
Über das Rednerpult haben sie einen roten Stoffhimmel gespannt. Schließlich spricht hier ein Fußballweltmeister – einer von 1974, kein aktueller. Der ältere Herr soll bitte trocken bleiben an diesem nassen, windigen Frühsommertag. Paul Breitner ist auch nicht zum Fußballspielen da, sondern als Immobilieninvestor.
Er ist einer der Geldgeber für ein Seniorenheim, das auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei in Solingen entstehen soll; 20 Millionen Euro steckt er zusammen mit einem Partner in die Altenresidenz. Im Immobiliengeschäft ist der Ex-Außenverteidiger ein alter Hase, seit 30 Jahren investiert er in Steine und Beton.
Zurzeit hat Breitner viele Nachahmer: Niedrige Zinsen treiben sicherheitsbewusste Anleger in Sachanlagen. Markus Steinbeis vom Vermögensverwalter Huber, Reuss, Kollegen rät, etwa 20 Prozent des liquiden Vermögens in Immobilien anzulegen. Vieles spricht dafür, dass Preise und Mieten weiter steigen werden:
- Baugeld ist weiter billig; ein Hypothekenkredit über 200.000 Euro mit 15 Jahren Laufzeit kostet im Schnitt 2,6 Prozent ; 1990 waren es noch 9,6 Prozent. Das macht Immobilien für viele erschwinglich.
- Die Konjunktur läuft. „Gute Arbeitsmarktkonjunktur treibt die Nachfrage nach Immobilien“, sagt Werner Rohmert, Gründer des Fachblatts „Platow Immobilien“.
- In Metropolen ist das Angebot nach Jahren schwacher Bautätigkeit und stetigen Zuzugs knapp, die Mieten steigen.
- Obwohl die Euro-Krise vorerst aus den 20-Uhr-Nachrichten verschwunden ist: Viele suchen weiter nach sicheren Anlagen.
Wo sich der Immobilienkauf noch lohnt
Ein wichtiger Grund sind die seit Jahren niedrigen Zinsen. Wenn Sparbuch, Festgeld und Staatsanleihen fast nichts abwerfen und Aktien als zu riskant erscheinen, stecken Anleger ihr Geld in Immobilien. Die Euro-Schuldenkrise hat zudem wohlhabende Ausländer aus Südeuropa und Asien angelockt, die im „sicheren Hafen“ Deutschland ihr Vermögen parken wollen.
„Lage, Lage, Lage“ war bislang das Motto beim Immobilienkauf. Die Studie des Beratungsunternehmens Empirica kommt zu dem Ergebnis: „Region, Region, Region“ ist in Zukunft der Trumpf. Will sagen: Es wird in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, in Gebiete mit Bevölkerungswachstum zu investieren. Regionen, die schrumpfen, sollten gemieden werden. Es wird „Schwarmstädte“ geben, in die junge, aufstrebende Menschen strömen, und alternde Städte, die immer weiter ausbluten.
Innerhalb der Großstädte wandeln sich die Viertel und ihre Bewohner schneller als bisher. Stadtteile können auf- und abwerten, die Trends sind unberechenbarere als bisher. Die Empirica-Studie sieht auch Chancen für Kleinstädte oder manchen Landstrich in Ostdeutschland. Fazit der Studie: Investitionen lohnen, wo es schön ist, wo man gut hinkommt, wo etwas geboten wird und wo man einen Job findet. Bei der Immobilienauswahl müsse man „höllisch aufpassen“.
Ohne Kredite keine Blase, lautet das Credo unter Wirtschaftswissenschaftlern: Werden Darlehen verstärkt auch an Normalverdiener mit teils geringer Bonität vergeben, steigt die Nachfrage nach Wohnimmobilien. Der gleiche Mechanismus funktioniert bei billigen Finanzierungskosten durch etwa niedrige Zinsen. Die Folge: Das steigende Interesse rechtfertigt höhere Kaufpreise, Mieten und Einkommen bleiben hinter dieser Entwicklung jedoch zurück. Der Markt überhitzt sich, eine Blase entsteht. Erst der massive Einsatz von Fremdkapital macht eine Blase also für die Gesamtwirtschaft gefährlich.
Die Gefahr spekulativer Übertreibungen ist aus Sicht von Forschern zwar für einzelne Regionen gegeben, eine Blase aber noch nicht entstanden. „Trotz historisch niedriger Zinsen ist in Deutschland keine massive Ausweitung der Kreditvergabe für den Erwerb von Wohnraum zu beobachten“, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Seit 2009 wiesen aber mehrere Indizien auf einen deutlichen Preisanstieg für Wohnimmobilien vor allem in Großstädten hin. Das sieht auch die Bundesbank so: Wohnungen in besonders attraktiven Ballungsräumen kosteten inzwischen zu viel. In Teilen von München, Frankfurt oder Hamburg seien die Preise um ein Fünftel zu hoch.
Wer eine Immobilien kauft und sie mit einem regelmäßigen Einkommen abzahlen kann, hat im Alter ein sicheres Dach über den Kopf oder eine monatliche Mieteinnahme, vorausgesetzt es gibt einen Mieter. Die Rendite von Wohneigentum liege langfristig nur bei ein bis zwei Prozent pro Jahr, sagt der Empirica-Studienautor Reiner Braun. Viel wichtiger sei aber das Sparen an sich: Wer über Jahre diszipliniert einen Kredit tilge, der habe am Ende wirklich etwas fürs Alter beiseite gelegt. Bei allen anderen Sparformen sei die Verlockung groß, zwischendurch einen Teil auszugeben.
Immobilien aber sprengen den Rahmen der meisten Privatanleger-Depots. Selbst wer Millionen hat und nur einen Teil in ein Zinshaus investiert, nimmt ein Klumpenrisiko: Unrentable Immobilien loszuwerden kann Jahre dauern. Reparaturen oder Leerstand werfen Renditerechnungen über den Haufen – von Staatseingriffen wie Dämmvorschriften oder Mietpreisbremse ganz zu schweigen. Wer nicht gleich Hunderttausende in Immobilien packen will, hat die Wahl zwischen offenen und geschlossen Immo-Fonds sowie Immobilienaktien.
- Offene Immobilienfonds galten jahrzehntelang als risikoarm; groß war der Schock, als einige nicht mehr alle Anleger auszahlen konnten und geschlossen wurden. Zudem investieren fast alle in Gewerbeimmobilien.
- Bei geschlossenen Immobilienfonds gehen Anleger eine unternehmerische Beteiligung über viele Jahre ein. Risiken sind wenig gestreut, die Kosten mit bis zu 20 Prozent hoch. Viele Fonds geben auch nur Kredite an andere Gesellschaften, die davon Immobilien kaufen sollen; damit fehlt Anlegern der Sachwert als Sicherheit.
Bleiben Aktien. „Wohnimmobilienaktien können eine gute Depotbeimischung sein“, sagt Steinbeis. Sie kombinieren die Vorteile von Immobilien (relativ krisensichere Mietrendite) mit der Liquidität börsennotierter Aktien. Von steigenden Preisen und Mieten würden die großen börsennotierten Wohnungsbestandshalter profitieren.