan Bongardt, Analyst bei Independent Research.
Marktführer Deutsche Annington übernimmt gerade für vier Milliarden Euro die Nummer drei, die Gagfah. Die Deutsche Wohnen mit ihren 147 000 Wohnungen bietet 1,2 Milliarden Euro für Conwert. Am Dienstag lehnte das Conwert-Management die Offerte als zu niedrig ab. Anleger hoffen, dass die Deutsche Wohnen, die zuvor schon die Berliner GSW geschluckt hat, nachlegt. "Die beiden Großen pushen sich jetzt gegenseitig, sie haben genug Geld in der Kasse", sagt der Manager eines kleineren Immobilienkonzerns. "Der Markt für größere Wohnungspakete in attraktiven Lagen der Großstädte ist leergefegt", sagt Georg Kanders, Analyst bei der Lampe Bank. Wer wachsen will, muss einen Konkurrenten schlucken.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Die Kassen der potenziellen Käufer sind voll: "Immobilienbestandshalter profitieren überproportional von den niedrigen Zinsen, da sie ihren traditionell hohen Kapitalbedarf vorrangig aus Krediten decken. Alle Großen der Branche haben sich inzwischen zu günstigen Konditionen refinanziert", sagt Kanders. Die Zahl der Übernahmeziele ist überschaubar. In den Fokus von Aufkäufern geraten könnte deshalb TAG Immobilien. 2014 gab es schon mal Verkaufsgerüchte; die hatte der damalige Chef und heutige Aufsichtsrat Rolf Elgeti dementiert. Ein attraktives Ziel für einen der beiden Großen wäre TAG aber allemal: Die Masse der 70 000 Wohnungen der Hamburger liegt zwar in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands und Niedersachsens. Aber die TAG gilt als professionell geführt und ist mit einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent solide finanziert. Das Portfolio würde außerdem die Bestände der beiden Großen gut ergänzen.
In keiner anderen Branche gab es in diesem Jahr so viele Übernahmen wie in der Medikamentenindustrie. Der Statistikdienstleister Dealogic zählte für 2015 bereits weltweit 22 Aufkäufe im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar – insgesamt ergibt sich ein Volumen von 105 Milliarden Dollar. Damit liegen die Medizinhersteller deutlich vor den Telekomanbietern (68 Milliarden Dollar) und Immobilienunternehmen (43 Milliarden Dollar). Der Trend zu Fusionen und Übernahmen bei den Pillen-Produzenten wird sich weiter fortsetzen, erwarten Experten wie Vir Lakshman, Leiter für den Bereich Chemie und Pharma beim Beratungsunternehmen KPMG.
Was die Aufkäufer anlockt, sind vor allem die hoffnungsvollen Medikamente der Konkurrenz. Um die Schwächen im eigenen Pillen-Portfolio zu kompensieren, sind viele Unternehmen bereit, traumhafte Preise zu zahlen. Anfang März kündigte etwa der US-Konzern Abbvie den Kauf des kleinen Biotechunternehmen Pharmacyclics für 21 Milliarden Dollar an. Dabei erreicht Pharmacyclics gerade mal einen Jahresumsatz von 500 Millionen Dollar und einen Nettogewinn von 86 Millionen Dollar. Motiviert war der Kauf vor allem durch das von Pharmacyclics entwickelte Präparat imbruvica gegen Leukämie, dem Analysten in einigen Jahren einen jährlichen Spitzenumsatz von drei bis vier Milliarden Dollar zutrauen. Einige Wochen später kaufte der kanadische Hersteller Valeant für 14,5 Milliarden Dollar die amerikanische Salix, die auf Medikamente für den Verdauungstrakt spezialisiert ist. 65 Milliarden Dollar zahlte schließlich das irisch-amerikanische Pharmaunternehmen Actavis, um Zugriff auf die Botox-Spritzen vom US-Konzern Allergan zu erhalten.
Andere Aufkäufer investieren bewusst in Generika und rezeptfreie Mittel, um sich vom risikoreichen Geschäft mit verschreibungspflichtigen Präparaten unabhängiger zu machen. 16,5 Milliarden Dollar zahlte der US-Primus Pfizer für den Generikaanbieter Hospira. In der vergangenen Woche wurde ein Angebot des US-Generikaspezialisten Mylan bekannt: Perrigo, ein führender Hersteller von rezeptfreien Arzneimitteln aus Irland, ist den Amerikanern danach 29 Milliarden Dollar wert ist. Im vergangenen Jahr hatte Bayer 14,2 Milliarden Dollar gezahlt, um rezeptfreie Mittel aus dem Portfolio des US-Konzerns Merck & Co. übernehmen zu können.
Lukrative Chips
Auch in der Chipindustrie könnte eine Übernahmewelle anrollen. Die Branche boomt: Die Umsätze mit Halbleitern wuchsen 2014 global um 7,9 Prozent, mehr als doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft. Vor allem Spezialisten für Smartphones sind attraktiv, aber auch Hersteller von Kfz-Elektronik. Autochips gelten als besonders heiß, das jährliche Umsatzwachstum liegt bei 45 Prozent. "Das vernetzte Auto ist ein gigantischer Zukunftsmarkt für die Chipbauer", sagt Analyst John Vinh vom Broker Pacific Crest.
Gerade kauft NXP den Konkurrenten Freescale für 11,8 Milliarden Dollar, die teils in Cash, zum größten Teil aber in eigenen Aktien bezahlt werden. NXP ist die ehemalige Chipsparte des Elektronikriesen Philips und entwickelt Chips, die etwa Signale innerhalb der Bordnetze von Autos übertragen. Übernahmeziel Freescale ist die Ex-Chipsparte von Motorola und baut Sensoren für Fahrerassistenzsysteme.
Ein Kfz-Spezialist ist auch Infineon, nach dem jüngsten Kursanstieg mit 11,9 Milliarden Euro Börsenwert allerdings kein ganz billiger. Europäische Ziele wie Infineon oder die britische ARM haben aus Sicht von US-Konzernen einen Vorteil: Viele US-Giganten haben im Ausland zweistellige Milliardensummen angehäuft, auch die möglichen ARM- und Infineon-Interessenten Intel und Qualcomm. Würden sie das Geld für Aktienrückkäufe oder Dividenden verwenden, fielen bei der Repatriierung rund 30 Prozent Steuern an; wird es im Ausland in Firmenkäufe gesteckt, nicht.
Chips von ARM, die als besonders stromsparend gelten und zum Beispiel Handy-Akkulaufzeiten verdreifachen können, stecken in 95 Prozent aller Smartphones. ARM betreibt selbst keine Chipfabriken, entwickelt die Minischaltkreise nur und verdient dann an den Patenten. Ein Vorteil, denn Chipfabriken kosten mehrere Milliarden Dollar und können Hersteller ruinieren, etwa bei unzureichender Auslastung oder technischen Problemen.
Attraktiv wäre auch die schwäbische Dialog Semiconductor mit Sitz in London, die ebenfalls Halbleiter für das Energiemanagement von mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets entwickelt; auch in der neuen Smartwatch von Apple sollen Dialog-Chips verbaut sein. Solange der Trend zu mobiler Konsumelektronik anhält, wird die Nachfrage nach Dialog-Chips hoch sein. 2014 hat Dialog seinen Gewinn auf 138 Millionen Dollar glatt verdoppelt.
Rasantes Wachstum zeichnet auch die Anbieter von Software-as-a-Service aus: Dabei wird Software nicht mehr auf CDs gebrannt und per Lizenz verkauft, sondern in der globalen Datenwolke ("Cloud") gespeichert und per Abo vermietet. Splunk aus San Francisco gilt als führend bei der Analyse und Weiterverarbeitung von Maschinendaten, die etwa Fabriken, Web-Seiten oder mobile Geräte liefern. Splunk hat seinen Umsatz von 2011 bis 2014 verfünffacht. Als Interessenten kommen Google, Apple, aber auch Facebook infrage.
Begehrter Mittelstand
Vor Kurzem kaufte Star-Investor Warren Buffett den Hamburger Hersteller von Motorradbekleidung Detlev Louis für 400 Millionen Euro. Er finde deutsche Mittelständler sehr reizvoll, so Buffett, er suche weiter Kaufobjekte. "Kapitalstarke Konzerne suchen mittelständische Marktführer aus interessanten Branchen, um weiter wachsen zu können", meint Michael Kollenda, Vorstand von Salutaris Capital Management.
Aktienkultur in Deutschland
Menschen mit Aktieninvestments im Jahr 2014: 8,4 Millionen
Vorjahr: 8,9 Millionen
Anteil der Bevölkerung über 14 Jahren im Jahr 2014: 13,1 Prozent
Vorjahr: 13,8 Prozent
Wie die deutschen Aktionäre investiert sind:
4,3 Millionen Menschen besitzen nur Aktienfonds.
1,6 Millionen Menschen besitzen Aktien und Aktienfonds.
2,5 Millionen Menschen besitzen nur Aktien.
Seit 2001 haben rund 4,4 Millionen Menschen dem Aktienmarkt den Rücken gekehrt.
Aktionärsanzahl 2001: 12,8 Millionen
Aktionärsanzahl 2014: 8,4 Millionen
Das Interesse an Aktien hat in den vergangenen Jahren besonders bei den Jüngeren stark nachgelassen.
Anteil der Aktien- und Aktienfondsbesitzer nach Altersgruppen:
20-29 Jährige: 7,2 Prozent (2001: 17,5 Prozent)
30-39 Jährige: 12,1 Prozent (2001: 27,9 Prozent)
40-49 Jährige: 17,2 Prozent (2001: 25,5 Prozent)
50-59 Jährige: 17,1 Prozent (2001: 24,5 Prozent)
60-69 Jährige: 13,6 Prozent (2001: 14,4 Prozent)
Anteil von Aktienbesitzer nach beruflicher Position:
Leitende Angestellte: 28,4 Prozent
Leitende Beamte: 30,1 Prozent
Selbstständige/Freie Berufe: 26,0 Prozent
Sonstige Beamte: 29,5 Prozent
Öffentlicher Dienst: 22,7 Prozent
Sonstige Angestellte: 14,8 Prozent
Rentner/Pensionäre: 12,3 Prozent
Studenten: 4,3 Prozent
Facharbeiter: 8,9 Prozent
Selbstständige Landwirte: 23,5 Prozent
Schüler: 1,9 Prozent
Sonstige Arbeiter: 4,2 Prozent
Auszubildende: 4,6 Prozent
Menschen mit höherem Einkommen, haben ein höhere Interesse an Aktien.
Anteil von Aktien und Aktienfondsbesitzern nach Nettohaushaltseinkommen:
750-1.250 Euro: 2,5 Prozent
1.250-2.000 Euro: 6,9 Prozent
2.000-3.000 Euro: 24,6 Prozent
3.000-4.000 Euro: 18,5 Prozent
Über 4.000 Euro: 34,3 Prozent
Alte Bundesländer: 13,8 Prozent besitzen Aktieninvestments
Neue Bundesländer: 10,3 Prozent besitzen Aktieninvestments
Gesamt: 13,1 Prozent
So wie Delignit, ein Spezialist für Verbundstoffe mit Holz. Delignit fertigt Böden, Radkästen und Innenverkleidungen für Autos und zog gerade einen Millionenauftrag aus England an Land; dahinter soll Opel stecken, das dort seine neuen Transporter baut. Interessant ist Delignit vor allem wegen seiner neuen Leichtbau-Verbundstoffe, aus Holz und Aluminium oder aus Holz und Carbon: Diese verbinden die Vorteile von Carbon (Gewicht, Stabilität) mit denen von Holzfasern (Preis, Flexibilität). BMW und Audi sollen mit den neuen Delignit-Werkstoffen bereits experimentieren.
Der richtige Zeitpunkt bei Übernahmeversuchen
Anleger versuchen meist, Übernahmekandidaten möglichst früh zu kaufen, um von Kurssteigerungen zu profitieren. "Sie glauben: Ist die Nachricht erst mal im Markt, dann sind auch die Kursgewinne schon gemacht", sagt Schlote von Solventis, "aber das stimmt so nicht." Es kann sich auch lohnen, bei bereits laufenden Übernahmeversuchen noch einzusteigen.
„Das Übernahme-Karussell dreht sich immer schneller“
Schlote hat 38 Übernahmen von 2011 bis 2013 untersucht. Anleger verdienten im Schnitt 20,8 Prozent, obwohl erst nach einem Übernahmeangebot gekauft wurde. Bei einigen lag die Rendite über 100 Prozent, etwa bei Heiler Software. Schlote: "Es gibt zwar ein Restrisiko, dass ein Übernahmeversuch scheitert, wie etwa beim Klinikkettenbetreiber Rhön, und der Kurs dann wieder in sich zusammenfällt; aber die meisten Übernahmen gelingen." Und: Fast immer laufen die Aktien der Ziele auch dann noch gut, wenn die Börse in schwieriges Fahrwasser gerät. "Strategische Firmenkäufer lassen sich nicht so leicht von ihren Zielen abbringen", so Schlote.
Bahntechnik im Visier
Interessant sind auch Spekulationen mit Aktien von Unternehmen, an denen Großaktionäre bereits größere Pakete halten. Mit Vossloh zum Beispiel. Die Sauerländer sind führend in der Bahntechnik. Die Branche wächst stark, bevölkerungsreiche Schwellenländer wie Indien und China bauen ihre Bahnnetze aus. Großaktionär Heinz Hermann Thiele überschritt erst Anfang März die Schwelle von 30 Prozent der Vossloh-Aktien. Er muss laut Gesetz den übrigen Vossloh-Aktionären ein Kaufangebot machen. Bislang bietet Thiele ihnen nur den gesetzlichen Mindestpreis, derzeit knapp 49 Euro. Dabei kommt ihm zupass, dass der Vossloh-Kurs gerade im Keller ist. Obwohl Thiele Komplett-Übernahmepläne stets dementiert (WirtschaftsWoche 51, 2013), kann es gut sein, dass er noch einmal nachlegen muss und sein Angebot erhöht. Thiele, der bereits Vossloh-Aufsichtsratschef ist und den kompletten Vorstand austauschte, könnte die Hauptversammlungsmehrheit anstreben. Dazu braucht er 40 bis 45 Prozent der Vossloh-Aktien.
10 Tipps für Börseneinsteiger
Bevor ein potentieller Anleger zum ersten Mal Aktien kauft, sollte er sich Gedanken darüber machen, welches Ziel er mit der Geldanlage verfolgt und für welchen Anlegertyp er sich hält. Wenn mit den Aktien später die Altersvorsorge aufgestockt oder das Studium der Kinder finanziert werden soll, muss an der Börse eine andere Taktik angewendet werden, als wenn es um kurzfristige Gewinne geht. Die grundlegende Frage ist: Sind Sie auf den Betrag angewiesen und investieren deshalb lieber mit möglichst geringem Risiko oder können Sie eventuelle Verluste verschmerzen und renditestärkere aber auch riskantere Papiere kaufen?
Wer die Frage nach der eigenen Risikoneigung mit "no risk, no fun!" beantwortet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er zwar sehr viel gewinnen, aber auch sehr viel verlieren kann. Für den Anfang schadet es nicht, auf eine langfristige Strategie zu setzen und die Entwicklungen an den Märkten zu beobachten. Kleine Zockereien für den Nervenkitzel sind dann im Verlustfall besser zu verschmerzen. Nach dem Geckoschen Leitsatz "Greed is good" sollten Börsenneulinge nicht handeln.
Was eine Aktie ist und wie sie funktioniert, dürfte jedem klar sein. Wer sein Depot auch mit Anleihen und Zertifikaten füllen möchte, sollte nur in Produkte investieren, die er auch versteht. Wer nur auf die Renditeversprechen hört und Produkte kauft, deren Vor- und Nachteile, beziehungsweise Funktionsweisen er nicht begreift, fällt über kurz oder lang auf die Nase.
Bevor Sie ein Depot eröffnen, vergleichen Sie die Gebühren der Banken. Je höher die Gebühren sind, desto geringer fällt die Rendite nachher aus. Direktbanken haben im Regelfall günstige Konditionen und bieten kostenlose Depots an.
Anleger sollten ihr Geld - und damit auch ihr Risiko - zumindest am Anfang möglichst breit streuen. Verteilen Sie Ihr Geld auf verschiedene Märkte wie Rohstoffe und Energie, sowie auf Aktien, Fonds und Anleihen.
Wer seinem Portfolio Fonds oder Zertifikaten beimischt, sollte auch innerhalb dieser Anlageklassen auf eine gute Mischung achten. Fondsanbieter und deren Produkte lassen sich online schnell vergleichen. Wer nicht nur in ein oder zwei Gesellschaften investiert, ist auf der sicheren Seite.
Besonders wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen für Ihre Geldanlage und Ihr Depot regelmäßig überprüfen: Welche Anlageinstrumente haben sich wie entwickelt? Ist es Zeit, das Depot umzuschichten, oder läuft alles in meinem Sinne?
Bei der Überprüfung des Depots sollte man sich immer mal wieder fragen: Würde ich diese Aktie oder diesen Fonds heute noch kaufen? Lautet die Antwort ja, behalten Sie das Produkt. Sind Sie von der Qualität nicht mehr überzeugt, wird es Zeit zum Verkauf.
Entwickelt sich eine Aktie oder ein sonstiges Produkt nicht so, wie geplant, sollten Sie nicht zögern, es zu verkaufen. Sogenannte Stopp-Loss-Orders, also Untergrenzen, bei denen verkauft werden soll, können hilfreich sein. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn man den Kurs nicht permanent selbst im Auge behalten kann oder will.
Grundsätzlich gilt: Verlieren Sie nicht die Nerven. An der Börse gibt es Kursschwankungen, Aktienkurse können unerwartet einbrechen. Das sollte aber kein Grund sein, den Kopf zu verlieren. Panische und unüberlegte Deals kosten meist mehr Geld als die Abwärtstrends.
Selbst Übernahmen, die seit Jahren laufen, können sich für Anleger noch auszahlen. Seit 2011 ist VW am Lkw-Bauer MAN dran, will die eigene Lkw-Sparte mit MAN und der VW-Tochter Scania zusammenlegen. Weil VW 75 Prozent an MAN hält, hat der Konzern mit den Münchnern einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen. MAN-Aktionären muss VW seither 3,07 Euro je Aktie Garantiedividende bezahlen.
Noch nicht das letzte Wort
Das letzte Angebot VWs lag mit 80,89 Euro zwar unter dem aktuellen Kurs. Aber es sichert die MAN-Aktie ab: Unter das derzeit geltende Kaufangebot wird der Kurs kaum fallen. "Gut möglich ist, dass VW noch mal nachlegt", sagt Dirk Sammüller, Manager des TBF Special Situations Fonds, der auf laufende Übernahmen spezialisiert ist. "Oft klagen die Minderheitsaktionäre auf eine höhere Barabfindung. Die Chance ist gut, dass ein Gericht den MAN-Aktionären diese dann zuspräche." In den vergangenen Jahren sei dies in mehr als 80 Prozent Verfahren der Fall gewesen. Und wenn nicht? Dann kassieren MAN-Aktionäre immerhin noch knapp vier Prozent Dividendenrendite - garantiert. Allemal besser als nichts, in Zeiten von Null- und Strafzinsen.