




WirtschaftsWoche: Herr Käbisch, der Dax müht sich mit der 10.000er Marke ab. Vor einem Jahr, als er bei 8.350 Punkten stand, hatten Sie geraten, Kursrückschläge zu Käufen zu nutzen und lagen damit richtig. Was raten Sie jetzt?
Maik Käbisch: Damals war das kein besonderes Kunststück, die Börse ist wegen der massiven Einflussnahme der Notenbanken ziemlich vorhersehbar geworden. Und die globale Liquiditätsschwemme wird uns noch lange begleiten. Aktuell werden wir unsere Aktienpositionen absichern und eher verkaufen als zukaufen.
Warum?
Wir hatten bis Mai tolle Monate an der Börse, die meisten Vermögensmanager, aber auch Versicherungen und Pensionskassen, haben ihr Jahresziel schon erreicht. Diese Gewinne werden viele jetzt absichern wollen. Selbst konservative Depots liegen um die vier Prozent im Plus, aufs Jahr hochgerechnet wären das zehn Prozent - das ist oberhalb von allem, was Kunden im Niedrigzinsumfeld erwartet haben. Das Chance-Risiko-Profil hat sich verschlechtert. Über den Sommer drohen Rückschläge nach klassischem zyklischen Muster, womöglich wegen Themen, die wir überhaupt noch nicht kennen.

Also "sell in may and go away"?
Eher ja. Wir können die 10.000 schon noch erreichen, im Überschwang auch darüber hinausschießen, aber grundsätzlich sehe ich deutliches Rückschlagpotenzial. Eine Menge Vermögensmanager dürften das ähnlich sehen wie wir. Wer seine Jahresperformance jetzt schon eingefahren hat, fragt sich dann schon, was er noch zu verlieren hat, wenn er den Anteil von Aktien in seinem Portfolio deutlich reduziert. Viele Probleme werden an der Börse zur Zeit einfach ignoriert: In der Ukraine wird gekämpft, in der EU bahnt sich um das Thema Kommissionspräsident ein Konflikt an...