Tick für Tick haben die Renditen zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen in den vergangenen Tagen etwas nachgegeben. In der Spitze kamen sie über 1,6 Prozent, dann sind sie auf 1,52 Prozent gesunken, aktuell, am Freitag vormittags, liegen sie aber schon wieder bei 1,59 Prozent. Von einem deutlichen Rückzug des massiven Anstiegs der vergangenen Wochen kann also noch keine Rede sein, allenfalls von einer kurzen Atempause.
Dennoch, dass der Dax in diesem angespannten Umfeld auf mittlerweile bis zu 14.600 Punkte gekommen ist, signalisiert eine innere Stärke des Marktes. Sie ist vor allem auf bestimmte Aktien zurückzuführen, die durch ihre große Bedeutung im Index den Gesamtmarkt nach oben ziehen:
- Daimler, Volkswagen, BMW, und BASF, klassische industrielle Schwergewichte, werden von der Hoffnung auf die konjunkturelle Erholung und Sonderchancen der Autobranche angetrieben.
- Die Finanzwerte Allianz, Münchener Rück und Deutsche Bank profitieren vom gestiegenen Zinsniveau.
- Bisherige Favoriten wie Siemens oder Linde, beides Top-Schwergewichte im Index, werden nach kurzen Rücksetzern sofort wieder gekauft. Vor allem ihr starkes internationales, asiatisches Geschäft ist robust und aussichtsreich. Bei Siemens kommt die erfolgreiche Modernisierung in Richtung digital und neue Energien dazu.
- Spezialchancen werden ebenfalls von Anlegern honoriert. Bei Adidas wäre ein Anstieg über die Hürde von 300 Euro ein starkes Signal. Die operative Erholung und – endlich – der Verkauf der großen Enttäuschung Reebok sind dafür der entscheidende Hintergrund.
- Selbst die Deutsche Telekom hat sich nach einer längeren Seitwärtsphase wieder zurückgemeldet. Vor allem der unternehmenseigene Bestand an Mobilfunkmasten gilt derzeit mit Blick auf die neue Technik 5G als wertvolles Asset.
Zu den erfolgreichsten Unternehmen im Dax gehört die Deutsche Post. Onlineboom und Homeoffice haben der ohnehin wachstumsstarken Logistikbranche einen Extrakick beschert. Selbst für die elektrischen Streetscooter gibt es wieder Kaufinteressenten. Überbewertet ist die Aktie der Deutschen Post nicht. Sie hat etwa die Kennzahlen wie der Konkurrent FedEx, ist aber immer noch günstiger als UPS. Allerdings, es ist schon ein Warnsignal, wenn das Umfeld für eine Aktie optimal ist; besser kann es dann ja kaum noch werden. Also: Die Post-Aktie kann ihren Aufwärtstrend durchaus fortsetzen, aber die Dynamik dürfte nachlassen. Wer dabei ist, kann Gewinne laufen lassen und durch eine Verlustbegrenzung absichern. Etwa im Bereich um 35 Euro.
Eine Chance vom Rohölmarkt kommt dazu
Die Vielzahl von Aktien mit robuster Verfassung, unter ihnen mit Ausnahme von SAP alle Schwergewichte im Index, sollte den laufenden Aufwärtstrend im Dax Substanz geben. An der Bedeutung der Zinsen ändert das nichts. Doch auch hier besteht die Chance auf eine Entspannung. Sie kommt vom Rohölmarkt, dem wichtigsten Treiber der Inflation, die in Deutschland im Februar auf 1,3 Prozent gestiegen ist.
Der massive Anstieg der Ölpreise, die innerhalb eines Jahres von 20 Dollar auf 70 Dollar geklettert sind, könnte in den nächsten Wochen eine Pause einlegen. Allein in den vergangenen drei Jahren kam es um 70 Dollar sechs Mal zur Kehrtwende kurz- bis mittelfristiger Trends. Zudem hat die aktuelle Anstiegsphase, die im November bei 35 Dollar begann, nun etwa das gleiche Ausmaß erreicht, das die erste Phase von März bis September hatte.
Die Nachfrage nach Öl ist weiter robust, vor allem aus China. Die Opec bleibt mit der Förderung zurückhaltend, weder Produzenten noch Lagerhalter waren auf den lebhaften Bedarf vorbereitet; der Preisanstieg ist auch Folge dieser unelastischen Nachfrage. Damit könnte es durchaus noch zu einem Überschießen des Preises in Richtung 85 Dollar kommen, der Preisspitze von 2018. Insgesamt sollte es dann aber angesichts der einhelligen Erwartung noch teureren Öls im Bereich 70 bis 85 Dollar erst einmal zu einer Konsolidierung kommen, die mehrere Monate umfassten könnte.
Fazit für den Dax: Der dynamische Anstieg über das bisherige Hoch um 14.100 Punkte ist ein klassisches, bestätigendes Kaufsignal. Er ist Teil der Aufwärtsbewegung, die mit Corona begonnen hat, im Sommer und Herbst 2020 eine große Konsolidierung absolvierte und seitdem in einer neuen Aufwärtsphase steckt. Der amerikanische Dow Jones ist als klassischer Marktdurchschnitt in einer ähnlich robusten Verfassung, eine Bestätigung des Trends. Schwächer, trotz jüngster Avancen, sind die Technologiewerte – eine direkte Folge des höheren Zinsniveaus.
Mit dem jüngsten Anstieg hat der Dax nicht nur Neuland betreten, er hat sich gleichzeitig ein gutes Stück von der gefährlichen Abstiegszone entfernt, die sich bei einem Rutsch unter 13.600 bis 13.200 Punkten eröffnet hätte. Sorglos sollten Anleger deshalb nicht werden, doch kurzfristig überwiegen die Chancen. Bei Rücksetzern wäre es wichtig, dass der Dax nun nicht mehr unter 14.000 Punkte rutscht.
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