Freytags Frage

In welcher Welt leben Zentralbanker eigentlich?

Die Welt der Zentralbanker hat offenbar wenig mit den Bürgern gemein. So war die abgelaufene Woche erneut von gelpolitischen Glanzlichtern geprägt, die langfristig aber eher schaden als nutzen werden.

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Die Welt in Blau und Silber
Am 14. April 2016 erscheint die erste deutsche Fünf-Euro-Münze "Planet Erde". Die Euro-Version des "Heiermanns" ist anerkanntes Zahlungsmittel, dürfte aber vor allem für Sammler interessant sein. Quelle: dpa
Die neue Münze soll nicht den Fünf-Euro-Schein ersetzen. Quelle: dpa
Die Erde mit Blauschimmer: Eine Seite der Münze zeigt eine stilisierte Ansicht der Erde, umgeben von den Planeten unseres Sonnensystems. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Der Entwurf des Bundesadlers basiert auf einer Vorlage der Designerin Alina Hoyer aus Berlin. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Besonders ist zweifelsfrei der lichtdurchlässige Ring aus Polymer, einem Spezialkunststoff. In den Kunststoffring sind kleine Kristalle eingearbeitet, die für mehr Leuchtkraft sorgen sollen. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Mit Hintergrundlicht leuchtet der integrierte Kunststoffstreifen in hellem Blau. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Die Randschrift der Münze lautet "Blauer Planet Erde". Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de

Am Montag hat Mario Draghi seine Geldpolitik vehement verteidigt und den Sparern, allen voran den deutschen Sparern die Schuld am Niedrigzins, den er als ein Symptom, aber nicht als die Ursache der gegenwärtigen Probleme für die Geldanlage sieht, zugewiesen. Am Mittwoch hat die Europäische Zentralbank (EZB) beschlossen, die 500-Euro-Scheine schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen, um Kriminalitätsbekämpfung voranzutreiben.
Wie hängen diese Themen zusammen? Spielen sie eine Rolle zur Bewertung der Geldpolitik? Aus Sicht des Kolumnisten kann man zwar keinen logischen Zusammenhang dergestalt herstellen, dass die Rede am Montag die Entscheidung am Mittwoch vorbereitet hat, aber es zeigt sich schon, dass beides demselben letzten Zweck zu dienen hat, nämlich der Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Dies zugeben zu müssen, wäre natürlich eine intellektuelle, moralische und rechtliche Bankrotterklärung.
Deshalb müssen immer abenteuerliche Argumentationsketten aufgebaut und Maßnahmenpakete geschnürt werden. Beginnen wir mit den Sparern.

10 Fakten über den 500 Euro-Schein

Der EZB-Präsident benutzt als Einstieg in seine Rede bei der Asiatischen Entwicklungsbank am 2. Mai, die mit „Addressing the causes of low interest rates“ überschrieben ist, das alte Argument der Sparschwemme. Dieses besagt, dass Ersparnisse weltweit wachsen – zum Teil wegen der Alterungsprozesse in den reichen Ländern -, denen nicht genügend lukrative Investitionsprojekte gegenüberstehen. Dies senke den langfristigen Realzins. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sei ein Spiegel dieser Entwicklung; in Deutschland müsste mehr investiert werden. In einem Nebensatz weist Herr Draghi auf die nötigen angebotspolitischen Reformen hin. So weit, so richtig.
Danach argumentiert Herr Draghi weiter damit, dass die Rolle der Geldpolitik darin bestehen muss, die Investitionsprojekte durch eine weitere Zinssenkung attraktiver zu machen. Weitere Zinssenkungen würden zugleich das Sparen verleiden und die Menschen zum Konsum bewegen. Weil sie soviel sparen und weil so wenig investiert würde, müsste die EZB also die Zinsen noch weiter senken. Den deutschen Sparern wird dann noch süffisant empfohlen, mehr Aktien und andere renditeträchtige Anlagen zu halten.

Das ist natürlich nur soweit wirklich zu empfehlen, wie die anderen Projekte renditeträchtig sind. Das können oftmals Banken besser beurteilen als Individuen, weswegen ja Sparer ihr Geld zur Bank bringen. Wenn die Banken nicht genug Investitionsprojekte finden, dürfte die Verlagerung der Anlagen nicht durchgängig alle Sparer besserstellen. Sie steigern ihre Renditechancen, aber auch ihr Risiko.

Davon abgesehen enthält die Argumentation zwei schwere gedankliche Fehler. Erstens ist das gegenwärtige Problem geringer Investitionen gerade kein Nachfrageproblem, das mit expansiver Geldpolitik oder mit höherer Staatsverschuldung zu lösen ist. Es ist – und darauf verweist Draghi in seiner Rede – ein Struktur- oder Angebotsproblem. Viele Märkte, darunter die Arbeitsmärkte in der Eurozone sind überreguliert – oftmals zugunsten der etablierte Anbieter und Insider. Niedrigere Kapitalkosten lösen Angebotsprobleme dieser Art nicht. Anders ausgedrückt: Es ist ein mikroökonomisches, kein genuin makroökonomisches Problem. Denken in aggregierter Nachfrage hilft dabei nicht!

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